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Fachartikel, 12.10.2006
Leitfaden „elektronische Marktplätze“ – Teil 3
Produktpolitische Instrumente im Relationship-Marketing
Dritter Teil des Leitfadens über erfolgskritische Faktoren für elektronische Marktplätze (EMP) in Hinblick auf die Gestaltung Ihres Produkt-, Leistungs- und Serviceangebotes.
Zur Beurteilung und Gestaltung des Leistungsspektrums von elektronischen Marktplätzen (EMP) kann das Schalenmodell herangezogen werden, das sich in der Marketingliteratur als Instrument einer marktorientierten Leistungstypologisierung etabliert hat. Es unterscheidet drei Leistungsarten und lässt sich daher als sog. Marketing-Dreiklang bezeichnen (Bauer/Hammerschmidt 2005).

Die drei Leistungsarten unterscheiden sich in ihrer Wirkung auf die Kundenzufriedenheit. Die Kann- Leistungen werden vom Kunden noch nicht explizit artikuliert und sind bei hoher Erfüllung in der Lage, ein überproportionales Maß an Zufriedenheit i.S. von Begeisterung zu generieren. Sie sind die Quellen für eine Profilierung im Wettbewerb. Die Soll-Leistungen werden explizit gefordert und stiften mit zunehmendem Erfüllungsgrad eine in gleichem Maße steigende Zufriedenheit. Demgegenüber stellen die Muss-Komponenten Minimalleistungen dar, die selbst bei hohem Erfüllungsgrad lediglich Unzufriedenheitsvermeider sind (Bailom et al. 1996). Die Aussage des Schalenmodells besteht darin, dass in einem modernen Marketingverständnis Produkte bzw. Absatzobjekte Bündel von technischen Kernleistungen und zusätzlichen (Dienst)Leistungen um diese herum darstellen (Grönroos et al. 2000).

Nach diesem Verständnis müssen Unternehmen „Produkte“ in Form ganzheitlicher Problemlösungen bieten. Dieses erweiterte Produktverständnis erscheint v.a. für reife, wettbewerbsintensive Märkte geboten, auf denen eine zunehmende Homogenisierung und folglich Austauschbarkeit der Kernleistungen zu beobachten ist. Dies gilt insbesondere für EMP.

Um trotz der enormen Marktplatzdichte, die in den meisten Branchen vorherrscht, Wettbewerbsvorteile zu erzielen, müssen EMP ihre Kernleistungen und -funktionen in Form der Transaktionsvermittlung (Muss-Leistungen) um value added services im Pre- und After-Sales-Bereich (Soll-Leistungen) ergänzen, die über die Mindestanforderungen für ein erfolgreiche Vermittlung hinausgehen. Hiermit sind Zusatzleistungen rund um Anbahnung, Abschluss und Abwicklung von Transaktionen gemeint (Gruber/ Runge 2002; Holzmüller/Schlüchter 2003).

Um tatsächlich eine ganzheitliche Problemlösung zu schaffen, müssen in einer dritten Stufe auf die Geschäftsprozesse der Marktplatzteilnehmer ausgerichtete Zusatzdienstleistungen angeboten werden, die unabhängig von der Durchführung konkreter Transaktionen einen Nutzen stiften (Kann-Leistungen).

Insgesamt wird sowohl in der Wirtschaftspraxis als auch in der Literatur ein Wandel der EMP von rein transaktionsorientierten Vermittlern zu kundenorientierten Dienstleistungs-Plattformen gefordert, um eine langfristige Erfolgssicherung zu gewährleisten.

Albers/Ratschow (2001) und Holzmüller/Schlüchter (2003) gehen davon aus, dass insbesondere Leistungen zur Unterstützung späterer Transaktionsphasen einen wachsenden Stellenwert für Kunden besitzen werden. Da Kernleistungen inzwischen Minimalleistungen darstellen, muss das Marketing von EMP vornehmlich an der Entwicklung von Zusatzleistungen ansetzen. Hier bietet es sich aus Risiko- und Synergiegründen zunächst an, Mehrwertdienste bereitzustellen, die noch nah an der Transaktionsvermittlung als dem Kerngeschäft von EMP liegen, um dann im Zuge einer sukzessiven Ausweitung des Leistungskranzes verstärkt transaktionsunabhängige Dienstleistungen für ein erfolgreiches Agieren der Teilnehmer auf dem Marktplatz und hier insbesondere für ein effizientes Marketing anzubieten. Diesbezügliches Wissen wird von den Teilnehmern generell benötigt, unabhängig davon, ob und wie viele Geschäftsabschlüsse erfolgen.

