Angesichts der täglich widersprüchlichen Prognosen kann sich Verzweiflung breit machen. Denn natürlich hat jeder Experte Recht, ist im Besitz der Wahrheit. Es kommt wohl darauf an, mit welchen Annahmen das Computermodel, das er einsetzt, arbeitet, mit welchen Daten und Annahmen über die Zukunft er es füttert. Das Computermodell täuscht Seriosität und wissenschaftliche Genauigkeit vor – aber letztendlich bleibt die Prognose subjektive Meinung.
Ich halte nicht viel davon, wenn Unternehmer allgemeine Wirtschaftsdaten als Basis für Ihre Entscheidungen heranziehen. Natürlich: Ein Unternehmer ist mit seinem Unternehmen eingebettet in und abhängig von den wirtschaftlichen und politischen Gesamtzusammenhängen. Aber dennoch kann das Mikromarkt-Klima und -Wetter in der individuellen Markt-Geografie dieses Unternehmers ganz anders ausschauen, als das Makro-Klima vermuten lässt. Und dann arbeitet er unter ganz andere Bedingungen als die Konkurrenz.
Es stellt sich jedoch die Frage: Wer kennt den Markt, die Kunden, die Produkte und Services, die jeweiligen Stärken und Entwicklungsbedarfe besser als der Unternehmer selbst – und seine Mitarbeiter?
Bei einem Keilriemenhersteller im Bergischen Land gibt es deshalb jeden Freitagnachmittag eine „Blaue Stunde“. Alle Außendienstler, die Mitarbeiter aus Vertrieb und Service sowie die Geschäftsführung versammeln sich bei Kaffee und Kuchen. Die Menschen erzählen, was sie die Woche über bei den Kunden erlebt, gehört, gesehen hat. Kreative Möglichkeiten und Ideen für neue Produkte, Services und Aktionen erblicken das Licht der Geschäftswelt.
Ein Marktforschungsinstitut, um den Markt kennen zu lernen? Unnötig. Die Mitarbeiter, die Führungskräfte, der Unternehmer – sie sind die besten Marktforscher. Bei dem „Blaustündlern“ werden alle ermuntert, mit den Ansprechpartnern bei den Kunden „zu plaudern“, sie werden ermuntert, auf den Fahrten unterwegs bei Produktionsunternehmen unterhalten, selbst wenn sie auf keiner Akquisitionsliste stehen, und ihre Produkte vorzustellen. Aus den „Blauen Stunden“ entstehen die Prognosen und Aktionen des Unternehmens. Und das ist „Hemdsärmeliges Veränderungsmanagement“!