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Fachartikel, 17.04.2008
Marketing
Ingredient Branding – als „Zutat“ zur Weltmarke
Unter Ingredient Branding versteht man im Marketing den Aufbau einer Marke für ein Produkt, das nicht einzeln, sondern nur als Bestandteil eines anderen Produktes erworben werden kann. Dass jedoch auch Hersteller, deren Produkte die meisten Kunden häufig gar nicht zu Gesicht bekommen, durch eine kluge Markenkommunikation zur Weltmarke aufsteigen können, beweisen nicht nur die Marken Intel oder Teflon.
Mehrgangfahrräder waren Ende der siebziger Jahre noch keine Gebrauchsgegenstände, um die sich Millionen von Endverbrauchern rissen, sondern teure, komplizierte Geräte. Für die Frage, welche Gangschaltung die beiden Räder mit der eingesetzten Muskelkraft nach vorne trieb, interessierte sich niemand. Der Name Shimano stand für asiatische Billigware, obwohl dies gar nicht zutraf. Auch konnte ihn fast niemand richtig aussprechen. Aus einem Marken-Nobody wurde allerdings schließlich die Weltmarke Shimano, deren Produkte heute zigtausend Fahrradhersteller einsetzen.

Dies ist eine Geschichte der normativen Kraft des immateriellen Vermögensgegenstandes Marke. Bis heute wissen die wenigsten Menschen um die technischen Feinheiten der Gangschaltungen und Bremsanlagen für Fahrräder, die Shimano herstellt. Wer schraubt schon seine Schaltung auseinander und sieht nach, wie das Wechseln eines Antriebsrades genau funktioniert? Der Weg zum Erfolg führte über bislang etliche Millionen Dollar Werbekosten. Wie Intel, Hella, VDO, Teflon ist auch Shimano ein klassisches Beispiel dafür, wie sich ein gesichtsloser Komponentenhersteller ins Rampenlicht schieben kann.

Wer seine unscheinbaren Zutaten (engl. Ingredients) zu einer starken Marke auf- und ausbauen will, schaue auf den Marsch Shimanos durch die Institutionen der modernen Industriegesellschaft:

• klein anfangen
• ein schlüssiges Image entwickeln, das das Interesse der Endverbraucher emotional anspricht und
• mit den Herstellermarken eng zusammenarbeiten

Weitere Beispiele für die enge Kooperation zwischen Zutatenherstellern und Endproduzenten gibt es reichlich: der Süßstoff NutraSweet, dessen rot-weißer Wirbel auf Kaugummiverpackungen und Coladosen prangt, und Aufnäher für das wasserdichte Synthetik-Laminat Gore-Tex, die an Jacken und Wanderschuhen hängen. Dabei geht es um mehr als nur darum, ein weiteres Etikett auf ein Produkt zu kleben.

Ausbrechen aus der Austauschbarkeit

Aber worum geht es dann beim Ingredient Branding? Was sollte die Verantwortlichen eines Produktionsgüterherstellers dazu bewegen, die Markenbildung in Angriff zu nehmen? Als zentrales Argument - nicht nur für Intel oder Shimano - hat sich das Ausbrechen aus der Austauschbarkeit herauskristallisiert.

Durch die Markierung besteht die Möglichkeit, mit den Kunden in direkten Kontakt zu treten. So lässt sich mit viel Beharrlichkeit eine Nische auf dem hart umkämpften Marktplatz der Ideen und Versprechungen besetzen. Daraus resultieren wiederum geringere Abhängigkeiten von industriellen Abnehmern und eine geringere Substitutionsgefahr. Denn hat sich der Abnehmer an den Namen und die Qualität von beispielsweise Gore-Tex gewöhnt, wird es für andere Anbieter recht schwer, den Markt auf das eigene Produkt einzuschwören. Oder kennen Sie etwa Sympathex oder Helsapor, die Konkurrenten von Gore-Tex?


Synergiewirkung durch Markenkumulation

Als weitere Chancen für Produktionsgüterhersteller werden von Seiten der Praxis auch immer wieder die Synergiewirkung durch Markenkumulation sowie die Schaffung von Eintrittsbarrieren genannt. Die Volksmeinung „Doppelt gemoppelt hält halt besser“ gilt wohl also auch für markierte Produkte. Durch die kumulierte Markierung schafft der Hersteller Vertrauen und somit eine Eintrittsbarriere für neue Konkurrenten.

Nicht unerhebliche Herausforderungen

Eine zentrale Herausforderung besteht darin, dass sich Produktionsgüter hinsichtlich der Identifizierbarkeit des Produktionsgutes auf nachfolgenden Stufen unterscheiden. Während Rohstoffe und Einsatzstoffe praktisch nicht identifizierbar sind, existieren bei Teilen sowohl solche die kaum (z. B. Computerchip), als auch solche, die relativ gut identifizierbar sind (z. B. Fahrradgangschaltung). Trotzdem stellt die fehlende Identifizierbarkeit ein zentrales kommunikationsrelevantes Problem dar.

