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Fachartikel, 19.05.2008
Arbeitsmarkt
Versicherungsfachmann und IT-Experte zugleich
Zum Entwickeln der Software, die Versicherungen brauchen, benötigen Informatiker finanzwirtschaftliches Know-how. Solche Multi-Talente sind auf dem IT-Arbeitsmarkt rar. Deshalb fördern mehrere Versicherungsgesellschaften seit fünf Jahren den Studiengang „Wirtschaftsinformatik – mit Schwerpunkt Versicherungsanwendungen“ der Fachhochschule für die Wirtschaft Hannover (FHDW).
In die meisten Kfz-Versicherungen fließen heute mehr Tarifmerkmale ein als die PS-Zahl, der Fahrzeug-Typ und die Zahl der unfallfrei gefahrenen Jahre. Die Höhe der Prämie hängt auch davon ab, ob das Auto nachts in einer Garage steht und ob noch andere Personen als der Versicherungsnehmer mit dem Fahrzeug fahren. Ähnlich ist es bei den meisten Versicherungen. Die Verträge werden stets individueller.

Je mehr Tarifmerkmale die Computerprogramme der Versicherungsunternehmen aber erfassen und bearbeiten müssen, umso komplexer und schwieriger sind sie zu programmieren. Zumal eine weitere Anforderung an die Programme lautet: Die Verträge sollen einfach zu verwalten sein. So sollten zum Beispiel bei Gesetzesänderungen keine aufwändigen Neu-Programmierungen nötig sein. Außerdem sollte die Oberfläche des Programms so gestrickt sein, dass alle Sachbearbeiter problemlos mit ihm arbeiten können. Und zunehmend auch die Kunden. Schließlich wird eine wachsende Zahl von Versicherungsverträgen via Internet abgeschlossen.

Gefragt: Komplexe und zugleich einfache Programme

Solche Programme können nur ITler entwerfen, die wissen, wie Versicherungsverträge aufgebaut sind und Prämien berechnet werden. „Solche Multi-Talente sind auf dem Arbeitsmarkt rar“, betont Christiane Besa-Schmidt, Aus- und Weiterbildungs-Referentin bei den VGH Versicherungen, Hannover. Zwar waren in den zurückliegenden Jahren viele arbeitlose ITler auf dem Markt. Sie hatten aber zumeist oft folgendes Manko: Ihnen fehlte das nötige Versicherungs-Know-how.

Mit diesem Problem kämpfen die Versicherer seit Jahren. Deshalb vermitteln sie häufig Versicherungskaufleuten, die für sie arbeiten, das nötige IT-Know-how. Oder sie engagieren frisch gebackene Informatiker von der Uni, denen sie dann firmenintern das nötige versicherungstechnische Know-how beibringen. Bis sie voll einsatzfähig sind, vergeht meist ein Jahr. „Denn kein Informatiker kann sich das für das Entwickeln der Datenbank-Anwendungen nötige Verständnis der Geschäftsprozesse einer Versicherung über Nacht aneignen“, weiß Hans Grundmeier, Personalchef der Concordia Versicherungsgruppe aus Erfahrung.

Beide Wege, die gewünschten Multi-Talente zu bekommen, sind zeitaufwändig und teuer. Darauf weist Angelika Garche-Krüger hin. Die Geschäftsführerin des Berufsbildungswerks der Versicherungswirtschaft (BWV), Hannover, hört von Versicherungsgesellschaften oft die Klage, das Informatik-Studium an den deutschen Hochschulen sei praxisfern. „Es entspricht nicht dem Selbstverständnis der meisten Hochschulen“, so ihr Fazit, „ihre Studenten für bestimmte Arbeitsfelder zu qualifizieren. Sie wollen keine verlängerten Werkbänke der Unternehmen sein.“

Solche Bedenken hat die Fachhochschule für die Wirtschaft Hannover (FHDW) nicht. Sie kooperiert seit Jahren mit zahlreichen Versicherern. „Auch in das Entwickeln der Lehrpläne beziehen wir unsere Partnerunternehmen ein“, betont FHDW-Präsident Professor Dr. Karl Müller-Siebers. Auf deren Anregung entstand auch der Studiengang „Wirtschaftsinformatik – mit Schwerpunkt Versicherungsanwendungen“, den die Fachhochschule seit Herbst 2003 anbietet – anfangs als Diplom- und seit 2007 als Bachelor-Studiengang.

Ein inhaltlicher Schwerpunkt dieses Studiengangs bildet das Entwickeln von Software sowie das Analysieren und Beheben von Problemen, die bei der elektronischen Datenverarbeitung oft auftauchen. Zum Beispiel, wenn verschiedene Hard- und Software-Komponenten „zusammenarbeiten“. Dies ist wichtig, „weil die IT-Landschaft der meisten Versicherer über Jahrzehnte gewachsen ist“, wie Professor Dr. Michael Löwe, Abteilungsleiter Informatik an der FHDW betont. Alte Host-Systeme und moderne Client-Server-Systeme arbeiten bei ihnen meist nebeneinander. Der Grund: Für Finanzdienstleister ist Zuverlässigkeit und Sicherheit oft wichtiger als Schnelligkeit. Deshalb vertrauen sie insbesondere bei der Massendatenverarbeitung meist auf die alten, aber bewährten Großrechner.

