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Fachartikel, 08.05.2009
Markenführung
Kultmarken im 7. Himmel
So viele Liebeserklärungen an Marken wie in den letzten fünf Jahren gab es noch nie! Wirkliche Liebe erfahren demgegenüber nur ganz wenige Marken, die dann zu Recht als „Kultmarken“ bezeichnet werden. Zum Aufbau einer solchen Marke braucht es jedoch mehr als einen Slogan.
Konnten wir zwischen 1993 und 1997 noch 24 neuen Liebesschwüren lauschen und in den fünf Jahren danach 22, so beglückten uns zwischen 2003 und 2007 stolze 173 liebliche Slogans wie „Ich liebe es“ (McDonald’s), „Aus Liebe zum Tier“ (Vitakraft) und „Essen mit Liebe“ (Birkenhof). Von einer so genannten Kultmarke kann freilich bei den meisten Marken keine Rede sein. Denn bei einer solchen die Liebeserklärung von Seiten der Kunden, nicht vom Hersteller selbst. Eigenliebe ist ganz nett, macht aber noch lange keine Marke wirklich liebenswert. Oder kultverdächtig. Dafür braucht es mehr!

Zunächst einmal gilt für die brandheiße Liebe: Marken sind nicht für alle da. Für alle anderen aber sind sie alles. Nichts kann Markengläubige davon abbringen. Der Glaube versetzt Berge … und die Marken der Wettbewerber in einen Lähmungszustand. Zumindest aus Kundensicht sind sie „tot“, haben „abgedankt“ sind irrelevant und nichtexistent. Fantastisches und Fanatisches liegen dabei nah beieinander. Wer Fantastisches zu bieten hat, bekommt fanatische Fans, die in „ihre“ Marke vernarrt sind, sie liebevoll umwerben und ihr stets treu sind, in guten wie in schlechten Tagen.
Werbemanager Kevin Roberts hat für diesen Gefühlszustand auch gleich den passenden Begriff dazu geprägt: Lovemarks. Zu den zentralen Zutaten für „Liebesmarken“ gehören Roberts zufolge Geheimnisse, Sinnlichkeit und Vertrautheit. Was aber ist Kult? Rein definitorisch handelt es sich um die rituelle Verehrung einer Gottheit, bezeichnet spirituelle bzw. religiöse Handlungen, bezieht sich auf etwas, das außergewöhnliche Verehrung genießt und bei seinen Anhängern ungeahnte Kräfte freisetzt und übertriebene Huldigungen inklusive dazugehöriger Devotionalien hervorruft.

Im weltlichen Bereich ist von „kultiger Verehrung“ die Rede, wenn es sich um ein aktiv betriebenes, dauerhaftes Massenphänomen handelt. Trendige Marken, die einen kurzen Hype erleben, gelten deshalb genauso wenig als Kultmarken, wie Marken, denen nur von einer kleinen, regional begrenzten Gruppe gehuldigt wird. Zudem ist es erforderlich, dass die Ehrerbietung aktiv betrieben wird, z.B. in Form von (nur Insidern bekannten) Ritualen oder von (irrationalen) Nachteilen, die man „für die Marke“ in Kauf nimmt. Auch Markenevents und Markengemeinschaften zählen dazu. Hinzu kommt die Entwicklung der Wertigkeit nach dem Kauf. Sie sagt viel aus über den Status einer Marke. Sperrmüll oder Sammlerstück? Krusch oder Klassiker? Kitsch oder Kult?

Kultmarken sind Originale und originell

Für Kultmarken gilt: Sie sind fast immer wert- und wertestabil. Sie altern nicht, sie reifen! Manchmal sind sie konservativ, stets aber trendresistent. Sie setzen vielmehr selber Trends oder lösen sich dauerhaft von jedweder Trendigkeit, sind zeitlos aktuell. Möglich wird dies, weil sie bzw. ihre Schöpfer oder Propheten zumeist eine langfristig relevante, sozio-kulturelle Symbolfunktion besitzen, eine Aura, Charisma!

Kultmarken sind lebendige Geschichte, erzählen ureigene Geschichten und werden selbst Bestandteil von Geschichten der Menschen, Medien und Märkte. Sie haben Tradition, sind tugendhaft und ihren Kunden stets treu. Sie gelten bei ihren Anhängern als „das Original“ und stehen meist für einen bestimmten Lebensstil, zumindest aber für ein prägnantes Lebensgefühl. Sie involvieren, polarisieren und integrieren. Markenfans sind „mit Leib und Seele“ dabei, zwischen Kultanhängern (Insidern) und Nichtkonsumenten (Outsidern) besteht eine beträchtliche Distanz und unter Markenjüngern selbst herrscht Kameradschaft bis hin zu inniger Freundschaft. Hinzu kommt, dass Markenjünger die Markenbotschaft „in die Welt tragen“, dass sie missionieren und mit ihrer Begeisterung für die Marke häufig „Markenheiden“ bekehren und für die Marke gewinnen.

