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Fachartikel, 31.05.2006
Arbeitsrecht
Änderungen im Kündigungsschutzrecht III
Für Viele unbemerkt, sind bereits zum 01.01.2004 erhebliche Änderungen im Bereich des Kündigungs- und Kündigungsschutzrechtes in Kraft getreten. Das neue Recht gilt somit für sämtliche Kündigungen, die ab diesem Zeitpunkt ausgesprochen worden sind.
1. Änderung im Bereich der Sozialauswahl

Nach der bisherigen Fassung des Kündigungsschutzgesetzes (KschG) lag eine fehlerhafte Sozialauswahl dann vor, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers “soziale Gesichtspunkte” nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Mit der Gesetzesneuerung ist insoweit eine Konkretisierung eingetreten. Nunmehr ist bei der Sozialauswahl nur noch “die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers” zu berücksichtigen.

Mit der Neuregelung wird klargestellt, daß der Arbeitgeber keine anderen als die im KschG aufgezählten Kriterien berücksichtigen muß. Gleichwohl kann dieser auch anderweitige Gesichtspunkte heranziehen. Allerdings müssen bei einer durchzuführenden Sozialauswahl solche Aspekte außer Betracht bleiben, die ausschließlich dem privaten Lebensbereich des Arbeitnehmers zuzuordnen sind.

Der allgemeine Gesundheitszustand des Arbeitnehmers oder seiner Angehörigen darf daher ebensowenig berücksichtigt werden, wie dessen allgemeine Zukunftsaussichten auf dem Arbeitsmarkt. Möglich ist es allerdings, Berufskrankheit oder Folgen eines Arbeitsunfalls zugunsten des Arbeitnehmers in Erwägung zu ziehen. Allerdings sollte in der Rechtspraxis zur Vermeidung von Rechtsunsicherheiten eine prinzipielle Beschränkung auf die 4 im Gesetzeswortlaut genannten Kriterien erfolgen.

In die Neufassung wurde weiterhin aufgenommen, daß solche Arbeitnehmer in die Sozialauswahl nicht einzubeziehen sind, deren Weiterbeschäftigung insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes im berechtigten betrieblichen Interesse liegen.

Bezüglich der Definition des “berechtigten betrieblichen Interesses” hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) bisher angenommen, die Nichtberücksichtigung bei der Sozialauswahl sei gestattet, wenn auf den Arbeitnehmer “im Interesse eines geordneten Betriebsablaufs nicht verzichtet werden kann”. Dafür sei aber mehr erforderlich, als die bloße Nützlichkeit der Weiterbeschäftigung des betreffenden Arbeitnehmers. Diese Kriterien eines berechtigten betrieblichen Interesses dürften nach wie vor Bestand haben.

Weiterhin wird die “Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes&prquo; als möglicher Ausschlußgrund genannt. Hierbei ist zu berücksichtigen, das tatsächlich nur die Sicherung, nicht aber auch die Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur als berechtigtes betriebliches Interesse anerkannt wird. Dennoch genügt es andererseits, wenn eine weitere Verschlechterung der Personalstruktur durch den maßgeblichen Ausschluß eines Arbeitnehmers vermieden wird.

2. Auswahlrichtlinien

Die Bestimmung sieht vor, das Regelungen in einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder Richtlinien nach den Personalvertretungsgesetzen über die Bewertung der sozialen Gesichtspunkte in ihrem Verhältnis zueinander nur auf grobe Fehlerhaftigkeit durch die Arbeitsgerichte überprüft werden können. Gemeint hiermit ist die beschränkte Überprüfbarkeit in arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen auf Rechtmäßigkeit der verbreitet angewandten Punktesysteme sowie im Hinblick auf die Berücksichtigung etwaiger weiterer sozialer Kriterien.

Die Praxis wird jedoch bis auf weiteres gut beraten sein, in tariflichen und betrieblichen Auswahlrichtlinien keine anderen als die 4 im Gesetz genannten Grunddaten aufzunehmen.

