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Fachartikel, 18.11.2009
AGG
Versteckte Pflichten im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz
Was viele Unternehmen nicht wissen: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verlangt von Arbeitgebern weit mehr als diskriminierungsfreie Stellenausschreibungen. Auch Vorbeugung und Schulung gehören dazu. Hier einige Hinweise, wie Sie als Arbeitgeber Bußgelder und Schadenersatzforderungen vermeiden.

Am 18.08.2006 ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)  in Kraft getreten. Nach § 1 AGG ist das Ziel des Gesetzes, „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“.

Dabei kommt vor allem dem Bereich der Prävention ein hoher Stellenwert zu: Denn gemäß § 12 Abs. 1 AGG ist der Arbeitgeber verpflichtet, „die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligung … zu treffen. Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen“. Wenn Sie einen neuen Mitarbeiter einstellen, sind Sie also verpflichtet, Maßnahmen einzuleiten, um einer möglichen Diskriminierung gemäß § 1 AGG von vornherein vorzubeugen. Dabei gibt es im Wesentlichen zwei Bereiche, die besonders sensibel sind:

  • die Ausschreibung einer Stelle und das anschließende Bewerbungsverfahren sowie
  • die Schulung von neu eingestellten Mitarbeitern zu Beginn des Arbeitsverhältnisses.

Schreiben Sie Stellen rechtssicher aus

Vor der Neueinstellung steht die Suche nach einem geeigneten Mitarbeiter. Meistens geschieht dies durch eine Stellenausschreibung. Gerade hier aber lauern viele Fallstricke.

Diskriminierung aufgrund des Alters


Eine 1. Bilanz des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg ein Jahr nach Inkrafttreten des AGG zeigt: Die meisten an deutschen Arbeitsgerichten verhandelten Fälle standen im Zusammenhang mit der Diskriminierung aufgrund des Alters (36 % der Verfahren):

  • Schreiben Sie in die Stellenanzeige deshalb nie ein Höchstalter.
  • Kommentieren Sie Ihre Auswahlentscheidung neutral und beziehen Sie sich ausschließlich auf die Leistungen des Bewerbers.

Sonst geht es Ihnen möglicherweise wie einem Personaler, der eine 46- jährige Frau mit der Begründung ablehnte, dass bei ihr aufgrund des Alters erhebliche krankheitsbedingte Ausfallzeiten zu befürchten seien. Die Richter sahen in diesem Kommentar eine Altersdiskriminierung und sprachen der Bewerberin einen Schadenersatzanspruch von 3 Monatsgehältern zu (Arbeitsgericht Frankfurt/Main, 26.06.2007, 11 Ca 8952/06).

Diskriminierung aufgrund des Geschlechts


28 % der an den baden-württembergischen Arbeitsgerichten verhandelten Verfahren betrafen Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts:

  • Schreiben Sie Bewerbungen immer geschlechtsneutral aus oder in männlicher und weiblicher Form, also Vertriebsingenieur/ Vertriebsingenieurin oder Aushilfskraft (männlich/weiblich).
  • Laden Sie Bewerber beider Geschlechter zum Vorstellungsgespräch ein.
  • Zahlen Sie die gleiche Vergütung für die gleiche Arbeit.

Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft

Immerhin noch jeder 10. Fall (11 %) wurde wegen Benachteiligung aufgrund der ethnischen Herkunft geführt:

  • Verzichten Sie in Stellenanzeigen auf die Nennung einer bestimmten Herkunft oder Nationalität.
  • Sind für die Tätigkeit gute Deutschkenntnisse erforderlich, schreiben Sie nicht „Suchen deutsche Aushilfe für die Verwaltung“, sondern „Suchen Aushilfe für die Verwaltung mit guten Deutschkenntnissen“.
  • Ist die Nationalität für Ihre Abteilung wichtig, müssen Sie nachweisen können, dass ein wesentlicher beruflicher Grund besteht, d. h. ein sachlicher Zusammenhang mit der Arbeit (und nicht mit der Person).

Denken Sie auch bei internen Stellenaushängen an das AGG

Denken Sie auch an die so genannte mittelbare Benachteiligung, wenn Sie in Ihrem Betrieb eine Stelle intern ausschreiben. Nach Angaben des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg war diese Form der Diskriminierung immerhin in mehr als jedem 4. Fall (27 %) Grund für eine arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung. Eine mittelbare Benachteiligung liegt dann vor, wenn „dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen in besonderer Weise benachteiligen können“.

Beispiel: Sie schreiben in Ihrem Betrieb eine Stelle aus verbunden mit dem Hinweis, dass sich auf diese nur Beschäftigte in Vollzeit bewerben. Allerdings sind 70 % Ihrer Mitarbeiter Frauen in Teilzeitbeschäftigung. In diesem Fall liegt eine mittelbare Benachteiligung vor.

Schulen Sie Ihre neu eingestellten Mitarbeiter von Anfang an

Wie Sie das Thema Antidiskriminierung bei neu eingestellten Mitarbeitern in Ihrem Betrieb angehen können, schreibt das AGG nicht vor. Es sieht lediglich „vorbeugende Maßnahmen vor“. Allerdings heißt es in § 12 Abs. 2 AGG: „Hat der Arbeitgeber seine Beschäftigten in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligung geschult, gilt dies als Erfüllung der Verpflichtung zu vorbeugenden Maßnahmen.“ Mit anderen Worten: Die Schulung Ihrer neu eingestellten Mitarbeiter ist die einzige rechtssichere Möglichkeit, um Ihre Verpflichtungen zum Schutz vor Diskriminierung zu erfüllen.

Hinweis: Auch wenn Sie einen Mitarbeiter zur Teilzeit, als Aushilfe oder als geringfügig Beschäftigten einstellen, sind Sie verpflichtet, vorbeugende Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligung durchzuführen. Das AGG sieht hier keine Ausnahmen vor.

Führen Sie Schulungen mittels Lernprogrammen durch

Wahrscheinlich ist es Ihnen kaum recht, Ihren neu eingestellten Mitarbeiter sofort in den ersten Arbeitstagen auf eine Antidiskriminierungsschulung zu schicken. Schließlich gibt es vieles, was Ihnen in diesem Moment wichtiger erscheint. Eine Alternative zur klassischen Präsenzschulung bieten auch qualifizierte elektronische Programme. Diese nehmen meistens – analog zum Umfang einer Präsenzschulung – einen durchschnittlichen zeitlichen Aufwand von ca. einer Stunde ein. Achten Sie aber darauf, dass im Anschluss an das Lernprogramm eine dokumentationsfähige Leistungskontrolle, z. B. in Form eines Zertifikates, erfolgt.

Der Umfang einer Schulung hängt auch davon ab, welche Position Ihr neuer Mitarbeiter in Ihrem Betrieb bekleidet. Fachvorgesetzte mit Personal- und Führungsverantwortung sollten auf jeden Fall intensiver geschult werden. Meistens ist dieses eher in einer Präsenzschulung möglich.

Praxis-Tipp:

Dokumentieren Sie schriftlich, wer wann an welcher Antidiskriminierungsschulung teilgenommen hat. Das gilt nicht nur für die Schulungen Ihrer neuen Mitarbeiter, sondern auch für Nach- oder Erhaltungsschulungen von Mitarbeitern, die schon länger in Ihrem Betrieb arbeiten.

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