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Fachartikel, 01.02.2007
Organisationsentwicklung
Service „ohne Plan“ – und von Service Management keine Spur
Kennen Sie das auch? Endlose Warteschleifen, „digitalisierte Customer Care Officers“ – und wenn man dann mal jemand „an der Strippe“ hat, darf man eventuell zum dritten Mal sein Problem oder Anliegen schildern. Service-Qualität und –Management in jedem Fall sieht anders aus!
„Guten Tag, Frau Müller. Möchten Sie sechs Eier und ein halbes Brot wie immer? Das Hackfleisch, das Sie gestern bestellt haben, ist auch schon eingepackt.“ – Was Kunden an den mittlerweile fast ausgestorbenen Mini-Läden im Viertel so schätzen, ist das Gefühl, bekannt und nicht einer unter vielen zu sein. Und es ist das Wissen, für alle Fragen und Wünsche nur einen Ansprechpartner zu haben. Ganz anders die Situation bei vielen großen Unternehmen, auch wenn in deren Hochglanzbroschüren Kundenorientierung immer an vorderster Stelle steht. Ein Beispiel aus der Telekommunikationsbranche zeigt, wie der Kunde unter fehlender Kommunikation zwischen den Abteilungen leidet und Service praktisch zum Fremdwort wird. Eine Posse in mehreren Akten!

Wir schreiben das Jahr 2006. Ein selbstständiger Geschäftsmann aus Hamburg, nennen wir ihn Günter Meyer, ist seit vielen Jahren treuer Kunde ein- und desselben Telekommunikationsanbieters, dessen fiktiver Name tel&surf sei. Meyer muss ständigen Kontakt zu zahlreichen Kunden halten und telefoniert deshalb sehr viel. In einer Zahl ausgedrückt: für ungefähr 3.500 Euro pro Jahr. Er ist also ein lukrativer Kunde, an dem tel&surf bereits eine Menge verdient hat und der aller Voraussicht auch in Zukunft sein Telefonverhalten nicht ändern wird. Gründe genug für tel&surf, diesen wertvollen Kunden zu „pflegen“ und ihm mustergültigen Service zu bieten. Was Meyer allerdings tatsächlich erlebte, eignet sich viel mehr für ein Lehrbuch mit dem Titel „So werde ich auch den letzten Kunden los“.

Odyssee durch die Hotlines

Alles beginnt mit der Sperrung von Meyers Konto. Daraufhin unterstellt ein Mitarbeiter aus der Rechnungsabteilung von tel&surf dem verdutzten Geschäftsmann Zahlungsunwilligkeit. Empört versucht Meyer, der nie seinen Abbuchungsauftrag widerrufen hat, die Sache aufzuklären. Doch erst nach einer Odyssee durch sämtliche Hotlines und Spracherkennungssysteme von tel&surf wird nach 2 Wochen ein Softwarefehler als Ursache der Kontosperrung ausgemacht. Entschuldigung des Unternehmens? Fehlanzeige! Dennoch bleibt Meyer zunächst bei seinem Anbieter, lässt sich von der Beraterin über neue Angebote informieren und einen „optimierten“ Tarif heraussuchen. Er steigt auf diesen um, kündigt aber kurz darauf seinen Vertrag bei tel&surf wegen der miserablen Betreuung zuvor.

Wenige Tage später erhält Meyer einen Anruf aus der Abteilung „Rückgewinnung“. Die Agentin erkundigt sich nach den Gründen für die Kündigung und verspricht ein „unwiderstehliches“ Angebot. Meyer betont, dass es ihm nicht ums Geld, sondern um die mangelnde Servicequalität gehe. „Ja, natürlich“, meint die Agentin. „Wir werden uns etwas Tolles für Sie einfallen lassen.“ Nicht so toll findet Meyer, was bald danach in seinem Briefkasten landet: die erste Rechnung nach Umstellung auf den „optimierten“ Tarif, die 200,- Euro über seinem bisherigen Schnitt liegt. Das Kundencenter beteuert, dass alles okay sei, die berechneten Kosten stimmten mit den registrierten Anrufen überein. Was sich dagegen nicht in Meyers Post findet, ist das versprochene unwiderstehliche Angebot der Rückgewinnungs-Agentin.

