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Fachartikel, 28.12.2007
Aktiengesetz
Entsenderecht von Aktionären in den Aufsichtsrat einer AG
Gemäß § 101 Absatz 1 Aktiengesetz (AktG) kann Aktionären unter bestimmten Voraussetzungen das Recht eingeräumt werden, Mitglieder in den Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft zu entsenden. Erst in jüngerer Zeit war das Entsenderecht wieder Gegenstand lebhafter Diskussionen und juristischer Auseinandersetzungen. Lesen Sie in diesem Beitrag über den Zweck, die Voraussetzungen, den Inhalt und die Ausübung sowie das Erlöschen des Entsenderechts.
Am 2. Juli 2007 gab das Landgericht Essen bekannt, dass die Anfechtungsklagen von mehreren Kleinaktionären abgewiesen worden seien. Diese hatten gegen einen Satzungsbeschluss geklagt, durch den einer Stiftung ein Recht zur Entsendung von drei Mitgliedern in den Aufsichtsrat einer bestimmten Gesellschaft eingeräumt werden sollte, wenn die Stiftung mit über 25 Prozent an dem Unternehmen beteiligt ist. Die Aktionäre hatten gerügt, das Entsenderecht entmachte die Hauptversammlung und stehe zudem nicht mit dem Europarecht in Einklang. Dies zeigt bereits, dass es sich beim Entsenderecht um ein Rechtsinstitut handelt, das bestimmten Aktionären eine sehr starke Stellung verschafft.

Zweck des Entsenderechts

Nach der gesetzlichen Regelung des § 101 Absatz 1 AktG werden die Mitglieder des Aufsichtsrates grundsätzlich von der Hauptversammlung gewählt. Ausnahmen hiervon sieht das Gesetz nur für die Fälle der Entsendung von Mitgliedern seitens der Aktionäre sowie für einige weitere eng begrenzte Ausnahmefälle vor. Gemäß § 101 Absatz 2 AktG kann in der Satzung einer Aktiengesellschaft vorgesehen werden, dass bestimmten Aktionären oder Inhabern bestimmter Aktien das Recht eingeräumt wird, Mitglieder in den Aufsichtsrat der Gesellschaft zu entsenden. Zweck der Einräumung eines Entsenderechts ist es, bestimmten stark an der Gesellschaft interessierten Personen die Möglichkeit zu eröffnen, Personen ihres Vertrauens in den Aufsichtsrat zu entsenden.

Voraussetzungen und Inhalt des Entsenderechts

Da durch die Einräumung eines Entsenderechts das Wahlrecht der Hauptversammlung eingeschränkt wird, sind im Gesetz auch relativ strenge Voraussetzungen für die Einräumung eines Entsenderechts vorgesehen. Demnach kann ein Entsenderecht nur auf bestimmte Weise und für bestimmte Aktionäre eingeräumt werden:

  1. Anteilseignereigenschaft: Der künftige Entsendungsberechtigte muss Aktionär der Gesellschaft sein. Ist er nicht Anteilseigner, so ist das Entstehen eines Entsenderechts ausgeschlossen.
  2. Satzungsbestimmung: Das Entsenderecht kann nur durch Satzungsbeschluss eingeräumt werden. Ob das Entsenderecht in einer Änderungssatzung enthalten ist, oder von Anfang an zugunsten des Entsendungsberechtigten vorgesehen ist, ist für das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen irrelevant.
  3. Zahlenmäßige Grenzen der Entstehung des Entsenderechts: Um den für das Aktienrecht geltenden Grundsatz “eine Aktie, eine Stimme” nicht zu stark einzuschränken, sind genaue zahlenmäßige Grenzen des Entsenderechts zu beachten: Entsenderechte dürfen nur für höchstens ein Drittel der Zahl der Anteilseignervertreter vergeben werden.

