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Fachartikel, 21.11.2006
Leitfaden „elektronische Marktplätze“ – Teil 5
Preispolitik
Fünfter und letzter Teil des Leitfaden „elektronische Markplätze” über Erfolgsfaktoren bei der Gestaltung und Umsetzung der Preispolitik
Der Preispolitik kommt bei Elektronischen Marktplätzen (EMP) einerseits die Aufgabe zu, Preise so zu gestalten, dass sie zu einer möglichst schnellen Erreichung einer kritischen Masse führen. Nach dem Erreichen dieses Ziels muss unter Berücksichtigung der Kundenbindung eine hohe Abschöpfung der Zahlungsbereitschaften erfolgen.

Aus den Zahlungsbereitschaften für die Teilnahme ergibt sich die Anzahl von Anbietern und Nachfragern und damit auch die Anzahl der möglichen Kontakte (Transaktionsmöglichkeiten) in einer Periode. Diese Zahlungsbereitschaften hängen wiederum von den Erwartungen der Teilnehmer über die Höhe der Netzeffekte ab, die sich aus dem Volumen der gehandelten Waren ergeben. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Erwartungen und damit die Zahlungsbereitschaften vom beobachteten Handelsvolumen der Vorperiode abhängen (Wirtz/Olderog/Mathieu 2003). Damit wird berücksichtigt, dass sich die Attraktivität in Form des Netznutzens dynamisch entwickelt.

Diese grundlegenden Zusammenhänge müssen bei der Festsetzung sowohl der fixen Teilnahmegebühren als auch der variablen Transaktionsgebühren berücksichtigt werden. Wirtz/Olderog/Mathieu (2002) legen ein Modell zur optimalen Preisgestaltung für EMP vor. Sie optimieren die Preise unter verschiedenen Bedingungen durch eine computergestützte Simulation der Konstellationen der genannten Einflussvariablen. Daraus leiten sie die generellen Optimalitätsbedingungen für die Preisfestlegung ab.

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Als Kernergebnisse der Untersuchung von Wirtz/Olderog/Mathieu (2002) lassen sich festhalten:
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1. Die optimalen Preise steigen sowohl für Anbieter als auch Nachfrager mit dem Handelsvolumen.

2. Eine anfänglich hohe Festsetzung der Zugangsgebühr verhindert die Entfaltung eigendynamischer, sich selbst tragender Penetrationsprozesse. Dadurch schrumpfen die Nutzerzahlen und folglich die Handelsvolumina, was zu gegenteiligen Netzeffekten führt.

3. Der optimale Preis ist für die Anbieter immer höher als für die Nachfrager, da die Zahlungsbereitschaften letzterer niedriger sind. Dies kann dadurch erklärt werden, dass die meisten Unternehmen erheblich mehr Mittel für Marketing und Vertrieb als für die Beschaffung aufwenden.

4. Es ist für einen Betreiber keinesfalls optimal, beiden Teilnehmergruppen einen kostenlosen Zugang zu gewähren, da beide Gruppen zur Erreichung von Netzeffekten durch eine Erhöhung des Transaktionsvolumens beitragen. Es ist nicht sinnvoll, eine Gruppe zu bevorzugen.

5. Durch eine differenzierte Preispolitik können bedeutend höhere Umsätze erzielt werden. Eine differenzierte Preissetzung erfolgt, wenn der Betreiber die Preise an dem sich im Zeitverlauf ändernden Nutzen für die Teilnehmer ausrichtet.

Als praktikabler Indikator für den Marktplatz-Nutzen eignet sich das abgewickelte Handelsvolumen, weshalb eine differenzierte Preisgestaltung durch eine volumenabhängige Gebühr sinnvoll ist. Eine nicht-differenzierte Preissetzung, die unabhängig von dynamischen Faktoren erfolgt (z.B. durch eine jährlich fixe Zugangsgebühr) erweist sich als nicht optimal. Dieses Ergebnis gilt umso mehr, je homogener die Zahlungsbereitschaften sind (Olderog/ Skiera 2000).

Die Realität der Preisgestaltung bei EMP steht zum Teil im Widerspruch zu den Modellbefunden. So betreibt ein Viertel der Marktplätze eine nichtdifferenzierte Preispolitik und erhebt nur eine fixe Nutzungsgebühr. Allerdings haben 75% der Plattformen die positiven Wirkungen einer differenzierten Bepreisung erkannt (Wirtz/Olderog/Mathieu 2003). Von diesen differenziert ein Drittel die Preise nach der absoluten Anzahl der Transaktionen, während zwei Drittel eine prozentuale Gebühr auf das wertmäßige Transaktionsvolumen erheben.

Fast alle Marktplätze behandeln Anbieter und Nachfrager bzgl. der Preisforderungen ungleich in dem Sinne, dass Preise für Verkäufer höher sind als für Käufer. 67% der Plattformen betreiben eine extreme Ungleichbehandlung, indem sie Gebühren nur für Anbieter erheben und den Nachfragern die Teilnahme kostenlos ermöglichen (Wirtz/Olderog/Mathieu 2003).

Eine weitere Möglichkeit der Preisdifferenzierung besteht in einer mengenabhängigen Preisbildung, bei der „Mengenrabatte“ auf die Transaktionsgebühren gewährt werden. Solche Rabatte können Teilnehmer binden, indem entweder die Dauer der Teilnahme an einem bestimmten Marktplatz erhöht oder ein größerer Teil der Gesamtnachfrage über den Marktplatz abgewickelt wird (Beschaffungskonzentration).

Weiterhin wären Programme denkbar, welche Stammkunden, die dauerhafte Beziehungen zum Marktplatz unterhalten, durch Vergünstigungen belohnen.

Fazit

Wie die Ausführungen zeigen haben, ist der Leistungsumfang zunehmend als wichtigstes Kriterium zur Auswahl eines Markplatzes anzusehen. Dieses ist dabei deutlich wichtiger als die Anzahl der Anbieter und Nachfrager, d.h. es ist eine schwindende Präferenzbedeutung der Netzeffekte als dem ursprünglichen Hauptnutzen von elektronischen Marktplätzen zu erwarten.

Auf Basis einer groß angelegten Delphi-Befragung bei Marktplatzteilnehmern (Pharma, Verlagswesen) und Experten belegen Holzmüller/Schlüchter (2003), dass das Leistungsangebot als der primäre Indikator zur Prognose des langfristigen Erfolges eines Marktplatzes von potentiellen Kunden herangezogen wird. Keine bloße Vermittlung, sondern alle zur kompletten Durchführung von Transaktionen anfallenden Schritte lückenlos und umfassend zu unterstützen, muss zukünftig das zentrale Ziel der Betreiber virtueller Marktplätze sein.

Um neben den Transaktions- und Informationskosten auch die langfristigen Marketing- und Beziehungskosten der Teilnehmer zu senken, müssen Provider Zusatzleistungen über die Transaktionsunterstützung hinaus anbieten, die ein effizientes Marketing der Teilnehmer fördern. Marktplätze werden also von Vermittlern zu Marketing-Dienstleistern. Bei entsprechend strategischer (Neu)Ausrichtung der Marktplätze besteht auch an der zukünftigen Erfolgsträchtigkeit dieser Geschäftsmodelle in der Internetökonomie kein Zweifel.
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