Zusatzleistungen um die Transaktion herum

Das Anbieten von begleitenden Zusatzdienstleistungen für alle Phasen des Transaktionsprozesses steigert den Nutzen der Marktplatzteilnahme, indem zu jeder Zeit entsprechende Unterstützung erhältlich und ein kompetenter Ansprechpartner verfügbar ist (Bliemel/Fassot 2000).

Zu den Zusatzleistungen in der Informationsphase zählt zuerst das Bereitstellen branchenspezifischer und allgemeiner Inhalte. Hierzu gehören etwa:

::: Fachartikel
::: Branchen-News
::: Nachrichten
::: Links
::: Händlerverzeichnisse
::: Analysen

Durch die Bündelung einer großen Menge von Inhalten auf einer Plattform wird erreicht, dass die Teilnehmer keine externen Informationsquellen aufsuchen und sich so nicht auf den Seiten verschiedener Anbieter zurechtfinden müssen (Bauer/Hammerschmidt 2004).

Das Anbieten von zusätzlichen Inhalten hat sich in mehreren Untersuchungen in verschiedenen Bereichen des E-Business als wichtigste Determinante der Kundenbindung erwiesen (Bauer/Falk/Hammerschmidt 2004; Bauer/Hammerschmidt 2004; Holzmüller/ Schlüchter 2003).

Zahlreiche Untersuchungen betonen weiterhin, dass die Bereitstellung von Community-Funktionen wie

::: Newsgroups
::: Chats
::: Diskussionsforen

eine Voraussetzung für die Zufriedenheit und Bindung der Teilnehmer darstellt (Bauer et al. 2001). Durch die Teilnahme an virtuellen Gemeinschaften können die Nutzer untereinander in Kontakt treten und Erfahrungen über die Qualität und die Preis-Leistungs-Verhältnisse der Güter austauschen.

Dieses Wissen, auf das die Nutzer durch die interpersonelle Interaktion zugreifen können, stellt sog. soziales Kapital bereit. Die Möglichkeit, persönliche Kontakte und soziale Netzwerke zu anderen Nutzern aufzubauen erhöht die sozialen Wechselbarrieren (Bauer et al. 2001).

Zur Unterstützung der Informationsphase können weiterhin integrierte Benachrichtigungssysteme (z.B. bei Auktionen oder dem Eingang neuer Angebote), Transaktionsauswertungstools und Softwareapplikationen zur Verfügung gestellt werden.

Weiterhin können Betreiber elektronische Reputationssysteme einrichten, welche Bewertungen und Kritiken bzgl. der Zuverlässigkeit von Teilnehmern sammeln und veröffentlichen. Für die Marktplatzteilnehmer ermöglicht dies eine Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit des prospektiven Transaktionspartners, die aufgrund der anonymen elektronischen Kommunikation erschwert ist. Für den Betreiber hat dies den Vorteil, dass der Marktplatz durch einen großen Stamm vertrauenswürdiger Mitglieder eine höhere Marktreputation besitzt und für neue Kunden attraktiver wird (Ockenfels 2003).

Zusatzleistungen in der Vereinbarungsphase müssen v. a. für eine effiziente Preisfindung bereitgestellt werden (Schneider/Schnetkamp 2000). Zum einen können Auktionen das Finden des preislich optimalen Angebotes erreichen. Zum anderen kann der Marktplatz durch automatische Zusammenführung von Nachfragen bzgl. gleicher Produkte mengenbezogene Preissenkungen ermöglichen.

Als abwicklungsbezogene Zusatzdienstleistungen wären neben der Auftragsverfolgung, der Bonitätsprüfung der Teilnehmer sowie der Qualitätsprüfung der Produkte, die in entsprechenden Produktempfehlungen resultiert, auch unterstützende Dienstleistungen für Zahlungsabwicklung (electronic billing), Finanzierung und Versicherung denkbar. Auch Dienste zur Online-Überwachung von Vertragsabschluß und –erfüllung wie etwa virtuelle Notare und digitale Signaturen sind hier einzuordnen.

