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Kolumne
Chefsache Führung, 31.08.2009
Kein Leidensfetischismus
Wertschätzung ist eine Holschuld
Wertschätzung und Anerkennung sind wichtige Faktoren für die Zufriedenheit von Mitarbeitern. Führungskräften wird oft vorgeworfen, ihren Mitarbeitern zuwenig davon zu geben. Im Ergebnis ist die Führungskraft der Buhmann. Was jedoch gerne, allen voran von den Betroffenen dabei übersehend wird: Wer schlechte Führung über sich ergehen lässt und als „Schicksal“ hinnimmt, trägt an derselben und den Folgen, die aus ihr erwachsen, eine Mitschuld.
Führungskräften wird gerne vorgeworfen, dass Sie ihre Mitarbeiter zu wenig anerkennen und wertschätzen. Vielfach wird dabei der Spruch „Wir sind hier nicht zum Kuscheln“ mit einem Mangel an Wertschätzung gleichgesetzt. Welch ein fataler Irrtum. Ausgekuschelt heißt, dass der Mitarbeiter eine gute Leistung zu erbringen hat. Ebenso, dass Führungskräfte wieder verstärkt hinschauen: Wer sind meine Leistungsbringer, wo sitzen die Pflaumen? Und sich dieser annimmt. Denn solange diese noch nicht vom Baum gefallen sind, sind sie innen noch nicht faul. Will sagen: Von Ihrer Haltung und Einstellung her. Und gegen äußerliche Fäulnis, soll heißen Faulheit, lässt sich bekanntermaßen etwas tun. Klares, umgehendes Feedback. In diesem Fall: Kritik. Aber bitte konstruktiv. Verbunden mit einer klaren Erwartungshaltung: Der Mitarbeiter hat dies abzustellen. Und zwar umgehend. Viele Mitarbeiter verstehen diesen Wink mit dem Zaunpfahl. Für die anderen gilt: Sie daran erinnern, wofür sie ihr Geld bekommen. Und die Leistungsbringer? Die erhalten Wertschätzung, Anerkennung, interessante Aufgaben und genießen eine vertrauensvolle Führung. So einfach kann das sein.

Aber halt: Neueste Forschungsergebnisse behaupten, Menschen sind aus neurobiologischer Sicht auf soziale Resonanz und Kooperation angewiesen. Weiter: Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen mangelnder Wertschätzung der Mitarbeiter und einem erhöhten Krankenstand. Bravo, sage ich da. Ich bin ein Freund von Wertschätzung am Arbeitsplatz und gesunden Mitarbeitern. Aber wissen das die betroffenen Mitarbeiter auch? Und ist dem Mitarbeiter klar, was er tun muss, um sich Anerkennung und Wertschätzung vom Chef zu holen? Denn Wertschätzung ist eine Holschuld. Eigentlich ganz einfach. Eine gute Leistung und gute Ergebnisse muss der Mitarbeiter liefern. Das reicht meist aus. Für die Pflaumen gilt also: Sie müssen sich entscheiden, in welchen Korb sie wollen: Zu den Guten oder dem Fallobst. Es ist ihre Entscheidung - mit absehbaren Folgen.

Doch was tun, wenn der Chef es nicht merkt, er den Guten die Anerkennung verweigert? Dann ihn freundlich und bestimmt darauf hinweisen. Man darf sich beim Chef auch das Lob abholen und zur Not nachhelfen. Zuviel verlangt? Sicher nicht. Aber es ist natürlich bequemer, es den Führungskräften ins Stammbuch zu schreiben, anstatt sich für sich selbst auf den Weg zu machen und damit Selbstverantwortung zu zeigen. Denn Mitarbeiter müssen das ja nur für sich selbst tun. Und das sollte es ihnen eigentlich wert sein, oder?

Und wenn der Chef weiterhin die Anerkennung versagt? Irgendwann ist auch die Grenze des größten Leidensfetischisten überschritten. Dann gibt es nur noch einen Weg. Der Mitarbeiter sucht sich einen anderen Chef. Denn es zwingt ihn keiner, unter diesem Chef zu leiden. Oh ja, ich höre die Buhrufe jetzt schon „Zyniker! Noch nicht mitbekommen, dass eine globale Wirtschaftskrise herrscht. Arbeitsplätze sind gefährdet. Mit 40+ zu wechseln, ist ein Risiko. Und wissen Sie den nicht, Herr Jäger, das 60 % der Unternehmen keine über 50-jährigen beschäftigen!“ Ich kann Sie beruhigen. Das alles ist mir bekannt. Und daran ist viel Wahrheit, zweifellos. Das sind Rahmenbedingungen, die wohl überlegtes Handeln erfordern. Aber eben Handeln, nicht Verharren. Denn die Evolution hat die Langsamen, nicht anpassungsfähigen Spezies immer bestraft. Mit dem Aussterben.

Ist keine Besserung in Sicht, hilft kein Verharren, Heulen, Jammern oder Wehklagen. Vielleicht emotional ein bisschen. Kurzfristig. Aber am nächsten Morgen ist der Chef immer noch der gleiche, der sich weiterhin nicht wertschätzend verhält. Also: Der Mitarbeiter muss seinen Chef abwählen, sprich um Versetzung bitten, den Arbeitgeber wechseln oder – noch besser: selbst Chef werden. Dann kann er selbst als Vorgesetzter oder Unternehmer ein vorbildhaftes Beispiel geben, was gute Führung ausmacht.
ZUM KOLUMNIST
Über Roland Jäger
Roland Jäger ist Unternehmensberater, Trainer, Coach und Buchautor. Nach Berufsjahren im Banken- und Finanzwesen arbeitete er im Management einer renommierten Privatbank und in einem bedeutenden Beratungsunternehmen. Seit 2002 ist er Inhaber der rj management ... mehr
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