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Kolumne
Balance–Akt, 06.09.2011
Stressmanagement
Warum Unternehmen Siestas fördern sollten
Chefs wünschen sich Mitarbeiter, die von früh bis spät Gas geben und maximale Leistung bringen. Dass eine kurze Entschleunigungsphase in der Mittagspause leistungsfördernd ist, müssen die meisten Vorgesetzten hierzulande erst noch lernen. In anderen Ländern sind die Kurz-Siestas längst üblich. Selbst Mario Ohoven vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) fordert die Regenerationspause.
Studien wie u.a. von der Bostoner Harvard-Universität belegen, dass es durchaus sinnvoll ist, auch im Büro mal eine Siesta einzulegen. Ein kleines Nickerchen in der Mittagspause wirkt nämlich leistungs- und konzentrationsfördernd. Folgerichtig forderte Mario Ohoven jüngst in einem Interview mit der BILD-Zeitung mehr schöpferische Pausen. Der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft will offenbar den Mittagsschlaf am Arbeitsplatz auch in Deutschland salonfähig machen.

Aber seien wir ehrlich. Was denken wir, wenn wir den Chef, einen Mitarbeiter oder Kollegen selig schlummernd in seinem Büro erwischen? Unverständnis dürfte wohl mehrheitlich die Antwort sein. Denn seit unserer Kindheit werden wir Deutschen auf Erfolg und Leistung programmiert. Dabei müssen sich Leistung und Mittagsschlaf nicht wechselseitig ausschließen. Im Gegenteil!

Das Phänomen gesteigerter Leistungsfähigkeit nach einer erholsamen Mittagspause ist auf unsere innere Uhr zurückzuführen, die die Menschheit seit Millionen von Jahren in sich trägt. Gerade mittags ist unser Biorhythmus als Wach-Schlaf-Rhythmus auf dem Nullpunkt angekommen. Unsere Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit lässt nach und das Fehlerrisiko steigt.

Schlafforscher Jürgen Zulley erforscht dieses Phänomen bereits seit 1985. Der Professor für Biologische Psychologie an der Universität Regensburg sieht die Mittagspause als Überbrückung einer leistungsarmen Zeit. Ist es dann nicht die logische Konsequenz, Mitarbeitern während dieser Risiko behafteten Zeit eine Auszeit zu gönnen, um das Unternehmen vor schweren finanziellen Folgen zu schützen?

Warum stellen wir nicht die Produktion während der Mittagspause einfach ab und reduzieren so die Ausschussrate? Warum werden Operationspläne in Krankenhäusern nicht so gestaltet, dass während des Mittags bedingten Leistungstiefs keine Operationen stattfinden, um die Gefahr eines Kunstfehlers zu vermeiden? Ist es nicht unfair, Schüler und Studenten während der Mittagszeit zu prüfen? Fragen, mit denen wir uns kaum beschäftigen, aber dies tun sollten.

In den USA und Japan sind die Unternehmen bereits weiter. Dort werden regelrechte Ruheräume geschaffen, um den Mitarbeitern das so genannte Power-Napping zu ermöglichen. Die Mitarbeiter sind danach schneller, aufmerksamer und haben bessere Laune. In China ist der Mittagsschlaf sogar gesetzlich geregelt. Hier heißt es: „Wer arbeitet, hat auch ein Recht auf Mittagsschlaf.“

Warum also übergehen wir in Deutschland unseren Biorhythmus und betrachten die Mittagszeit als ganz normale Arbeitszeit, anstatt andere Länder in diesem Punkt als Vorbild zu sehen? Die Begründung ist einfach: Pausen werden in unserer Arbeitswelt insbesondere von Führungskräften immer noch als reine Zeitverschwendung angesehen. Sich ausruhen während der Arbeitszeit ist bei uns nicht akzeptiert. Wir fürchten dumme Sprüche und Spott. Wer was auf sich hält, arbeitet daher durch. Ruhephasen gehören nach Ansicht der in Unternehmen herrschenden Gilde in die Freizeit und werden weiterhin als Zeichen mangelnder Leistungsbereitschaft gewertet.

Anders als Führungskräfte in anderen Ländern, scheinen die hiesigen noch nicht begriffen zu haben, dass Menschen keine Maschinen sind, biologische Gegebenheiten also unberücksichtigt bleiben können. Ein gesellschaftliches und kulturelles Umdenken werden wir daher erst dann erreichen, wenn auch die Chefs verinnerlicht haben, dass Pausen zur Produktivitätssteigerung beitragen.
ZUM KOLUMNIST
Über Dr. Michaela Moser
Dr. Michaela Moser verfügt über eine jahrelange Management-Erfahrung in diversen international tätigen Konzernen. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre und berufsbegleitende Promotion an der Universität zu Köln war sie zunächst als Steuerassistentin ... mehr
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