3. Interessenausgleich mit Namenslisten

Genannte Vorschrift besagt, daß bei einer Kündigung aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes bei den Arbeitnehmern, denen gekündigt werden soll und die in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet sind, vermutet wird, daß die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Die Sozialauswahl der Arbeitnehmer kann wiederum nur auf grobe Fehlerhaftigkeit durch die Arbeitsgerichte überprüft werden.

Erforderlich zur Anwendung der dargestellten Vorschrift ist in jedem Falle eine geplante Betriebsänderung im Sinne des § 111 Betriebsverfassungsgesetz. Liegen dessen Voraussetzungen nicht vor, so können die Wirkungen des Kündigungsschutzgesetz auch nicht durch einen freiwilligen Interessenausgleich herbeigeführt werden. Auch unterliegt die im Gesetz angesprochene Namensliste dem Schriftformerfordernis. Ein Verstoß hiergegen führt zur Unanwendbarkeit dieser für Arbeitnehmer im Zweifel nachteiligen Bestimmung.

Liegen die Voraussetzungen vor, wird ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vermutet. In einem derartigen Fall hat der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozeß nur das Vorliegen einer geplanten Betriebsänderung sowie die namentliche Bezeichnung des Arbeitnehmers im Interessenausgleich zu beweisen. Dem Arbeitnehmer obliegt dann der Beweis des Gegenteils. Er hat somit darzulegen und zu beweisen, daß die Beschäftigungsmöglichkeit für ihn tatsächlich nicht in Wegfall geraten ist.

Schließlich führt eine Änderung der Sachlage zum Entfall der Regelungswirkung. Zu beachten ist insoweit, daß nicht jede Änderung der Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleiches die dargestellten Wirkungen beseitigt. Vielmehr ist es erforderlich, daß von der Änderung die dem Interessenausgleich zugrundeliegende Betriebsänderung in ihrer Gesamtheit betroffen ist. Es bedarf des Wegfalles der Geschäftsgrundlage des Interessenausgleichs.

4. Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung

Völlig neuartig ist der vorgesehene Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Abfindung in Höhe eines halben Monatsverdienstes für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei seiner regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet, an Geld und Sachbezügen zusteht. Bei einer Beschäftigungszeit im laufenden Kalenderjahr über 6 Monate wird auf ein volles Beschäftigungsjahr bei der Abfindungsberechnung aufgerundet.

Nach dem Gesetzeswortlaut des § 1 a KschG setzt der mit dem Ablauf der Kündigungsfrist entstehende Anspruch voraus, daß der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse gekündigt hat. Weiterhin wurde in der Kündigungserklärung, d.h. im Kündigungsschreiben darauf hingewiesen, daß die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann, sofern er bis zum Ablauf der Klagefrist keine Klage auf Feststellung erhebt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist.

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Zu beachten ist, daß der Anspruch auf Abfindungszahlung erst mit Ablauf der Kündigungsfrist begründet wird.

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Er gelangt daher nicht zur Entstehung, wenn der Arbeitnehmer während des Laufs der Kündigungsfrist beispielsweise verstirbt oder das Arbeitsverhältnis in diesem Zeitraum außerordentlich fristlos gekündigt wird. Im übrigen ist es für die Entstehung des Abfindungsanspruches ausreichend, wenn sich der Arbeitgeber für die Kündigung auf betriebsbedingte Gründe beruft. Das tatsächliche Vorliegen derartiger Gründe ist nicht erforderlich. Dies gilt prinzipiell selbst dann, wenn der Arbeitgeber das Vorliegen eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes arglistig vorspiegelt. Allerdings kann der Arbeitnehmer in derartigen Fällen selbst nach Ablauf der 3-wöchigen Klagefrist nachträgliche Klagezulassung begehren.