Nach § 101 Absatz 2 AktG kann ein Entsenderecht in zwei Formen eingeräumt werden:

  1. Persönliches Entsenderecht: Beim persönlichen Entsenderecht ist das Recht an die Person des Entsendungsberechtigten gebunden. Eine Übertragung des Entsenderechts ist beim persönlichen Entsenderecht generell nicht möglich. Auch ist das Entsenderecht, soweit die Satzung keine Sonderbestimmung enthält, nicht vererblich. Obwohl das Entsenderecht einem konkreten Inhaber zusteht, ist es strikt an den Besitz von Aktien geknüpft. Dies hat zur Folge, dass das Entsenderecht erlischt, wenn der Entsendungsberechtigte seine Aktien veräußert.
  2. Inhaberentsenderecht: Demgegenüber kann ein Entsenderecht aber auch allen Inhabern einer bestimmten Gattung von Aktien eingeräumt werden. Mit einem Inhaberentsenderecht können nur so genannte vinkulierte Namensaktien verbunden werden. Dies bedeutet, dass die Aktien auf den Namen lauten müssen und zudem eine Übertragung der Aktien nach der Satzung von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig sein muss.

Nachdem das Entsenderecht durch die Satzung eingeräumt wird, kann der genaue Inhalt des Entsenderechts in der Satzung weitgehend frei bestimmt werden. So kann etwa auch das persönliche Entsenderecht mit dem Inhaberentsenderecht verknüpft und geregelt werden, dass der Entsendungsberechtigte zugleich Inhaber bestimmter Aktien sein muss. Weiterhin können in der Satzung zusätzliche, sachliche und persönliche Voraussetzungen für das Entsenderecht normiert werden, wie etwa die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie oder ein Wegfall des Entsenderechts nach einer bestimmten Zeit.

Ausübung des Entsenderechts

Das Aktiengesetz (AktG) enthält keinerlei Vorschriften dazu, wie das Entsenderecht auszuüben ist. Überwiegend wird aber verlangt, dass das Entsenderecht gegenüber dem Vorstand der Aktiengesellschaft ausgeübt wird. Auch wenn eine Mindermeinung davon ausgeht, eine Erklärung der Ausübung des Entsenderechts gegenüber dem Aufsichtsrat sei ausreichend, so empfiehlt es sich dennoch, das Entsenderecht jedenfalls auch gegenüber dem Vorstand auszuüben. Immerhin tritt der Entsandte in den Aufsichtsrat, das heißt in ein Organ der Gesamtgesellschaft ein.

Die Ausübungserklärung enthält regelmäßig die Erklärung, dass vom Entsenderecht Gebrauch gemacht wird und die Benennung der entsandten Person. Beim Entsenderecht handelt es sich nur um eine Rechtsposition zu Gunsten des Entsendeberechtigten. Daher ist dieser nicht verpflichtet, das Entsenderecht auszuüben. Vielmehr kann er jederzeit frei entscheiden, ob er das Entsenderecht ausüben möchte oder nicht. Gibt der Entsendeberechtigte keine Erklärung ab, so bleibt das Aufsichtsratmandat unbesetzt.

Durch die Einräumung des Entsenderechts erlangt der Entsendungsberechtigte eine stark geschützte Position: Beim Entsenderecht handelt es sich um ein Sonderrecht im Sinne des § 35 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Solche Sonderrechte können nicht ohne Zustimmung des Betroffenen und nur durch Satzungsänderung beeinträchtigt, eingeschränkt oder gar aufgehoben werden. Generell kann ein einmal eingeräumtes Sonderrecht, soweit es nicht automatisch erlischt, nur noch durch Satzungsänderung und mit Zustimmung des Entsendungsberechtigten aufgehoben werden.

Erlöschen des Entsenderechts

Oben wurde bereits angesprochen, dass das Entsenderecht umfassenden Schutz genießt. In der Praxis ist daher oftmals entscheidend, wie ein einmal entstandenes Entsenderecht wieder “beseitigt” oder wirkungslos werden kann:

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1. Erlöschen durch Wegfall der Voraussetzungen des Entsenderechts
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  • Persönliches Entsenderecht: Das persönliche Entsenderecht ist streng an die Person des Entsendungsberechtigten gebunden. Es erlischt daher, wenn der Entsendeberechtigte verstirbt. Beim Entsenderecht handelt es sich um ein höchstpersönliches Recht, das nicht vererblich ist.
  • Inhaberentsenderecht: Das Inhaberentsenderecht erlischt, wenn die Voraussetzungen des Inhaberentsenderechts entfallen, das heißt wenn die Namensaktien in Inhaberaktien umgewandelt werden oder wenn die Übertragbarkeit der Namensaktien nicht mehr an die Zustimmung der Gesellschaft gekoppelt ist.

