Am schönsten für beide Seiten ist: Der Kunde kommt zum Verkäufer und wünscht genau das, was dieser zu bieten hat. Nur leider, so funktioniert's nur selten! In der Regel weiß der Kunde gar nicht, was es gibt (und was er will, wie manche Verkaufsstrategen meinen). Auch weiß der Erzeuger in der Regel nicht, was der Kunde wünscht und braucht. Es wird auf Vermutung oder auf Grund von Marktforschung produziert, die Produkte müssen also auf jeden Fall erst über die Werbung bekannt gemacht werden. Es werden demnach Bedürfnisse geweckt, die vorher gar nicht da waren! Da sind wir wieder beim 'Über-den-Tisch-Ziehen'. - Aber, stellen wir uns einmal vor, wie es wäre, wenn tatsächlich nur nach Bedarf produziert würde: Wären wir nicht in unserer gesamten Gesellschaftsentwicklung ganz woanders? Gehört nicht doch dieses Bedürfnis-Erzeugen als notwendiger Antrieb zu einer weiter treibenden Entwicklung dazu? Sicher: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Es wäre vielleicht alles schlichter, ruhiger und besinnlicher, aber auch eintöniger, langweiliger und längst nicht so farbenfroh und vielseitig.
Wir sehen: Die Rolle des Verkäufers wie auch die des Kunden können in unserer sich überschlagenden Zeit recht unangenehm werden. Weder die Verkäufer noch die Kunden wollen diese Rollen, und dennoch werden sie ständig durch das Goldene Kalb des Wirtschaftswachstums und durch den Erwerbszwang in sie gepresst. Eigentlich will jeder doch nur Mensch sein, oder besser noch: Mensch werden, sich in Ruhe entwickeln können. Diese Rollen bedrängen uns (als Kunde) oder machen uns aufdringlich (als Verkäufer). Wir werden diese Rollen nicht abschaffen können. Aber wie können wir sie gestalten, dass sie erträglich werden und ihren Zwangscharakter verlieren? Dass wir uns als Kunde wie auch als Verkäufer wohl fühlen und dieses Spiel auch als Spiel, was es schlussendlich ist, spielen lernen? Gibt es einen Ausweg? Ich sage: JA!
Einfach nur Mensch sein
Die Frage ist, wie wir uns selbst verstehen. Eine Frage des Selbstverständnisses also, der eigenen inneren Perspektive. Wenn wir uns nur aus unseren Rollen heraus definieren, verkrampfen wir uns. Wir müssen uns wieder auf unser allgemeines Menschsein besinnen. Aber was heißt eigentlich Menschsein? Hier können uns heute Vorstellungen aus den religiösen Traditionen ebenso wie die aus der neueren Physik unterstützen. Da sind wir an einem sehr spannenden Moment in der Entwicklungsgeschichte.
Beginnen wir mit der Quantenphysik: Sie zeigt - und das mittlerweile seit über 80 Jahren - daß die Materie keineswegs so fest, definier- und prognostizierbar ist, wie sie uns vordergründig erscheint. Die Atome enthalten hauptsächlich leeren Raum. Die Welt ist Schein, Maya, wie in den östlichen Philosophien seit jeher gesagt wird. "Das Verhalten der Atome ist grundsätzlich nicht vorhersagbar, und damit auch die gesamte Entwicklung. Es kommt einzig und allein auf die Beziehungen(!) an", so Prof. Hans-Peter Dürr, Atom- und Astrophysiker, Träger des alternativen Nobelpreises im Rahmen des 2005 erklärten Potsdamer Manifestes. Oder Dr. Vandana Shiva, die indische Quantenphysikerin, Umweltaktivistin und ebenfalls Trägerin des alternativen Nobelpreises: "...was wir dem Netz des Lebens antun, tun wir uns selbst an". - An dieser Stelle treffen physikalische und religiöse Sichtweisen zusammen; das ist der eigentliche, geradezu aufregende Quantensprung der heutigen Zeit! Vandana Shiva's Aussage erinnert an "Was ihr einem der geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan" (Matthäus 25.40). Oder an das östliche "Tat Twam Asi" - das (alles) bist du!
Im Verkaufsgespräch die Perspektive wechseln
Was heißt das nun für mich als Verkäufer? Es heißt nichts anderes als dies, dass im Grunde mein Kunde ich selbst bin, dass ich letztlich mir selbst etwas verkaufe! Und dass ich, wenn ich meinen Kunden übertrumpfen oder hereinlegen will, letztlich nur mich selbst hereinlege! Schließlich auch meine Konkurrenz: Will, muss, soll ich sie wirklich mit den oft so brutalen, wenn auch üblichen Mitteln der Marktwirtschaft aus dem Feld zu schlagen versuchen?
Versuchen Sie doch einmal Folgendes: Sehen Sie Ihre Kundenkommunikation als ein Spiel an, das sie mit sich selbst spielen! Sagen sie, mit Tucholsky, innerlich während eines Verkaufsgespräches zum Kunden: "Ich bin du, nur anders". Einfach nur so, probieren Sie es einmal aus! Sie werden sehen, dass allein schon damit sich ganz neue Dimensionen der Einfühlung, der Empathie entwickeln, die Sie in die Lage versetzen, mit dem Kunden auf gleicher Augenhöhle zu kommunizieren. Sie werden sich viel besser auf die tatsächlichen Bedürfnisse des Kunden einstellen können.
Von der Kundenkommunikation zur Kommunikation von Mensch zu Mensch
Lassen Sie die Kundenkommunikation zur Menschenkommunikation werden! Auch wenn dies anfangs recht ungewohnt sein mag und zugegebenermaßen ein gewisses Training erfordert: Sie werden sehen, dass Sie damit eine erstaunliche Entspannung im Verkaufsgespräch erreichen. Ihnen werden Worte einfallen, die unmittelbar aus der Sicht des Kunden inspiriert sind. So sollte sich der Erfolg wie von selbst einstellen. Daneben nehmen sich all die üblichen Verkaufstricks wie ein erzwungener Krampf aus. Doch keine Angst: Sie brauchen deshalb nicht gleich alles Gelernte wie z. B. die Wahl und Wirkung von Worten über den Haufen zu werfen!
Auf dem Hintergrund der hier geschilderten inneren Haltung aber wird eine völlig neue Atmosphäre und ganz andere Qualität in Ihre Kundenkommunikation kommen, nämlich eine, die über den reinen Handelsaspekt hinaus geht, die der allgemein menschlichen Dimension wieder das ihr gebührende Maß gewährt. So paradox dies vorerst dem Verstand erscheinen mag: Es wird genau jene Dimension hinzu kommen, die letztlich auch der Wirklichkeit entspricht. So macht es beiden Seiten Spaß!
Link zum Autor: Arno Pillwein
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