Und wie sieht es in den Unternehmen aus? Wie werden dort Entscheidungsprozesse auf den Weg gebracht? Durch Mehrheitsentscheidungen? Sicher, im Aufsichtsrat oder im Vorstand wird abgestimmt. In den Management-Teams unter dem Vorstand auch? Meine Erfahrung sagt, dass es dort selten Abstimmungsdemokratie gibt. Das hat verschiedene Gründe: Zum einen schieben viele Führungskräfte und Mitarbeiter die Verantwortung gerne nach oben ab. Der Chef mutiert unfreiwillig zum „Diktator“, er muss eine klare Ansage treffen, wie es weiter geht.
Des Weiteren gibt es die paradoxe Situation, dass „diktatorische“ Entscheidungen aus dem Willen zum Konsens erwachsen. Konsens heißt, dass letztendlich „alle“ zustimmen und abnicken. Endlose Diskussionen sind die Folge, in denen Überzeugungsarbeit bis zur Erschöpfung geleistet werden muss. Ziel ist die 100-Prozent-Zustimmung aller Beteiligten. Da hilft schließlich nur das autoritäre Machtwort des Chefs, der den gordischen Knoten durchschlägt.
Hinzu kommen die Chefs, die sich von Vornherein in der unzeitgemäßen Attitüde des autoritären Basta-Diktators gefallen. Und viele Führungskräfte wollen nicht von ihrer Meinung abrücken, weil sie den Vorwurf des Einknickens und Versagens fürchten. Wider besseres Wissen halten sie den Widerstand aufrecht und tragen zur Verlangsamung der Entscheidung bei.
Es gibt in vielen Unternehmen hinreichend Grund, das Zustandekommen von Entscheidungsprozessen zu überdenken. Schlüsselfragen für Management-Teams sind: „Wie entscheiden wir? Nach welchen Kriterien und vor allem mit welchem Quorum? 51 Prozent Mehrheit? Zweidrittelmehrheit? Mit Veto für den Chef oder gar auch für den Controller oder die jeweilige betroffene Führungskraft?“
Management-Teams, in denen die Abstimmungsdemokratie durch „diktatorische“ Entscheidungsstrukturen abgelöst worden ist oder nie existiert hat, sollten in Klausur gehen und über eine „Verfassung“ nachdenken, in der klar geregelt ist, wie Entscheidungsprozesse ablaufen müssen. Und dann kann die Entscheidung über die Entscheidungs-Verfassung auch gleich den Präzedenzfall für die Zukunft abgeben.