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Kolumne
Wechselbad, 17.02.2010
Mittelständische Unternehmer
Weg vom Image der „grauen Maus“
Die Wegducker und Status-quo-Bewahrer beherrschen das öffentliche Bild. Wann endlich finden Unternehmer aus dem Mittelstand den Mut, ihre Verdienste in den Vordergrund zu rücken?
Die Koalition zwischen Merkel, Westerwelle und Seehofer wurde als „Liebesheirat“ angekündigt. Von einer geistig-moralischen Wende war gar die Rede. Das hörte sich nach einem gewaltigen Change an. Die Realität sieht anders aus: Das Koalitions-Paar streitet sich. Nein, nicht das Paar. Die Mutter bleibt cool. Die Kinder streiten sich. Nur gelegentlich wird sichtbar, was sie denkt und will. Eine graue Maus, ein weiblicher stoischer Buddha. Unangreifbar. Ohne Ecken und Kanten. Das ist der Angie-Change, das ist der Anti-Change. Wie sähe ein Unternehmen aus, auf dessen Top-Etage es so zuginge wie in der Regierung? Es würde wohl unweigerlich an die Wand fahren – oder besser: gefahren werden.

Das gibt es nicht in Unternehmen? Doch, gibt es! Aber man hält es unter der Decke. Wir ahnen nur, was alles passiert sein muss, damit der Vorstand von SAP, Leo Apotheker, kurzfristig „im Einvernehmen“ ausscheidet, nachdem man entschieden hat, dass sein Vertrag Mitte 2010 ausläuft. Die durchschnittliche Verweildauer von Vorständen in DAX-Unternehmen liegt weit unter fünf Jahren. Dabei droht die Nachhaltigkeit auf der Strecke zu bleiben.

Sowohl Frau Merkel als auch viele mittelständische Unternehmer sitzen derzeit die Dinge aus. Man hält Streit unter der Decke, bis er erstickt. Aber einen Störenfried gibt es: Bei aller Pöbelei sollten wir Guido Westerwelle danken. Er bringt ein wichtiges Thema lautstark auf den Tisch. Er ist ein Katalysator. Doch es kann sein, dass sich die Diskussion ganz anders entwickelt als er es möglicherweise beabsichtigt: Nicht die Hartz-IV-Sätze sind zu hoch. Die Niedriglöhne sind zu niedrig! Ganz abgesehen davon, wie schwer es ist, mit so wenig Geld pro Monat auszukommen: Kann eine Gesellschaft es sich leisten, eine so große und immer größer werdende Masse von Menschen mit Gering-Einkommen zu haben?
Insofern hat Westerwelle sicher Rech mit den römischen Zuständen. Die Reichen werden reicher, die Armen bleiben arm, werden relativ ärmer. Man muss die Armen bei Laune halten: Panem et circenses. Wie das ausgegangen ist, wissen wir: Das römische Reich ist untergegangen.

Was hat all dies Ihnen und Ihrem Unternehmen zu tun hat? Bedenken Sie: Viele Tausend große und kleine Unternehmen bilden die Volkswirtschaft. Und darum: Fassen Sie sich doch mal an die eigene Nase: Wie schaut es mit Ihrem Beitrag zu den derzeitigen Zuständen aus? Lieferanten im Preis drücken? Niedriglöhne? Alte Mitarbeiter entlassen und junge einstellen, weil sie billiger sind? Wie steht es um Ihre Werteorientierung? Verhalten Sie sich loyal zu den Mitarbeitern? Kümmern Sie sich um sie?

Natürlich: Es gibt Tausende von Unternehmern, die sich wie ehrbare Kaufleute verhalten, die auf Qualität wert legen, die keine Preise drücken, die nicht mit Macht versuchen, die Personalkosten zu senken. Aber: Warum verschaffen Sie sich kein Gehör?! Warum treten Sie nicht aktiv auf gegen diese Tendenz des „Geiz ist geil“?! Warum verstecken Sie sich?! Warum hört man so wenig von Ihnen?! Ist es die Angst davor, als Vorbild zu wirken? Das wäre eine Erklärung; immerhin erleben wir es jeden Tag, wie Vorbilder auch wieder schmerzhaft gestürzt werden. Porsche-Wedeking ist nur ein Beispiel unter vielen.

Trotzdem: Äußern Sie Ihre Meinung, treten Sie an die Öffentlichkeit, machen Sie sich greifbar, angreifbar. So werden Sie wahrgenommen und können etwas verändern. Nur so können Sie dabei mitwirken, die Gesellschaft weiter zu entwickeln – und Ihr Unternehmen. Es gibt zu viele graue Mäuse unter den mittelständischen Unternehmern. Von daher: Kommen Sie (wieder) öffentlich Ihrer gesellschaftlichen Verpflichtung nach!
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Über Dr. Reiner Czichos
Dr. Reiner Czichos ist Experte für professionelles Veränderungsmanagement und Projektmanagement. Er arbeitet seit über 30 Jahren als Trainer, Berater, Moderator, Organisations- und Personalentwickler sowie als Buchautor. Unter dem Motto „Das einzig Stabile ist ... mehr
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