Am 16. Februar 2012 hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit einer im Verkauf und Vertrieb wichtigen Rechtsfrage auseinandergesetzt. Letztendlich ging es um die Frage, ob Gruppen- und Bereichsleiter „Bestandsschutz“ genießen oder nicht.
Das verklagte Unternehmen vertreibt Versicherungsleistungen. Einer der
Mitarbeiter erwies sich als außerordentlich erfolgreich. Zunächst
arbeitete er als Verkaufsberater, schließlich als Gruppenleiter, am Ende
sogar als Vertriebsleiter. In dieser Position leitete er mehrere
Berater an. Das erfolgsabhängige, variable Entgelt des Arbeitnehmers
überstieg das vertraglich garantierte Fixum immer um ein Mehrfaches.
Zum Streit kam es, als das Unternehmen umstrukturierte und die Zahl der
vom Vertriebsleiter betreuten Betreuer deutlich abnahm – und damit auch
sein variables Entgelt. Der Vertriebsleiter forderte von seinem
Arbeitgeber Schadenersatz. Er hätte, so die Begründung, ihm mehr Berater
zur Verfügung stellen müssen. Der Fall landete vor Gericht.
Die Entscheidung
Gibt es keine entsprechende vertragliche Vereinbarung, sind Sie als
Arbeitgeber nicht in der Pflicht, Ihre Organisationsgewalt so ausüben zu
müssen, dass sich die Höhe des erfolgsabhängigen variablen Entgelts
einzelner Mitarbeiter nicht verändert. So lässt sich das Urteil des BAG
zusammenfassen (BAG, Urteil vom 16. Februar 2012 – 8 AZR 98/11):
Es entspricht dem Wesen eines variablen Entgeltbestandteils, in der Höhe von
- Einflüssen des Marktes,
- der Vertriebsorganisation des Arbeitgebers oder
- solchen, die von der Person des Arbeitnehmers ausgehen, abhängig zu sein.
Es gibt also keine vertraglich fixierte Garantie.
Achtung: Im konkreten Fall kam hinzu, dass ein Gebiets- oder
Kundenschutz arbeitsvertraglich ausgeschlossen worden war und sich der
Arbeitgeber vorbehalten hatte, die Zahl der unterstellten Beauftragten
oder Berater jederzeit verändern zu können. Das aber ändert nichts an
der Grundaussage des BAG: Ohne vertragliche Zusicherung kein
„Bestandsschutz“.
Empfehlung: Wenn Sie sich im Rahmen einer Zielvereinbarung mit Ihrem
Mitarbeiter vertraglich auf Zusatzzahlungen zum regulären Einkommen
einigen, darf diese Prämie maximal 20 bis 30 % des gesamten Gehalts
ausmachen. Die Kasse klingelt erst dann für Ihren Mitarbeiter, wenn
bestimmte Ziele erreicht werden. Die Ziele dürfen an die individuelle
Leistung und/oder an den Umsatz des Teams und des Unternehmens gekoppelt
sein.
Der Anspruch auf das volle Einkommen entsteht erst, wenn alle
ausgehandelten Bedingungen erfüllt sind; bei Übererfüllung der Ziele
wird oft ein saftiger Zuschlag fällig. Während des Leistungszeitraums
kann Ihr Mitarbeiter auf ein Gespräch mit Ihnen dringen, um den
aktuellen Stand der Zielerreichung festzustellen.
Keine Vertragsänderung ohne Zustimmung
Was auf den ersten Blick positiv für Ihren Mitarbeiter klingt, kann in
der Praxis auch andere Früchte tragen: Wird bestehendes Festgehalt mit
einem variablen Anteil verknüpft, kann das bedeuten, dass Ihr
Mitarbeiter bei schlechter Konjunkturlage oder Nichterreichen seiner
Ziele unter dem Strich weniger nach Hause trägt als vor der
Vereinbarung.
Hier heißt es für Sie Überzeugungsarbeit zu leisten: Denn in der Regel
lässt sich ein einmal vereinbartes festes Bruttogehalt nicht ohne
Zustimmung des Mitarbeiters in einen festen und einen variablen Anteil
trennen. Der Mitarbeiter kann z. B. die Vereinbarung verweigern, wenn er
der Ansicht ist, dass die enthaltenen Zielvorgaben unrealistisch sind.
Allerdings würde er damit gleichzeitig auf den zusätzlichen
Gehaltsbestandteil verzichten. Ihnen bleibt in so einem Fall höchsten
der Weg über eine Änderungskündigung, wenn Sie die variable Vergütung
trotzdem durchsetzen wollen. In der Praxis steht dem allerdings das
Kündigungsschutzgesetz entgegen.
Gibt es im Unternehmen einen Betriebsrat, dann muss auch dieser
einbezogen werden. Denn die Realisierung einer variablen Vergütung lässt
sich in der Regel nicht ohne den Betriebsrat umsetzen. Sie hängt auch
davon ab, was in einem eventuell für das Unternehmen maßgeblichen
Tarifvertrag steht.
Zielvereinbarung nur schriftlich
Da es sich bei der Zielvereinbarung im Rahmen der variablen Vergütung um
einen Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer handelt, kommt
dieser nur dann zustande, wenn beide mit den Zielen einverstanden sind.
Achtung: Soweit im Arbeitsvertrag eine Schriftformklausel für Änderungen
oder Ergänzungen des Arbeitsvertrages vorgesehen ist, muss die
Vereinbarung schriftlich abgefasst und auch von beiden Parteien
unterzeichnet werden, um Wertung zu entfalten.
Was ist, wenn höhere Gewalt das Erfüllen der Ziele unmöglich macht? In
extremen Ausnahmesituationen können sich die Parteien auf den „Wegfall
der Geschäftsgrundlage“ berufen. Dann ist die Vereinbarung unter
Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Zielvereinbarung an die neuen
Umstände anzupassen.