Auch im nächsten Monat soll Meyer deutlich mehr zahlen als früher. Als er vom Kundencenter einen Vergleich durchführen lässt, erweist sich der alte Tarif tatsächlich als um rund 200,- Euro günstiger. Meyer reklamiert die Fehlberatung, woraufhin ihm eine Mitarbeiterin des Kundencenters einen Nachlass in Aussicht stellt. Statt eines konkreten Vorschlags erreicht Meyer kurz darauf ein Anruf von der Abteilung „Kundenpflege“. Langjährigen Kunden würden jetzt Infopakete zu attraktiven Tarifen zugeschickt. Bei der Frage, ob daran Interesse bestehe, reißt Meyer fast der Geduldsfaden. Seine Kündigung sei bereits mitgeteilt worden, ihm wurde vor Wochen ein angeblich fantastisches Angebot versprochen und er habe zu hohe Rechnungen reklamiert. Offensichtlich sind diese Informationen nicht bis zu den „Kundenpflegern“ gelangt, die nun immerhin kleinlaut von der Zusendung eines Infopaketes absehen.

Kundenbefragung statt echtem Service

Während Meyer weiter wartet, rührt sich eine weitere Abteilung von tel&surf. Das Qualitätsmanagement schickt eine E-Mail und lädt Meyer zur Teilnahme an der aktuellen Befragung zur Kundenzufriedenheit ein. Welche persönlichen Eindrücke er habe und wie er mit seinem letzten Hotline-Kontakt zufrieden gewesen sei. Die Studie würde sorgfältig ausgewertet, denn man wolle den Service stetig verbessern. Meyer will explodieren, beherrscht sich aber doch und antwortet sehr rational: Das System zum Management von Kundenbeziehungen von tel&surf sei schlecht oder schlecht gepflegt. „Da weiß die eine Hand nicht, was die andere tut. Und das, was die vielen Hände tun, machen sie meist schlecht.“

Vorerst letzter Akt des Trauerspiels ist die Antwort der Abteilung Kundenbetreuung in Kooperation mit der Abteilung „Textbaustein“: Selbstverständlich könne von tel&surf ein kundenorientierter Service erwartet werden und Meyers Informationen würden sicherlich dabei helfen, den Service weiter zu verbessern. Quasi als Dankeschön werde ihm ein persönliches Angebot für einen Treuebonus in Höhe von 180,- Euro (inkl. Mehrwertsteuer!) unterbreitet. Nehme er das Angebot an, beginne sein neuer Vertrag in sechs Monaten – bei einer Mindestlaufzeit von 24 Monaten. Ebenfalls in sechs Monaten werde ihm der Treuebonus gutgeschrieben. Von der Reklamation und der Kündigung Meyers hat diese Kundenberaterin offenbar noch nichts mitbekommen …

Service braucht Strategien und Leitlinien

Was lehrt dieses Stück, das auch in jeder anderen Branche spielen könnte? Jede Abteilung kocht ihr eigenes Süppchen und keine ein solches, das dem Kunden schmeckt. Niemand macht sich die Mühe, die Kundensicht zu übernehmen, sondern jeder erledigt seinen Job stur nach der Prozessbeschreibung. Übergreifendes Denken und Handeln der Abteilungen fehlen ebenso wie eine funktionierende Kommunikation und eine Datenbank, die eine Weitergabe wichtiger Informationen sicherstellt. Anders bei Tante Emma: Sie ist Kundenberaterin, Preisspezialistin, Qualitätsbeauftragte und Kundenpflegerin in einer Person – und braucht sich wohl kaum um die Rückgewinnung zu kümmern.

Selbstverständlich lässt sich ein großes Telekommunikationsunternehmen wie das fiktive tel&surf als wesentlich komplexeres Gebilde nicht mit einem kleinen Gemischtwarenladen vergleichen, doch auch hier ist hochwertiger Service möglich! In der Praxis erfordert er konkrete Strategien und Leitlinien, klar formulierte Service-Module und Prozesse, die immer die Gesamtsituation des Kunden im Visier haben. Die einheitliche Service-Kultur verlangt alle Abteilungen übergreifende Zirkel zu bestimmten Service-Themen. Und: sollten Einzel- oder Abteilungsinteressen mit den Interessen des Gesamtunternehmens kollidieren, gilt es, dem Gesamtziel Vorrang zu geben und sich letztendlich an den Interessen der Kunden zu orientieren.

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Literaturtipp
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Erfolgskonzepte und visionäre Ideen der Marktführer von heute
Gabal, ISBN 3 – 89749 – 197 – 4, Offenbach 2002, EUR 25,90
Autor:Sabine Hübner
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