Neben der Neukundengewinnung und der Kundenbindung ist die Kundenrückgewinnung der dritte Pfeiler des Kundenmanagements. Eine Abwanderung von Kunden bedeutet zwangsläufig ein ökonomischer Verlust, denn die abgewanderten Kunden erhöhen die Kosten für die Neuakquisition. Was liegt also näher, als eine möglicherweise negative Entwicklung durch eine Rückgewinnung der Kunden zu stoppen. Im Unterschied zu reinen Kundenzufriedenheitsbefragungen, die meistens einen festen Standard aufweisen, geht die Analyse zur Feststellung der Abwanderungsgründe in die Tiefe, um im Rahmen von „offenen“ Gesprächen mit den abgewanderten Kunden Ansätze zur Rückkehr zu finden.
Best-Practice-Beispiel zur Vorgehensweise bei der Kundenrückgewinnung
Im Folgenden wird eine exemplarische Vorgehensweise für ein Kundenrückgewinnungsmanagement im Autohaus dargestellt. Grundlage hierfür ist die Durchführung einer empirischen Studie, die im Sommer 2004 von Herrn Alexander Michelfelder für seine Diplomarbeit in Zusammenarbeit mit der 3hm Automotive GmbH in einem der größeren regionalen Autohäuser durchgeführt wurde.
Das Rückgewinnungsmanagement umfasst drei Stufen: Er beginnt mit der Rückgewinnungsanalyse, danach folgt der eigentliche Rückgewinnungsprozess und schließt mit dem Rückgewinnungscontrolling ab. Welches sind die Ziele, die mit einer Kundenrückgewinnung erreicht werden sollen?
Beginnen wir mit der Rückgewinnungsanalyse. Im Gegensatz zur Neukundengewinnung und zum Kundenbindungsmanagement wendet sich das Kundenrückgewinnungsmanagement nicht an aktuelle Kunden. Zur Identifikation von gefährdeten bzw. abgewanderten Kunden ist eine leistungsfähige Kundendatenbank eine elementare Voraussetzung. Neben der Kundenadresse sollten zumindest die fahrzeugbezogenen Informationen sowie die Zeitpunkte der letzten Besuche hinsichtlich der Käufe bzw. des Services vorhanden sein; Angaben zum Rechnungs- bzw. Deckungsbeitrag wären ebenfalls hilfreich.
Anhand einer Kundenwertanalyse sind diejenigen Kunden heraus zu filtern, die besonders lohnend für die Rückgewinnung sind. Mit Hilfe eines Scorings werden Segmente gebildet, die Aufschluss darüber geben, wie die Verteilung der Kunden nach ihrer Bedeutung aussieht. Neben dem Fahrzeugmodell, dem Fahrzeugalter, dem letzten Kundenauftrag kann auch die Anzahl der Fahrzeuge im Haushalt herangezogen werden.
Als Grenze für Kunden, die als gefährdet oder bereits als abgewandert bezeichnet werden können, wurden 24 Monate angenommen. Im überwiegenden Fall müsste in diesem Zeitraum eine Wartung für das Fahrzeug (Inspektion, TÜV, AU) oder eine Reparatur vorgenommen worden sein. Einen exakten Zeitpunkt für eine Abwanderung ist nicht exakt festzustellen, da eine vertragliche Bindung nicht vorliegt. Nach Vorliegen der definierten Kundenadressen, die das Autohaus seit mehr als 24 Monaten nicht mehr besucht haben, gilt es die Abwanderungsursachen herauszufinden, aus welchen Gründen, der Kunde das Unternehmen nicht mehr besucht bzw. einen Auftrag nicht mehr erteilt hat.