Die Königsklasse der Kultmarken

Welche Marken erfüllen (fast) alle genannten Kriterien? Wer ist Kult? Hierzu wurden von Markenlexikon.com 6 Kultmarkenstudien der Jahre 2003 bis 2007 ausgewertet. Die Nennungen waren, wie nicht zu anders zu erwarten war, durchaus heterogen. Und doch: Ein paar Marken wurden immer wieder genannt. Im Ergebnis ergab sich folgende Top 10:

  1. Harley-Davidson
  2. Apple
  3. Levi's
  4. Nike
  5. Adidas
  6. Coca-Cola
  7. Puma
  8. MTV
  9. Mini

Neben den genannten Kultmarken wurden in den 6 Studien noch 22 weitere Marken als kultverdächtig eingestuft. Darunter Absolut Vodka, Ferrari, Jägermeister, Marlboro, Mercedes-Benz, Nintendo und Red Bull. Was aber ist das Erfolgsgeheimnis von Kultmarken? Pfarrer Jochen Wagner formuliert es so: „Die Religion vertröstet das Begehren auf das Jenseits, der Konsum verspricht die Fülle jetzt!“ Und wie! Kultmarken brechen Regeln und regeln Märkte neu
Kultmarken brechen bestehende Regeln und stellen neue auf. So wie Mercedes-Benz. Keine schnelleren Pferde, sondern echte Pferdestärken mit Benzin. Oder Nintendo Wii. Endlich Computerspiele, die man mit voller Bewegungs- und Gestaltungsfreiheit spielen kann. iPod brachte den Musikmarkt zum Rauchen, ganz ohne Pot, aber immer auf einem Trip, unterwegs zu neuen Zielen. Manchmal sind es die kleinen Dinge im Leben, die zum Renner werden. Von wegen Mini! Der Underdog wird zum Star. Der Außenseiter, der Abenteurer, der Ausreißer. Harley hat dem Lebensgefühl von Freiheit ein Vehikel gegeben, das es zu erfahren gilt, passenden „Potato-Potato“-Sound inklusive. Klingt ganz nach Kult. Ist Kult. Hinhören. Hin und weg.

Und doch gilt: Kultmarken sind nicht jedermanns Sache! Das trifft nicht nur, wie wir gesehen haben, auf ihr unverwechselbares Profil zu, sondern auch auf die Erreichbarkeit des Status „kulthafte Ausnahmeerscheinung“. Eine Markenikone entsteht nun mal nicht in einem Vermittlungsausschuss. Und auch nicht durch eine Werbeanzeige à la Nokia-Luxusmarke Vertu: „Von der Idee zur Ikone in zehn Jahren“ (1998 – 2008). Schön wär’s. Casus knacksus „Cultus“ ist und bleibt, dass es den meisten Markenmanagern und Kreativen nicht gelingt, ja gar nicht gelingen kann, einer Marke Kultstatus zu verleihen. Wenn überhaupt, können sie den Pfad des Kultus bereiten, begehen müssen ihn die Kunden dann schon selbst. Sie sind es letztendlich, die über Kult oder uncool entscheiden.

Kultige Marken entstehen durch innovative Lösungsansätze, die von den Kunden auch als solche gewürdigt werden. Sie basieren auf Mythen und ihnen inhärente Geschichten. Sie sind untrennbar mit einem Lebensgefühl und ihrem kulturellen Umfeld verbunden, wie Harley-Davidson und Mini deutlich machen. Anschaulich beschrieben hat den Mini-Mythos vor ein paar Jahren Pulitzer-Preisträger Dan Neil: „The Mini is diamond-laced Champagne, a piano-playing Shetland pony, sex on the wing of an airplane. Simply put, if the Mini Cooper doesn’t put a smile on your face, you’re dead.“ Und wie wir strahlen! Die Markenverantwortlichen bei einem Blick auf die Verkaufszahlen übrigens auch. Im Fall von Apple und Virgin kommen noch leuchtende Persönlichkeiten hinzu, die selbst Kultstatus genießen. Steve Jobs und Richard Branson sind auf natürliche Weise mit ihren Marken verbunden, haben sie geprägt und ihnen ihr Charisma ge- und verliehen.

Man kann sich bei der Selbsteinschätzung aber auch leicht vertu(n), wie Nokia gezeigt hat. Oder kennen Sie jemanden mit einem Vertu-Tattoo? Haben Sie schon mal jemanden von den edlen Nokia-Handys schwärmen hören? Hat Brad Pitt eins? Wäre mir neu. Und selbst wenn: Für an Stars und Sternchen bezahltes Geld bekommt man noch keinen Ruhm. Ruhm ist unbezahlbar! Und doch käuflich – und heiß begehrt:: „Oh Lord, won’t you buy me … ?“

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Über den Autor

Dipl.-Kfm. Karsten Kilian hat mit Markenlexikon.com das größte Markenportal Europas aufgebaut. Seit mehreren Jahren forscht er an der Universität St. Gallen, lehrt an mehreren Hochschulen im In- und Ausland und berät mittel­ständische Unternehmen in Markenfragen. Mit seinem Kultmarkenbuch „Marke unser“ (2009) hat Karsten Kilian ein kurzweiliges Büchlein über „Branding zwischen höllisch gut und himmlisch verwegen“ verfasst. Mehr unter www.markeunser.de 

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Publikationshinweis
Die Kunst der Markenführung

Marken sind kleine Wunderwaffen - sie kennzeichnen Produkte und Dienstleister, machen einzigartig und unterscheidbar. Gut geführt sind sie ein Garant für den Erfolg des Produktes/Unternehmens. Dieses Buch zeigt Ihnen, wie richtige Markenführung funktioniert.

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