Ursprünglich beruhte der Markterfolg der Industriegüteranbieter weitgehend auf der Leistungsfähigkeit und Qualität ihrer Produkte. Und der Service? Er war lediglich eine notwendige Folge des Produktvertriebs. Die Kunden erwarteten einen After-Sales-Service – zum Beispiel die Versorgung mit Ersatzteilen sowie die Inspektion und Wartung der Maschinen. Also bekamen sie ihn. Dies war die Zeit des reaktiven Verkaufs von After-Sales-Serviceleistungen.
Doch in den letzten Jahren hat sich das Blatt gewendet. Aufgrund des häufig bestehenden technischen Patts zwischen den Produkten der Industriegüteranbieter entscheidet sich heute der Erfolg nicht mehr allein über die Leistungsfähigkeit und Qualität der Produkte. Entscheidend für den Markterfolg ist mehr und mehr die kundenorientierte Gesamtlösung – also der Nutzen, den der Kunde während der gesamten Nutzungsdauer aus dem Gesamtpaket „Produkt plus Service“ zieht.
Service ist heute mehr als After-Sales-Service
Die logische Konsequenz: Viele Unternehmen bauen ihr Serviceangebot für die Kunden aus und der klassische After-Sales-Service wird zunehmend um einen
ergänzt – unter anderem, weil die Unternehmen in der offensiven Vermarktung von solchen kunden- und nutzungsorientierten Service-Paketen eine Chance, sich gegenüber ihren Mitbewerbern zu profilieren, sehen. Und die Produkte? In ihnen wird zunehmend nur noch ein Mittel, um die von den Kunden gewünschte „ganzheitliche“ Lösung zu realisieren, gesehen.
Zurecht! Denn: „Der Kunde braucht – zugespitzt formuliert – „keine Bohrer, er braucht Löcher.“ Bezogen auf die offensive Vermarktung von Serviceleistungen bedeutet dies:
Eine solche kundennutzenorientierte Marktbetrachtung und -bearbeitung trägt Früchte. Das beweisen heute schon viele „First-Tier-Lieferanten“, also bevorzugte System- und Modullieferanten, sowie Generalunternehmer, die für ihre Kunden lösungsorientiert Pakete aus Produkten und Service-/Dienstleistungen schnüren und/oder ihnen ein Performance-Contracting oder Betreibermodelle offerieren. Hersteller werden zunehmend zu herstellenden Dienstleistern.
Service ist nicht nur eine Differenzierung-Chance
Eine zentrale Voraussetzung für eine solche Markt(bearbeitungs-)strategie ist nicht nur die entsprechende strategische Positionierung des Bereichs Service im Markt, sondern zuallererst im eigenen Unternehmen. Wichtig ist zudem die Erkenntnis, dass heute ein offensiver Servicevertrieb mindestens ebenso wichtig ist wie ein aktiver Produktvertrieb. Die damit zusammenhängenden Grundsatzentscheidungen können nur vom Top-Management eines Unternehmens getroffen werden. Dieses ist und bleibt auch der Motor dafür, dass sich der für das Umsetzen einer solchen Strategie erforderliche Bewusstseinswandel in der (gesamten) Organisation vollzieht. Diese Positionierung und konzeptionelle Umsetzung ist Chefsache. Hier sind Geschäftsleitung und Vorstand gefordert!
Welche strategischen Möglichkeiten bietet ein offensives Servicekonzept, um den Markt- und Serviceerfolg zu steigern?
Diese vier Aspekte sind alle in der Industriegüterbranche bekannt. Trotzdem wird meist nur auf einem „Instrument“ gespielt; nur ganz selten wird daraus strategisch ein professionelles „Orchester“ geformt.
Das Top-Management ist gefragt
Warum werden die strategischen Potenziale des Services meist nicht konsequent genutzt? Die 2010 von der Hochschule Mannheim in Zusammenarbeit mit PETER SCHREIBER & PARTNER erstellte Studie „Vermarktung von Serviceleistungen in der Industriegüterbranche“ nennt hierfür, ebenso wie mehrere aktuelle Expertenbefragungen, unter anderem folgende Ursachen:
Die Mitarbeiter spüren diese Defizite und „sperren“ sich entweder mental gegen den Verkauf von Serviceleistungen oder stellen entsprechende Versuche nach einiger Zeit frustriert ein.
Was ist zu tun?
Wie können diese Defizite behoben werden und die strategischen Chancen eines Service-Vermarktungskonzeptes offensiv genutzt werden? Zunächst muss die Geschäftsleitung beziehungsweise der Vorstand eine strategische Grundsatzentscheidung treffen, welche Rolle der Bereich Service beim Realisieren der Unternehmensvision und Erreichen der Unternehmensziele spielt. Ist der Bereich Service diesbezüglich relevant, ist nach den Regeln des Projektmanagements ein Projekt „Service Excellence“ aufzulegen. Dieses strategisch wichtige Projekt muss Chefsache sein und bleiben! Dies bedeutet: Im Lenkungsausschuss des Projekts ist die Geschäftsleitung/der Vorstand persönlich vertreten.
Und die Projektleitung? Sie muss zunächst eine Marktanalyse durchführen – und daraus die verschiedenen strategischen und organisatorischen Optionen ableiten. Nach der Diskussion dieser Optionen im Lenkungsausschuss ist dann für den Service-Bereich eine erste Balanced Score Card mit Marketing- und Vertriebsplan auszuarbeiten und Jahr für Jahr weiterzuentwickeln.
Fazit
In der Investitionsgüterindustrie hängt der Markterfolg der Unternehmen schon lange nicht mehr nur von der Leistungsfähigkeit und Qualität ihre Produkte, Komponenten und Anlagen ab. Gefragt sind kundenspezifische Lösungen, die den Kunden helfen, ihre Prozesse zu optimieren und wettbewerbsfähiger zu sein, damit sie wiederum ihre Lösungen ihren Kunden erfolgreich verkaufen können.