Welche Art die dringenden betrieblichen Erfordernisse sind, braucht der Arbeitgeber allerdings nicht näher anzugeben.

Hinsichtlich der Abfindung muß dem Hinweis des Arbeitgebers zu entnehmen sein, daß den Anforderungen des § 1 a KschG genügt wird. Dies kann entweder durch eine Bezugnahme auf die gesetzliche Bestimmung oder dadurch geschehen, daß der Hinweis des Arbeitgebers inhaltlich den Anforderungen des Gesetzes entspricht. Ausreichend ist insoweit der Hinweis auf einen “Anspruch auf die gesetzliche Abfindung”.

Ist einer oder sind mehrere der zuvor dargestellten Voraussetzungen nicht erfüllt, ist ein Abfindungsanspruch nicht entstanden.

5. Erstreckung der Klagefrist auf alle Unwirksamkeitsgründe

Von besonderer Bedeutung ist, dass die 3-wöchige Klagefrist nicht mehr nur im Hinblick auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung, sondern für die Geltendmachung aller Unwirksamkeitsgründe zu beachten ist. Betroffen hiervon sind somit unwirksame Kündigungen beispielsweise im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang, wegen Verstoßes gegen das Mutterschutz- bzw. Schwerbehindertengesetz oder auch Kündigungen, die wegen Sittenwidrigkeit bzw. Verstoßes gegen Treu und Glauben unwirksam sind. In der Konsequenz bedeutet dies, daß ein Arbeitnehmer künftig jede schriftliche Kündigung innerhalb der 3 Wochenfrist anzugreifen hat, um den Eintritt der Fiktionswirkung zu vermeiden, der nach Ablauf der Klagefrist eine Wirksamkeit der Kündigung normiert.

Eine Ausnahme besteht allerdings für den Unwirksamkeitsgrund der mangelnden Schriftform. Denn die Klagefrist beginnt nach der neu gefaßten Gesetzesregelung erst zu laufen, wenn dem Arbeitnehmer die Kündigung in schriftlicher Form zugegangen ist.

Ausdrücklich sieht das Gesetz weiterhin die nachträgliche Klagezulassung für den Fall vor, daß eine Frau von ihrer, bei Kündigungszugang bereits bestehenden Schwangerschaft unverschuldet erst nach Ablauf der Klagefrist Kenntnis erlangt hat.

6. Berechnung des Schwellenwerts gemäß § 23 Kündigungsschutzgesetz

Genannte Vorschrift besagt, daß die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes für Arbeitgeber Anwendung finden, die regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigen. Teilzeitbeschäftigte sind hierbei gemäß ihrem Beschäftigungsanteil zu berücksichtigen. Der allgemeine materielle Kündigungsschutz greift somit grundsätzlich ein, wenn rechnerisch mindestens 10,25 Arbeitnehmer beschäftigt werden.

Für die bereits vor dem 01.01.2004 beschäftigten Arbeitnehmer bleibt es allerdings bei der bisherigen Schwelle. Hiernach greift der Schutz des Kündigungsschutzgesetzes, wenn der Arbeitgeber regelmäßig mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigt hat.

Sollte die Zahl der Beschäftigten vorübergehend auf 5 oder weniger Absinken und es anschließend wieder zu einem Anstieg auf rechnerisch mehr als 5, aber höchstens 10 Arbeitnehmer kommen, führt das erstmalige Absinken der Zahl der bereits vor dem 01.01.2004 beschäftigten Arbeitnehmer auf 5 oder weniger dazu, daß der Kündigungsschutz für alle “Altarbeitnehmer” unwiderruflich verloren geht. Der Kündigungsschutz greift folglich erst dann wieder ein, wenn der Arbeitgeber mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt.

Es bleibt abzuwarten, ob die zuvor dargestellten Neuerungen die erhofften entscheidenden Impulse für den Arbeitsmarkt bewirken können.
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