Immer mehr werden transaktionsphasenübergreifende Zusatzleistungen gefordert, die einer Vereinfachung aller Schritte der Transaktionskette dienen. Hier sind vorwiegend Services zur Ermöglichung der Integration von und der Kollaboration zwischen Teilnehmern zu nennen. Diese sollen eine Folge wiederholter Transaktionen stimulieren und diese effizient durchführen lassen
.
Integrationsleistungen dienen der Verknüpfung der IT-Systeme (z.B. ERP-Systeme) der Transaktionspartner über den Marktplatz. Der Betreiber muss dafür sorgen, dass auch unterschiedliche IT-Systeme an den Marktplatz angebunden werden können. Dies kann etwa durch Konzept der enterprise application integration (EAI) erreicht werden. Es ist dabei nur noch eine Verbindung der verschiedenen Anwendungen zum zentralen EAI-System notwendig, um mit allen anderen beteiligten Systemen kommunizieren zu können (Kaiser 2003).

Auf diese Weise wird die standardisierte und sichere Übertragung von Informationen und Dokumenten zwischen sonst inkompatiblen Systemen gewährleistet. Dies ermöglicht etwa einen Echtzeit-Datenaustausch, gleichzeitige Vertragsverhandlungen mit mehreren Partnern und das Ablegen verschiedener Rahmenverträge.

Die Integration von Enterprise Resource Planning (ERP)-Systemen erreicht v. a. bei homogenen Gütern mit regelmäßigem Beschaffungsbedarf enorme Prozessbeschleunigung und Kostenersparnis durch die Automatisierung der operativen Bestellprozesse (Migalk/ Hammerschmidt 2004).

In engem Zusammenhang mit der Integration stehen Zusatzleistungen zur Unterstützung eines Collaborative Commerce der Mitglieder. Diese dienen dazu, neben der Transaktion von Gütern und Dienstleistungen auch die Interaktion der Teilnehmer elektronisch zu unterstützen, wofür die Anbindung der IT-Systeme eine Voraussetzung darstellt. Kollaboration dient dazu, Transformationsprozesse zur Planung, Entwicklung und Erstellung von Gütern untereinander abzustimmen (Schlüchter 2001). Denkbar sind hier z.B. virtuelle Projektbüros oder Web CAD, um eine gemeinsame Produktentwicklung zu ermöglichen. Durch das Ablegen gemeinsam benötigter Informationen wie Datenblätter, Zeichnungen, Produktinformationen oder Qualitätszertifikate auf einer zentralen Plattform, stehen diese simultan allen Beteiligten zur Verfügung (Kaiser 2003).

Eine Zusammenarbeit im Einkaufsbereich kann etwa für eine Gruppe von Einkäufern erfolgen, indem diese statt jeweils eigener Einkaufssysteme ein zentrales E-Procurement-System in Verbindung mit Produktkatalogen aufbauen, um das Volumen zu bündeln und die Anzahl der Lieferanten zu reduzieren.

Kollaborative Prozesse im Rahmen der Absatzplanung können unterstützt werden, indem Planzahlen und Prognosen direkt in die Produktionsplanung des Zulieferers eingespeist werden, wodurch Lieferengpässe bzw. Überbestände verringert werden können (Feuerstake 2002).

Transaktionsunabhängige Zusatzleistungen um die Unternehmen herum

Um die Erlösabhängigkeit von Transaktionen zu reduzieren, können EMP auch neuartige Zusatzdienstleistungen selbst anbieten, die nicht an konkrete Transaktionen gebunden sind und auch unabhängig von der Durchführung von Transaktionen nutzbar sind. Solche netzeffektunabhängigen, eigenständig bepreisbaren Dienstleistungen sind Beratungs- und Logistikdienstleistungen.

Beratungsdienstleistungen beinhalten z.B. die Installation und Wartung von betriebswirtschaftlicher Software in den Unternehmen und Schulungen zur Marktplatznutzung oder Prozessoptimierung. Auch eine Rechts- oder Finanzierungsberatung wäre hier vorstellbar. Logistikdienstleistungen beziehen sich auf den Transport und die Lagerung von Gütern.

Solche Dienstleistungen können auch von Unternehmen nachgefragt werden, die nicht auf dem Marktplatz aktiv sind, jedoch vom Know How und den möglichen Kooperationen der Marktplatzbetreiber profitieren wollen. Auf diese Weise können Marktplätze aufgebautes Kompetenzvertrauen in neue Geschäftsfelder transferieren, mit denen ganz neue Kundengruppen erschlossen werden können (Berlecon Research 2001; Wirtz/Olderog/Mathieu 2003).

Lesen Sie in Kürze im vierten Teil, wie Marktplätze Ihre Kommunikationspolitik gestalten können und welche Instrumente welche Vor- und Nachteile bieten.
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