Die Schlüsselfaktoren: Kundenzufriedenheit und Kundenbindung
Allgemein lassen sich drei Arten von Abwanderungsursachen benennen. Diese können unternehmensbezogen, wettbewerbsbezogen oder kundenbezogen sein. Unternehmensbezogene Gründe waren in unserer Untersuchung mit einem Anteil von 55 % am häufigsten anzutreffen und dies liegt im Wesentlichen an der Unzufriedenheit mit dem Service, mit den Mitarbeitern und einer zu geringen Aufmerksamkeit dem Kunden gegenüber. Als Folge dieser Unzufriedenheit wird zwangsläufig das Preis-/Leistungsverhältnis negativ vom Kunden erlebt. Mit einem Drittel sind die kundenbezogenen Ursachen beteiligt, insbesondere durch eine schlechte Erreichbarkeit sowie ein Markenwechsel. Lediglich 10 % der Antworten betrafen wettbewerbsbezogene Gründe, wie der Wechsel zu einem anderen Autohaus.
Danach befragt, was sie zur Rückkehr veranlassen könnte, antwortete jeder zweite Ex-Kunden, dass er sich die Rückkehr vorstellen könnte, wenn das Autohaus mit kundenindividuellen Angeboten, sei es für Neu- oder Gebrauchtwagen, auf ihn zukomme. Ferner stellte man sich eine bessere Kundenorientierung und ein größeres Angebot an Service-Zusatzleistungen, wie Hol- und Bringdienst vor. Lediglich 14 % sahen keine Veranlassung zur Rückkehr. Einen weiteren Hinweis für das Autohaus, was es zu verbessern bzw. ändern hatte, damit die abgewanderten Kunden wieder loyal werden, lieferte die Frage, was andere Autohäuser besser machen. Dabei gaben mehr als ein Drittel die Freundlichkeit und Zuverlässigkeit der Mitarbeiter an. Lediglich 10 % bezogen sich auf das Preis-/Leistungsverhältnis!
Welche Kunden aber gilt es zur vorrangig zurück zu gewinnen? Durch die Befragung konnten weitere kundenbezogene Daten (z. B. Alter des Fahrzeughalters, Anzahl der Fahrzeuge im Haushalt) erhoben werden, um das Scoring zu verfeinern und eine Priorisierung der zurück zu gewinnenden Kunden vorzunehmen. Anhand einer Portfoliomatrix (Abb. 3) wird ersichtlich, dass die so genannten Star-Kunden, also diejenigen mit dem höchsten Kunden- bzw. Scorewert , die höchste Priorität zur Rückgewinnung besitzen. Diese Gruppe lässt sich am ehesten über eine verbesserte Kundenorientierung, verbunden mit einer Qualitätsoffensive im Service, wieder an das Autohaus binden. Bei den Entwicklungskunden, welche ebenfalls einen hohen Kundenwert aufweisen, ist der erklärte Wille des Unternehmens mit geldwerten Kundenservice-Zusatzleistungen zum Ausdruck zu bringen, dass ihm diese Kunden wichtig sind. Nur so liegt in der Wahrscheinlichkeit zur Rückkehr eine Relevanz.
Als Fazit der Befragung der inaktiven Kunden ist festzuhalten, dass die bröckelnde Zufriedenheit zwangsläufig zu einer geringeren Kundenbindung geführt hat: ca. 15 % sind als verloren zu bezeichnen. Dazu beigetragen haben die mangelnde Kundenorientierung sowie eine unsachgemäße Ausführung der Servicearbeiten. Die Defizite des Autohauses liegen daher sowohl in den kundennahen Geschäftsprozessen als auch in einem unzureichenden Kommunikationsverhalten der Mitarbeiter mit den Fahrzeugnutzern. Ursachen, die - über die Branche hinaus - kein Einzelfall sein dürften. Dabei sind Oft sind vielen Unternehmen die Gründe der Abwanderung in Teilen der Organisation durchaus bekannt, werden aber nicht konsequent verfolgt, da man sich ungern mit den eigenen Schwächen auseinandersetzt.