Zur Gewährleistung der Identifizierbarkeit besteht eine Möglichkeit darin, die (End-)Produkte, die ein bestimmtes Produktionsgut beinhalten, kommunikativ herauszustellen. Die in der Firma Evonik aufgegangene Degussa hat diesen Weg beschritten, aber auch Bosch ist mit der Direkteinspritzung, den Zündkerzen und dem Elektronischen Stabilitätsprogramm (ESP) diesen Weg gegangen. Diese Vorgehensweise ist besonders am Anfang des Konzeptes zum Aufbau einer Ingredient Branding zweckdienlich.

Ein zweiter Ansatz besteht in der Verwendung von Etiketten, Anhängern, Aufklebern u.a. auf Weiterverarbeitungs- und Endprodukten, die darauf hinweisen, dass das Weiterverarbeitungs- und Endprodukt ein bestimmtes Ingredient Brand enthält. Vor allem die Faserhersteller sowie Intel bedienten sich dieser Strategie.

Als weitere Herausforderung für den Markenmanager eines Produktionsgüterherstellers zeigt sich zudem häufig die glaubwürdige Nutzenkommunikation. Die Komplexität dieser Herausforderung erschließt sich dann, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Bedürfnisse der Abnehmer auf den unterschiedlichen Absatzstufen variieren. Um dieses Problem zu lösen, ist eine stufenspezifische Kommunikation sowohl in der Mediaselektion als auch in der inhaltlichen Gestaltung erforderlich. Ansatzpunkte können „hautnahe“ Kommunikation mit den jeweiligen Abnehmerstufen (NutraSweet gesüßte Kaugummis, die Haushalte zugesendet bekamen), Verbindung der Ingredient Brand mit der sehr starken Herstellermarke (Intel und Compaq/IBM) oder verschiedene Formen der Referenzkommunikation sein.

Schließlich spielt für die Markierung eines Produktionsgüterherstellers häufig noch das Budget für die Kommunikation eine Rolle. Nicht jeder hat 9 Milliarden Dollar zur Verfügung, um eine Marke wie Intel aufzubauen. Sinn macht es daher, wenn der Verantwortliche zum einen eine sehr enge Zielgruppenabgrenzung auf der letzten Stufe vornimmt. Von der letzten Stufe ausgehend, sollten dann die Zielgruppen der Zwischenstufe retrograd ermittelt werden. Ferner empfiehlt sich der Einsatz von Co-Communication. So betreiben bspw. Lycra und Wollsiegel gemeinsam klassische Zeitschriftenwerbung und Gore-Tex kooperiert in der Verkaufsförderung mit Handschuhherstellern.

Es ist kein Zufall, dass erfolgreiche Beispiele für Ingredient Brands relativ jungen Datums sind und vor allem aus den USA stammen. Der Markt muss demnach übersättigt sein, der Leidens- und Margendruck der Zulieferer groß genug, um Zutaten zu einem Brand machen zu wollen. Dann rückt die Marke zur Differenzierung und Präferenzschaffung gegenüber den Konkurrenten ins Licht der Markenpolitik.

Da jedoch das Ingredientpotential vieler Leistungen begrenzt ist und Neuprodukt- beziehungsweise Neumarkeneinführungen wiederum sehr kostspielig sind, ist es an der Zeit, dem Konzept nicht (!) blind zu vertrauen. Zwar zeigt eine allgemeine Beurteilung des Ingredient Branding unter Experten, dass in Zukunft mit einer steigenden Bedeutung zu rechnen ist. Als problematisch erscheinen allerdings:

  • die Kreativität bei der Schaffung einer glaubwürdigen Nutzenkommunikation
  • die Notwendigkeit der intensiven Marktforschung auf allen Stufen der vertikalen Wertschöpfungskette
  • das Fachwissen sowohl für Business-to-Business- als auch für Konsumentenkommunikation
  • die Fähigkeit zu vernetztem Denken über die gesamte Vertikalkette hinweg

Das Management muss unbedingt Kenntnisse über grundlegende Wirkungszusammenhänge schaffen.

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Univ.-Prof. Dr. Frank Huber ist seit 2003 Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Marketing I an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz und Gründungsgesellschafter der 2hm & Associates GmbH, einer international tätigen Strategie- und Managementberatung.


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Über Prof. Dr. Frank Huber
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Prof. Dr. Frank Huber leitet seit 2003 den Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Marketing an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie das Center of Market-oriented Product and Production Management (CMPP). ...
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