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Fachartikel, 27.07.2016
Erfolgsfaktor "geistige Fitness": Auch der Kopf braucht Bewegung
Erfolgsfaktor "geistige Fitness": Auch der Kopf braucht Bewegung
Die Digitalisierung, die zunehmende Komplexität der Wirtschafts- und Arbeitswelt und die immer kürzer werdende Halbwertszeit von Informationen und Wissen fordert von uns eine hohes Maß an geistiger Beweglichkeit. Gleichzeitig nehmen Computer, Internet & Co. uns in immer mehr Bereichen das Denken ab, weshalb viele Neurobiologen bereits vor kollektiver Verdummung warnen. Allerdings wussten wir noch nie so viel über die Funktionsweise des Gehirns wie heute und können dem entgegenwirken.
Wenn ich heute beim Schlachter um die Ecke am Tresen stehe, sehe ich vor meinem inneren Auge immer noch die Verkäuferin, die einst auf rosafarbenem Papier die Zahlenkolonnen blitzschnell aufaddierte. Ich habe damals öfters mal nachgerechnet – an ihre Zeit kam ich nicht heran und einen Fehler konnte ich nie finden. Dank High-Tech-Wagen, die automatisch die Preise aufaddieren und das Endergebnis „ausspucken“, entfällt heute das dutzendfache Addieren am Tag. Dieses Phänomen ist stellvertretend für viele: Die Mühsal des Kartenlesens nimmt uns das Navi ab. Die wichtigsten Telefonnummern sind nicht mehr in unserem Kopf, sondern in den Kontakten des Handys gespeichert. Intelligentes Autolicht entbindet uns vom Auf- und Abblenden bei Nachtfahrten … Die Werbung suggeriert uns den immensen Vorteil „Damit Sie den Kopf freihaben für anderes!“ – nur für was? In der Tat sind diese Erleichterungen komfortabel. Aber sind sie auch gut für unser Gehirn?

Das was wir an geistiger Mühe sparen, müssen wir eben an anderer Stelle wieder kompensieren. Und diese Kompensation heißt Brain-Tuning. Ein Argument, das man bei jeder Form des geistigen Trainings anführt, ist dass der Trainierende nur in den speziell geübten Aufgaben besser wird. Wer aber die Basisgrößen der Informationsverarbeitung trainiert, profitiert davon auch auf anderen Gebieten. Und das hat  Auswirkungen auf den IQ, die fluide Intelligenz und bringt Erfolge in Schule, Beruf und Alltag mit sich.

Wenn Sie jetzt einen bunten Maßnahmenkatalog mit Übungsheftchen und Denksportaufgaben erwarten, muss ich Sie enttäuschen. Das regelmäßige Lösen von Denksportaufgaben wirkt sich sicherlich positiv auf Ihre geistige Leistungsfähigkeit aus. Doch soweit brauchen Sie gar nicht zu gehen. Es ist wie mit Ihrer körperlichen Fitness. Sie können jeden Tag joggen gehen oder im Fitnessstudio ihren Körper stählen. Das ist aber eher etwas für Enthusiasten. Weniger sportbegeisterte werden vermutlich nicht die notwendige Disziplin aufbringen. Sie können auch einfach nebenbei trainieren. Steigen Sie zum Beispiel  eine Haltestelle früher aus und gehen den Rest zu Fuß; anstatt den Fahrstuhl zu bemühen, erklimmen Sie die Stockwerke zukünftig per pedes und die Brötchen holen Sie demnächst ebenfalls zu Fuß. Das lässt sich einfach nebenbei einrichten und wird Ihr Leben nicht vollkommen auf den Kopf stellen. So ähnlich lässt sich auch die geistige Fitness trainieren. Mit einfachen Methoden kann man beträchtliche Erfolge nebenbei mitnehmen.

