Empathie ist die Fähigkeit, fremdes Erleben und Verhalten nachzuvollziehen, den Anderen und die Umwelt des Anderen mit dessen Augen zu sehen. Und das mit dem Ziel, das Handeln des Anderen zu antizipieren und das eigene Handeln darauf abzustellen. Empathie ist das Gespür dafür, zu welcher Tages- und Nachtzeit ich bestimmte Leute anrufen kann, und wann ich es besser sein lasse.
Empathie ist auch das kalte Mitgefühl des Profilers, der ein Täterprofil erstellt, um den Verdächtigen zu fassen. Freundlichere Beispiele für instrumentalisierte Empathie sind die Therapie- und Unterrichtskonzepte, mit denen Psychologen und Pädagogen ihre Klienten und Schüler fördern. Aber auch das Denken vom Markt her, auf dem die Theorie des modernen Marketings beruht, und das Denken vom Kunden her, von dem seit Urzeiten der Erfolg eines Verkäufers abhängt.
In der bezahlten Kommunikation fällt unter Empathie: Die angeborene Menschenkenntnis, nennen wir es Talent; die gelernte Menschenkenntnis, das heißt die Erfahrung; das, was man grundlegend aus der Theorie für die Praxis lernen kann; das, was man von Fall zu Fall mit Forschung herausfinden kann.
Dieser Aufwand ist nötig, um das Konstrukt zu konstruieren, von dem in der bezahlten Kommunikation alles abhängt: Ein Hirngespinst namens Zielperson. Wir reden von der Zielperson, als zielten wir auf ein Wesen von Fleisch und Blut. Zielperson ist das Image, das sich der Verkäufer von seinem Käufer macht — das Gegenstück zu dem Image, das sich der Käufer vom Verkäufer macht. Eine hässliche Bezeichnung für unser Gegenüber. Aber sie enthält die Aufforderung, zu zielen. Und sie erinnert uns daran, dass wir es mit einer Person zu tun haben.
Allerdings ist das nur die Person, die wir uns um eine einzige Antizipationsschleife herum konstruiert haben — um das Skript herum, das wir für unsere Kommunikation brauchen. Der große Rest der Persönlichkeit, der nichts mit uns zu tun hat, bleibt für uns im Dunkeln.
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Ein kleiner Dreh, und die Kommunikation ist nicht mehr, was sie einmal war.
Drei Wörter, und wir haben die Seiten gewechselt.
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„Konstruktivismus“ stellt die Vorstellungen vom empfangenden Empfänger auf den Kopf. „Skript“ lenkt den Blick des Senders ins Innere des Empfängers. Bei „Empathie“ steckt der Sender in der Haut des Empfängers.
Ein Dreh um 180 Grad
Mit der neuen Beziehung haben wir ein neues Modell für die bezahlte Kommunikation. Wir nennen es das Zwei-Ebenen-Beziehungsmodell des Dritten Wegs. Das klassische Beispiel ist die Werbung. Genauer gesagt, die Werbung im größeren Zusammenhang des Marketings. Das neue Beziehungsmodell hat fünf auffällige Merkmale:
Das Zwei-Ebenen-Beziehungsmodell beseitigt in unseren Köpfen die letzten Spuren des Nachrichtentechnischen Grundmodells. Information von Leuten, die auf das rückkoppeln, was der Andere sendet, sieht anders aus als Information von Leuten, die den Anderen als Empfänger behandeln.
Mit anderen Augen sehen
Das Nachrichtentechnische Grundmodell hat seine Spuren überall hinterlassen, wo nach behavioristischem Konzept asymmetrische, ab-senderlastige, Reiz-Reaktion-betonte Kommunikation gelehrt und betrieben wird. Es besteht der Verdacht auf versuchte Manipulation, auch wenn das von den Beteiligten heftig bestritten wird.
Ähnlich sieht Kommunikation aus, die als kreativ bezeichnet wird. Weil der Empfänger dem Sender gleichgültig ist, entfällt allerdings der Vorwurf der Manipulation. Über Konstruktivismus, Skripts und Empathie sind wir zu einem dritten Weg gekommen. Jetzt sehen wir das Ganze mit den Augen unserer Zielperson. Wer auch immer unsere Zielperson ist: Es handelt sich um einen Menschen, ein Individuum. Der Dritte Weg bedeutet das Ende für Pauschalbegriffe wie Markt, Zielgruppe und breite Öffentlichkeit.
Es handelt sich um einen Menschen, der nicht auf uns gewartet hat. Die freilaufende Zielperson hat keinerlei Ähnlichkeit mit der Versuchsperson im Labor, der wir die üblichen Erkenntnisse über Kommunikation verdanken — theoretisch über Werbung und die anderen Formen der bezahlten Kommunikation, praktisch über die Kommunikation im Allgemeinen, die wir aktuell machen oder machen lassen.
Und es handelt sich um jemanden, von dem wir etwas wollen. Niemand sollte auch nur einen Euro in Marketing Communikations, Corporate Communications, Öffentlichkeitsarbeit oder Interne Kommunikation investieren, wenn er nicht irgendetwas von den Anderen haben will. Kennen wir unsere Zielperson, ergibt sich alles Weitere von selbst. Die Zielperson lässt uns wissen, was wir ihr übermitteln sollen. Wir sind es, die rückkoppeln.
Egal, was unsere Kommunikation übermittelt: Es handelt sich um die einmal mehr, einmal weniger direkte Antwort auf die ewig gleiche Frage „Und was habe ich davon, dass ich mein Geld, Interesse oder was auch immer ausgerechnet dir gebe, und nicht deiner Konkurrenz?“ Wenn wir etwas wollen, müssen wir etwas bieten. Die Kommunikationsleute scheinen nicht immer zu wissen, was der Eine gibt und was der Andere nimmt. Das sind dann die Kampagnen, die Images machen sollen oder sich an breite Öffentlichkeiten und breite Belegschaften richten.
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Buchtipp
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Kommunikation neu denken - Werbung, die wirkt: Der Dritte Weg zur Zielperson
von Malte Altenbach
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