Ein weiterer Schwerpunkt ist das Thema Datenbanktechnik. Die Studenten befassen sich zum Beispiel mit der Frage: Wie sollte eine Datenbankanwendung für das E-Business konzipiert sein? Ebenfalls auf dem Lehrplan steht: Wie kann die Datensicherheit gewährleistet werden? Hier lernen die Studenten zum Beispiel mehrere Verschlüsselungstechniken kennen.

Theorie und Praxis sind verzahnt

Wie praxisrelevant das ihnen an der Fachhochschule vermittelte Wissen ist, können die angehenden Versicherungs-Informatiker unmittelbar überprüfen. In ihrem Studium wechseln sich Theorie- und Praxisphasen im Drei-Monats-Rhythmus ab. Die Hälfte ihrer Studienzeit arbeiten die Studenten somit in Versicherungsunternehmen. Diese tragen auch die Studiengebühren und zahlen den Studierenden eine monatliche Ausbildungsvergütung. Eine Investition, die sich laut Auffassung von Concordia-Personalchef Grundmeier lohnt: „Wir gewinnen so im Verlauf von drei Jahren Mitarbeiter, die hoch qualifiziert und mit den Abläufen in unserem Unternehmen vertraut sind.“

Während der Praxisphasen ihres Studiums arbeiten die Männer und Frauen, die an der FHDW „Wirtschaftsinformatik – mit Schwerpunkt Versicherungsanwendungen“ studieren, in realen Projekten der Versicherungen mit. Häufig handelt es sich dabei um strategische Großprojekte. Professor Löwe: „Einige unserer Studierenden haben in den letzten Jahren während ihrer gesamten Studienzeit in ein und demselben Großprojekt, das sich in mehrere Teilprojekte gliederte, gearbeitet. Der Vorteil solcher Großprojekte: Sie sind meist „Querschnittsprojekte“, die die gesamte Organisation betreffen. Entsprechend komplex und vielschichtig sind sie. Als Beispiele für solche Querschnittsprojekte nennt Löwe das Einführen eines Work-Flow-Managements, um alle Prozesse in einer Versicherungsgesellschaft zu beschleunigen. Oder das Einrichten eines Data Warehouse.

Zwischen ITlern und Versicherern vermitteln

Die Arbeit in solchen Projekten hat zudem den Vorteil: Die Studenten entwickeln ein feines Gespür dafür, welche Probleme oft bei Projekten mit vielen Projektbeteiligten auftreten. Außerdem lernen sie Techniken kennen, um Risiken früh zu erkennen und Probleme zu vermeiden. Wichtiger, als dass ihre Versicherungs-Informatiker jede Programmiersprache beherrschen, ist vielen Versicherern nämlich, dass sie gute Projektmanager sind. Schließlich bilden sie, wie Angelika Garche-Krüger betont, „im Arbeitsalltag oft die Schnittstelle zwischen den Fachabteilungen und den ‚reinen’ Informatikern“.

Anwendungsprogramme aktualisieren und entwickeln, das können auch reine Informatiker, die vom Geschäft der Versicherungen wenig verstehen – zumindest wenn sie wissen, was die Anwendungsprogramme wie leisten sollen. Dies müssen ihnen die Versicherungs-Informatiker, als die FHDW-Abgänger, vermitteln. Sie sind im Versicherungsalltag also vielfach die Vermittler zwischen den Mitarbeitern der Fachabteilungen sowie des Außendiensts einerseits und den Informatikern andererseits. Deshalb müssen sie auch ausgeprägte soziale Fähigkeiten haben. „Kommunikativ“ und „stressresistent“ müssen unsere Versicherungs-Informatiker sein“, betont Angelika Garche-Krüger. „Außerdem müssen sie logisch-abstrakt und ganzheitlich denken können.“

Dass sie stressresistent und belastbar sind, das beweisen die angehenden Versicherungs-Informatiker schon während ihrer Studienzeit. Denn ihre Arbeitsbelastung ist hoch. Schließlich dauert ihr Studium nur drei Jahre. „Bedenkt man dann noch, dass in das Studium anderthalb Jahre Praxis integriert sind“, so FHDW-Präsident Müller-Siebers, „kann man sich vorstellen, welches Arbeitspensum auf die Studierenden wartet.“ Dafür haben sie nach ihrem dreijährigen Studium außer dem Bachelor-Abschluss als Informatiker einen weiteren Berufsabschluss als „Versicherungskaufmann/-frau (IHK)“. Und noch etwas haben die Studierenden in der Regel in der Tasche: einen Arbeitsvertrag. Denn nachdem die Versicherungen drei Jahre in die Ausbildung ihrer Studenten investiert haben, wollen sie diese selbstverständlich auch übernehmen.

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