Eine kleine Anekdote: Der Marketingguru Zig Ziglar berichtete einmal von einer Coaching-Klientin, die an ihrem Job alles, wirklich alles schlecht fand – außer der Tatsache, dass sie dafür bezahlt wurde. Nachdem er ihr ein paar hilfreiche andere Sichtweisen über ihre Arbeit nahegebracht hatte, zog sie frohen Mutes davon. Einige Monate später traf Ziglar sie wieder. Auf die Frage, wie es denn in der Firma laufe, sagte sie erfreut: „Gut. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr sich meine Kollegen und mein Chef verändert haben.“
Ja, es gibt sie, diese Ichlinge. Alles um sie herum ist eher schlecht, missmutig, abweisend, oder sogar inkompetent. Und da das so ist, fällt es einem selbst auch so schwer, voranzukommen. „Alles Idioten!“ Dass man mit dieser Haltung dann tatsächlich abweisend und missmutig behandelt wird, bestätigt das eigene Weltbild. „Sehen Sie, ich hab es doch gesagt!“
Eine besondere Form dieser Spezies sind diejenigen, die ich Ahnungsentbehrer nennen möchte. Man könnte sie auch Inkompetenzlinge nennen. Aber Ahnungsentbehrer sind mehr als das. Sie haben nicht einmal eine Ahnung davon, dass sie inkompetent sind. Psychologisch lässt sich dieses Phänomen als kognitive Verzerrung beschreiben und ging als Dunning-Kruger-Effekt in die Literatur ein. Einige inkompetente Menschen sind demnach derart inkompetent, dass sie selbst von ihrer Inkompetenz nichts bemerken. Der „Stern“ frotzelte kürzlich, wir hätten es dem Dunning-Kruger-Effekt zu verdanken, dass „Deutschland sucht den Superstar“ nun in die achte Runde gehe. Auch wenn die Wissenschaftlichkeit dieses Effektes umstritten ist, so ist die These doch attraktiv genug, um einmal näher beleuchtet zu werden.
Menschen machen Fehler. Die sind aber zunächst einmal nichts anderes als misslungene Lösungsversuche – sehen wir mal von vorsätzlicher Sabotage ab. Die wäre dann aber auch kein Fehler, sondern eben Sabotage. Menschen tun meist das, was sie in einer Situation für die bestmögliche Lösung halten. Meist intuitiv. Intuition baut auf Erfahrung auf. Und Erfahrung wiederum auch auf Fehlern. Ergo: Fehler machen ist an sich gar nicht so schlecht. Zumindest für die Erfahrung. Nur, man muss daraus lernen können. Und genau das fällt eben jenen Ahnungsentbehrern so schwer. Aber warum?
Die Neuropsychologen haben dafür eine relativ einfache Erklärung: Weil unser Gehirn immer bemüht ist, ein inneres Gleichgewicht aufrecht zu erhalten und es unter diesem Gesichtspunkt eine recht simple und zunächst nützliche Strategie ist, die Umwelt so zu sortieren, dass man selbst gut dasteht. Wäre dieses Phänomen nur auf die Inkompetenten beschränkt, könnten wir darüber lachen oder den Kopf schütteln – je nachdem. Der Glaube, immer alles richtig zu machen, ist allerdings auch und gerade im Management oft anzutreffen. „Ich mache zu 99% keine Fehler“ musste ich mir von einer Führungspersönlichkeit schon mal anhören.
Doch im Management hat das Phänomen eine andere Färbung. Hier ist es nicht Inkompetenz, sondern schlicht mangelndes Feedback, was manchmal sogar Omnipotenzphantasien weckt. Die einen wollen keins, die anderen bekommen es nicht. Wer sagt denn schon „Hey Chef, das war jetzt aber voll daneben“? Und so sind Führungskräfte oft genug auf ihre zwei Augen, zwei Ohren ihre Intuition und ihren Verstand angewiesen. Und letzterer ist, wie bei jedem Menschen, begrenzt.
Vor diesem Hintergrund bekommt das Dunning-Kruger-Phänomen eine andere, mögliche Erklärungsperspektive: Fehlendes Feedback erzeugt eine schräge Selbstwahrnehmung, die sogar autistische Züge annehmen kann. Da sind zum Beispiel die ewigen Sender, die sich zu wahren Nervensägen entwickeln können, weil sie nicht das Gespür dafür haben, wie sie bei anderen ankommen. Man sucht dann den Knopf zum Abschalten, findet den aber nicht. Ich habe den bei einem Bekannten wirklich einmal gesucht, was ihn sehr irritierte. „Was suchst Du?“ „Den Knopf zum Anschalten.“, sagte ich grinsend. Stille, dann ebenfalls ein Grinsen und dann schallendes Gelächter. „Oh, hab ich zu viel geplappert?“ „Jaaa!“
So einfach lässt sich das nicht immer auflösen. Schon gar nicht, wenn es um hierarchische Kommunikation geht. Chefs kritisiert man nicht, jedenfalls nicht in jeder Führungskultur. Aber es geht auch horizontal innerhalb des Managements oft nicht. Unter Kollegen ist ehrliches Feedback ebenfalls oft tabu. Uns so wird Management in einer komplexen Umgebung oft genug zum Blindflug ohne Navigationsinstrumente und Antikollisionsradar. Im Zweifelsfall verschanzt man sich hinter verschlossenen Türen. Oder so: „Bitte jetzt mal offenes Feedback! Was passt Ihnen hier eigentlich nicht, wo ich mir doch den Hintern für uns alle aufreiße?“
Sie merken schon: Feedback will gelernt sein, wenn man es noch nicht beherrscht. Hier ein paar Tipps, die hilfreich sein könnten. Vielleicht auch für Führungskräfte:
Nicht so leicht umzusetzen? Doch – wenn Sie es wirklich wollen. Und wenn Sie Ihr Gegenüber wertschätzen. Ich garantiere Ihnen: Sie bekommen eine wesentlich konstruktivere Arbeitsweise im Team und werden auch erfahren, dass eine derartige Feedbackkultur zu wesentlich kreativeren, besseren Ergebnissen führt. Sie erweitern im Ergebnis Ihr Gehirn auf die hoffentlich schlauen Köpfe um Sie herum, was Sie als echten Mehrwert erfahren werden. Das konnte kürzlich auch wissenschaftlich untermauert werden.
Aber ich muss sie auch warnen: Sie geben die angenehme Position auf, sich selbst als völlig OK und die Anderen als fehlerhaft zu begreifen. Und wenn Sie trotz konstruktivem Feedback merken, dass sie tatsächlich von Ahnungsentbehrern umgeben sind, dann wissen Sie hoffentlich, was Sie zu tun haben.