Bevor die Aktivitäten zur Kundenrückgewinnung eingeleitet werden können, ist der Rückgewinnungsprozess klar und einfach zu regeln. Die Kontaktaufnahme hat persönlich zu erfolgen und der Bedarf des Ex-Kunden ist zu eruieren. Nur dann kann entsprechend der Kundensegmentation ein individuelles Angebot erstellt werden. Keine Aktionsdurchführung ohne entsprechende Planung und späterer Erfolgskontrolle! Zum einen kann die Rückgewinnungsrate ermittelt werden, d. h. die Ermittlung des Verhältnisses zwischen den erfolgreich wieder gewonnenen Kunden und der Anzahl aller Kontakte der Rückgewinnungsaktivität. Zum anderen kann der Aufwand für die Rückgewinnung dem wieder gewonnenen Deckungsbeitrag einschließlich der Ersparnis durch niedrigere Neu-Kundenakquisitionskosten gegenübergestellt werden. Ein entsprechend leistungsfähiges Kundeninformationssystem wird in der Lage sein, den Rückgewinnungserfolg über einen höheren Anteil von aktiven Kunden zu berichten. Nicht zu letzt ist über eine Kundenzufriedenheitsanalyse der Erfolg über eine gesteigerte Kundenbindung zu messen.
Externe Kundenorientierung setzt zufriedene Mitarbeiter voraus
Ein Verlust an Kundenloyalität, ein Abwandern von Kunden in letzter Konsequenz verlangt eine Neuorientierung des Unternehmens. Ein erfolgreiches Rückgewinnungsmanagement ist nur möglich, wenn die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dazu gehört eine Kunden orientierte Organisationsstruktur und eine Mitarbeiterorientierung, die sowohl die motivationale, die fachliche und kommunikative Eignung berücksichtigt, als auch eine Problemlösungs- und Fehlervermeidungskultur beinhaltet. Wie wir bereits in zahlreichen Projekten feststellen konnten sorgen zufriedene Mitarbeiter auch für zufriedene Kunden. Mitarbeiterbefragungen sowie ein Mystery Shopping runden diejenigen Aktivitäten ab, mit denen gezielt der Umsetzungsprozess zur Kundenorientierung durchgeführt werden kann. Ganz wesentlich ist indes, ein Informationssystem aufzubauen, welches nicht nur die Basis für eine Rückgewinnungsanalyse liefert, sondern diejenigen Daten aufbereitet, die im Rahmen des Kundenmanagements mögliche Kundenabwanderungen vermeiden helfen.
Wie notwendig eine Kundenrückgewinnung ist, konnte anhand der für das Autohaus vorgenommenen Untersuchung zweifelsfrei nachgewiesen werden. Damit konnten systematisch die Gründe für die festgestellte Abwanderung der Kunden erfasst werden. Es konnten die einzelnen Einflussgrößen auf die Abwanderung und die Erkennung der Wichtigkeit einzelner Parameter zur Ableitung von Priorisierung aufgezeigt werden.
Die Auseinandersetzung mit dem Thema Kundenrückgewinnung wird für Unternehmen, die es verstehen, diesen Teil des Kundenbeziehungsmanagements systematisch umzusetzen, von großem Nutzen sein. Insbesondere verringert die Kundenrückgewinnung durch die Beseitigung der unternehmensbezogenen Abwanderungsursachen die zukünftige Abwanderung und bringt durch adäquate Aktionen ehemalige Kunden zurück. Es entsteht schließlich ein Wettbewerbsvorteil, der angesichts der Liberalisierung des Handels, der Zunahme selbstbewusster Kunden sowie der unsicheren wirtschaftlichen Verbrauchersituation nicht ignoriert werden sollte. Das Kundenrückgewinnungsmanagement ist ein wesentlicher Baustein im Rahmen des Kundenmanagements und führt in seiner Konsequenz zu einer hohen Kundenloyalität und sichert damit den Vertriebs- bzw. Unternehmenserfolg.