Geistig fit – einfach so nebenbei

Transfer bezeichnet die Übertragung von Wissen und Fähigkeiten in nicht geübte Gebiete. Das Trainieren dieser Fähigkeit steigert die Schnelligkeit der Verarbeitung von bewussten Informationen in unzählbar vielen Situationen, in denen wir uns rasch mit Neuem auseinandersetzen müssen, beispielsweise
  • beim Nachrichtenhören oder -sehen oder der Teilnahme an einer wichtigen Besprechung: Wenn man nicht schnell kapiert, ist der Sprecher schon beim nächsten oder übernächsten Satz, ohne dass man verstanden hat, worum es ging
  • in schnell wechselnden Straßenverkehrssituationen
  • bei einer Diskussion
  • beim Tanz mit einem Partner, auf den man noch nicht eingestellt ist
  • während der letzten Minuten vor einer Besprechung beim raschen Durchlesen der Tagesordnungspunkte
Für die Merkspanne gilt Entsprechendes. Nur sind für sie andere Situationen typisch, beispielsweise
  • das Addieren mehrerer Zahlen hintereinander
  • das Multiplizieren von zwei und mehr mehrstelligen Zahlen
  • der Versuch, den wesentlichen Punkt aus einem Gespräch herauszuholen, um zu erkennen, worum es dem Gesprächspartner überhaupt geht
  • Sätze mit ein oder mehr Einschüben verstehen
Das Gleiche gilt für das geistige Durchhaltevermögen. Wer lange ununterbrochen rechnen kann, vermag auch lange
  • zu lesen,
  • über ein Problem nachzudenken,
  • Auto zu fahren,
  • öffentlich über ein vertrautes Thema zu sprechen und so weiter.

Voraussetzung für die Gültigkeit dieser Vergleiche ist, dass diese verschiedenen Aktivitäten in der Schwierigkeit einander ähnlich sind. Denn sonst wird pro Zeiteinheit unterschiedlich viel an Energie gefordert. So kostet es den Betriebswirtschaftler selbstverständlich viel weniger Energie, einen populärwissenschaftlichen Artikel über ein wirtschaftliches Geschehen als über Humangenetik oder Physik zu lesen. Bei letzteren Gebieten wird er nicht so lange durchhalten.

Inzwischen liegen mehrere Studien und sogar Überblicksstudien vor, mit welchen Leistungsbereichen und Alltagssituationen die Basisgrößen der Informationsverarbeitung zusammenhängen.

Zum mentalen Durchhaltevermögen sind uns keine Nachhaltigkeitsstudien bekannt. Hierbei geht es normalerweise um die Veränderung der körperlichen Lebensführung wie ›ausreichend viel an komplexen Kohlenhydraten einnehmen‹ oder ›sich mehrfach in der Woche so bewegen, dass man zu schwitzen beginnt‹. Solange dies förderliche Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System hat, so kann man annehmen, bleibt auch das geistige Durchhaltevermögen erhöht. Beim Sport sind es sicherlich noch Monate nach dem Abbruch der körperlichen Betätigung.

Suche nach Erinnerungen

Wie hieß nur dieser bekannte Schauspieler mit dem schwarzen Bärtchen? Ich sehe sein Bild vor Augen. Aber sein Name fällt mir nicht ein. – Oder der Name des kleinen italienischen Ortes, in dem wir vor zwanzig Jahren drei Wochen lang Urlaub machten?

Das haben wir alle schon an uns erlebt: Wer sich etwas Mühe macht und nicht gleich die Suche aufgibt, erhöht die Chancen, dass die gewünschte Erinnerung plötzlich da ist. Diesen Stil, nicht gleich die Suche aufzugeben, kann man sich schon im jungen Erwachsenen- und gar Jugendalter aneignen.

Wer ihn einmal übernommen hat, neigt auch als Senior dazu, die Anstrengungen auf sich zu nehmen und dadurch die Chancen zu erhöhen, sich zu erinnern. Diese Personen verfügen demnach über Jahrzehnte über eine hohe geistige Fitness einschließlich einem besseren Gedächtnis als die Vielen, die zur Bequemlichkeit neigen und deshalb die Suche nach Erinnerungen früh abbrechen. Letztere begnügen sich bei der Suche nach Bezeichnungen von Objekten oft mit ›das Dingsda‹. Derartig bequeme Menschen bauen in jüngeren Jahren im Gehirn auch nicht so ein differenziertes Netzwerk für Gedächtnisleistungen auf.

