Insgesamt haben allein die Nutzer des Videoportals YouTube 2010 über
700 Milliarden Videos angeklickt und mehr als 13 Millionen Videostunden
hochgeladen. Experten schätzen, dass 1,1 Millionen neuer Videos täglich
hinzugefügt werden, 35 Stunden Videomaterial pro Stunde. Diese Zahlen
erklären, warum die allermeisten dieser Filme ungesehen wieder
verschwinden, nicht aber warum es manche zu einer millionenfachen
Verbreitung bringen.
„Es gibt viele Theorien, aber bislang hat sich keine wirklich
durchgesetzt“, erklärt Krishna Gummadi vom Max-Planck-Institut für
Software-Systeme in Saarbrücken (Süddeutsche Zeitung, 4.1.11). Er
versucht, die Mechanismen hinter der Verbreitung der Netzwerk-Inhalte zu
verstehen.
Klar scheint demnach zumindest, dass es verschiedene Arten der
Verbreitung gibt: Manche Bilder oder Videos werden schnell von vielen
Leuten angesehen und geraten dann in Vergessenheit. Andere steigern ihre
Beliebtheit jahrelang, wieder andere bleiben erst unbemerkt, bis die
Klickzahlen plötzlich explodieren.
Als Zünder dient oft eine Nachrichten-Website, die das Video verlinkt.
So war es etwa bei dem Video, das Finanzminister Schäuble zeigt, der
seinen Pressesprecher öffentlich bloßstellt. Einen Tag lang wurde es
kaum beachtet. Nach Verlinkungen auf dem Nachrichtenportal heise.de und
auf tagesschau.de tobte das Interesse.
Die Dauerbrenner unter den Videos werden am ehesten durch Mundpropaganda
verbreitet. Auch YouTube selbst trägt dazu bei, beliebte Videos
beliebter zu machen. Etwa 30 % der Videos werden angesehen, weil YouTube
sie Nutzern am Ende eines anderen Videos empfiehlt.
Besonders gute Chancen auf einen hohen Werbeeffekt haben zudem die
Filme, die mit einer klar definierten Botschaft an eine eindeutig
eingegrenzte Zielgruppe geschickt werden: Kräuterzüchter,
Zitroneneisesser oder Einradfahrer, die sich in einschlägigen Foren und
Newsgruppen zusammenfinden. Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit hoch,
dass sie die Filme oder Bilder anklicken und weiterschicken.
Ungeplante Popularität durch YouTube-Videos
Eine Sonderstellung unter den Internet-Videos nehmen die Anti-Firmen-Spots ein: Filme, die als Reaktion auf
eine negative Erfahrung mit einem Unternehmen oder als satirische
Parodie ins Netz gestellt werden. Doch während es sich empfiehlt, auf
Filme der ersten Gruppe schnell und ehrlich zu reagieren, dürfen die
Werke von Hobby-Satirikern durchaus ignoriert werden. Diesen Schluss
jedenfalls legen die Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit nahe.
Während die Nichtbeachtung dreier YouTube-Filme eines unzufriedenen
Kundens von United Airlines, dem bei einem Flug die Gitarre zerstört
wurde (Titel seiner Filme: „United Breaking Guitars“) dem Unternehmen
massenhaft schlechte Presse einbrachte, konnte man der Weiterverbreitung
einer Persiflage beim Internet-Dienstleister 1&1 entspannt zusehen.
„Wir können keine Schäden feststellen“, kommentierte ein Firmensprecher
die YouTube-Filme, die aussehen wie die echte TV-Werbung, in denen der
vermeintliche Mitarbeiter aber offenbart, das Unternehmen arbeite mit
der russischen Mafia zusammen und seine Router seien Plagiate aus China.
Verletzt die Verwendung von Werbevideos eines Unternehmens durch
Satiriker Marken- und Urheberrechte, können die Firmen auch juristisch
gegen die Videos vorgehen. In diesem Fall muss der Urheber mit
Schadenersatzklagen rechnen. Die meisten Unternehmen begnügen sich
allerdings damit, bei YouTube eine Löschung der Spots zu erwirken. So
ließ man bei VW einen angeblichen Werbespot sperren, in dem sich ein
Terrorist in einem Polo in die Luft sprengt, ohne das Auto zu zerstören.
Fazit
YouTube-Videos sind im besten Fall preiswerte
Inititalzündungen für eine höhere Markenbekanntheit und steigende
Absatzzahlen. Wer sie bewusst lancieren möchte, sollte sich auf eine
klar definierte Empfängergruppe konzentrieren. Je relevanter, desto
schneller die Verbreitung. Bedenken Sie jedoch, dass YouTube allein
nicht die Umgebung für nachhaltig erfolgreiche Mundpropaganda ist.
Die Herausforderung für die Zukunft besteht somit darin, nicht nur
Inhalte über die Social Media zu verbreiten, sondern dort auch als
Unternehmen „persönlich“ in Erscheinung zu treten und mit den Kunden
einen Dialog zu führen.