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2. Erlöschen des Entsendungsrechts durch Satzungsänderung
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Natürlich kann das Sonderrecht auch durch Aufhebung der entsprechenden Satzungsbestimmung erlöschen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass § 35 BGB jede Beeinträchtigung eines Sonderrechts von der Zustimmung des Berechtigten abhängig macht. Soll das Entsenderecht aus der Satzung gestrichen werden, ist die Zustimmung des Entsendungsberechtigten zu dieser Maßnahme erforderlich.

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3. Verzicht auf die Ausübung des Entsenderechts
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Der Entsendeberechtigte kann frei entscheiden, ob er sein Sonderrecht ausübt oder etwa nicht. Folglich ist er berechtigt, auf die Ausübung seines Rechtes zu verzichten. Er kann beispielsweise erklären, das Entsenderecht für einen bestimmten Zeitraum nicht auszuüben. In einem solchen Fall geht das Wahlrecht wieder auf die Hauptversammlung über, da ein Entsenderecht im Sinne des § 101 Absatz 2 AktG zwar besteht, jedoch nicht ausgeübt werden kann.

Fraglich ist, ob die Entscheidungsfreiheit des Entsendeberechtigten so weit gehen kann, dass dieser unwiderruflich und dauerhaft auf das Entsenderecht verzichtet. Im Grundsatz kann auf die Ausübung eines Rechts durch schuldrechtliche Vereinbarung verzichtet werden. Bei einem unwiderruflichen und dauerhaften Verzicht ist problematisch, dass es bei einem auf unbegrenzte Zeit wirkenden Verzicht auf das Entsenderecht zu einer dauerhaften, objektiven Unrichtigkeit der Satzung der Aktiengesellschaft ohne Beschluss der Hauptversammlung kommen würde. Gegen die Zulässigkeit eines dauerhaften und unwiderruflichen Verzichts spricht:

  • Die Aktionäre haben durch Einräumung des Entsenderechts auf das ihnen zustehende Wahlrecht verzichtet. Dieser Wille könnte durch eine bloße Erklärung ausgehebelt werden.
  • Auch in anderen Bereichen sind Beschränkungen für unwiderrufliche, schuldrechtliche Erklärungen anerkannt. So bedarf, entgegen § 167 Absatz 2 BGB, zumindest die Erteilung einer unwiderruflichen Vollmacht der Form des Rechtsgeschäfts, auf das sich die Vollmacht bezieht.
  • Bei der Möglichkeit eines dauerhaften und unwiderruflichen Verzichts würde die gleiche Bindung an die Erklärung wie bei einer Satzungsänderung eintreten.

Ein dauerhafter und unwiderruflicher Verzicht auf die Ausübung eines Entsenderechts sollte daher nicht erfolgen. Zur Umgehung des Problems kann eine Satzungsänderung angestrebt werden, da das Entsenderecht bei vorliegender Zustimmung des Berechtigten auf diese Weise endgültig aufgehoben werden kann.

Fazit

Beim Entsenderecht im Sinne des § 101 Absatz 2 AktG handelt es sich um ein Instrument, das dem Entsendungsberechtigten eine äußerst starke Stellung verschafft, da es nicht ohne seine Zustimmung aufgehoben oder beeinträchtigt werden kann. Bei Einräumung eines satzungsmäßigen Entsenderechtes sollte daher stets bereits bei der ersten Ausgestaltung sorgfältig und wohlüberlegt vorgegangen und vom Recht zur möglichst konkreten Ausgestaltung des Entsenderechts durch die Satzung Gebrauch gemacht werden.

Urheber/Autoren: Dr. Rolf Otto Seeling und Martin Zwickel, FRIES Rechtsanwälte

Stand: 27.11.2007

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