Warum kommt es zur Nachhaltigkeit? Es liegt im Wesentlichen an drei Ursachen, an die kaum gedacht wird:

  1. Geänderte Ansprüche an sich selbst
  2. Aufstieg in eine anspruchsvollere kulturelle und soziale Umgebung (zum Beispiel Lesen anspruchsvollerer Artikel oder Bücher, Sehen niveauvollerer TV-Sendungen, sich unterhalten mit gebildeteren Menschen und so weiter).
  3. Günstigere körperliche Lebensführung, das heißt, weniger Fehlernährung, hilfreichere Bewegung, günstigerer Schlaf und so weiter, die zu neuen Gewohnheiten wurden – als Folgen des geistigen Förderprogramms.
Selbst nach der Beendigung solcher mentaler Übungen bleibt zumindest ein Teil des neuen Lebensstils mit seinen soziokulturellen Änderungen auf einem höheren Niveau als früher erhalten.

Working Memory

Wer nach englischsprachiger Literatur über die Merkspanne sucht, muss darauf achten, dass dort oft ›Working Memory‹, also wörtlich ›Arbeitsspeicher‹ oder ›Arbeitsgedächtnis‹ für ›Merkspanne‹ steht. Ob Letzteres zutrifft, ist daran zu erkennen, dass als Tests oder Übungen für das Working Memory nur solche aus dem Repertoire der Merkspanne genommen werden wie zum Beispiel Ziffern-Nachsprechen, Buchstaben unmittelbar reproduzieren oder das sogenannte ›n-back‹.

Schon wegen der gleichen Bedeutung gibt es die gleichen Trainings und Effekte, wie sie bei „Merkspanne“ beschrieben wurden. Die umfangreiche internationale Forschung, die zurzeit unter Working Memory läuft, hat noch zwei interessante Ergebnisse hervorgebracht: Zappelphilippe, also hyperaktive Personen mit ADHS werden nicht nur durch Trainings ihres Working Memory intelligenter. Sie werden auch ruhiger und ausgeglichener. Und noch eines: selbst Studenten steigern ihren IQ durch das tägliche Üben in wenigen Wochen erheblich.

Eine leicht durchzuführende Übung, die Sie überall ohne Hilfsmittel durchführen können, wenn Sie gerade nichts zu tun haben: Lassen Sie sich ein kurzes Wort einfallen wie WIESE. Jetzt holen Sie den letzten, den drittletzten und fünftletzten Buchstaben heraus – im Kopf selbstverständlich: E E W. Dann suchen Sie ein etwas längeres Wort, z. B. MEISTER (Lösung: RTIM), also immer einen Buchstaben überspringen. Sie befinden sich nach wenigen Wörtern an Ihrer Kapazitätsgrenze, sind dabei aber voll auf Power ... und die Wirkungen? Sie wurden oben schon beschrieben.

Glauben Sie nicht, Sie könnten Ihren Kopf von jetzt auf gleich auf volle Leistung bringen und anschließend nach Belieben wieder auf Entspannung herunterfahren. Ihr körperliches Organ Gehirn braucht ebenso eine minutenlange Aufwärmzeit wie die Muskulatur und Koordinationsfähigkeit des Hochleistungssportlers. Nach der Aktivität auf hohem Niveau hat eine Cooling-down-Phase zu folgen. Nur dann lassen sich geistige Hochleistungen bis ins hohe Alter erzielen. Dies ist beim Gehirn anders als bei sportlichen Leistungen. Diese nehmen relativ früh und rasch unweigerlich ab. Deshalb gibt es im Fußball keine Bundesligaspieler mehr mit 50 Jahren. Dagegen finden Sie massenweise geistige Hochleister jenseits der 50 bei Unternehmern, Managern, Politikern, Forschern, Ingenieuren, Schriftstellern usw.

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ZUM AUTOR
Über Dr. Siegfried Lehrl
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Der Dipl.-Psychologe Dr. Siegfried Lehrl lehrte lange Jahre an der Universität Erlangen Medizinische Psychologie. Er ist seit 1997 Präsident der internationalen Gesellschaft für Gehirntraining e.V. (GfG). Die von ihm entwickelten ...
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