VOLLTEXTSUCHE
Fachartikel, 30.08.2007
Duales Studium auf dem Vormarsch
Betriebliche Ausbildung und Studium kombiniert
Duale oder integrierte Studiengänge, die eine betriebliche Ausbildung oder/und Praxisphasen in Unternehmen mit einem Studium an einer Hochschule kombinieren, boomen. Denn neben den Studierenden profitieren auch die Unternehmen.
Geschafft! Das Abitur ist in der Tasche. Doch was jetzt? Eine Berufsausbildung beginnen, um möglichst schnell – auch finanziell – auf eigenen Füßen zu stehen? Oder doch lieber studieren? Immer mehr Abiturienten wählen den Mittelweg: ein duales Studium, in dem sich Lernphasen an der Hochschule mit Praxisphasen im Unternehmen abwechseln.

„Mit diesem Studienkonzept sind unsere Studierenden sehr zufrieden – vor allem, weil sie bereits während ihres Studiums in Betrieben mitarbeiten. Deshalb wissen sie genau, wofür sie sich die Theorie aneignen“, erklärt Professor Karl Müller-Siebers, Präsident der Fachhochschule für die Wirtschaft (FHDW) in Hannover, die mehrere duale Informatik- und BWL-Studiengänge anbietet.

Zufrieden mit seiner Entscheidung für ein duales Studium ist auch Oliver Lehmann. Er studiert seit einem Jahr an der Berufsakademie Villingen-Schwenningen Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt Vertriebsmanagement und ist zugleich Auszubildender der Bausparkasse Schwäbisch Hall. In dieser Zeit absolvierte er nicht nur ein Bankpraktikum, er begleitete auch einen Kundenberater der Bausparkasse mehrere Wochen bei seiner Arbeit. „Deshalb kann ich gut einschätzen, welche Bedeutung neue Lerninhalte für den Arbeitsalltag haben. Das motiviert mich beim Studieren sehr“, so Lehmann.

Sicherer Berufseinstieg

Ein weiterer Grund, warum sich immer mehr Abiturienten für ein duales Studium entscheiden, ist: Nach dem Abschluss haben sie relativ sicher einen festen Job in der Tasche. Über 90 Prozent der Absolventen dualer Studiengänge erhalten von ihrem bisherigen Ausbildungsunternehmen ein Stellenangebot.

Die Studenten auszubilden und anschließend nicht zu übernehmen, wäre auch betriebswirtschaftlicher Nonsens. Dafür sind die betrieblichen Investitionen zu hoch. „Circa 30.000 Euro kostet unser Unternehmen die Finanzierung eines Studienplatzes pro Jahr“, weiß zum Beispiel Hans-Georg Kny von der Ausbildungsabteilung bei Siemens. Dafür haben die rund 650 jungen Männer und Frauen, die Jahr für Jahr ein von Siemens finanziertes Studium an einer der 22 Partner-Hochschulen abschließen, aber auch das Fachwissen, das der Konzern braucht. Ähnlich äußert sich Daniela Apel, Ausbildungsleiterin bei Schwäbisch Hall: „Nach sechs Praxisphasen kennen unsere Studenten das Haus bestens. Deshalb ist ihre Einarbeitungszeit kürzer als bei externen Hochschulabsolventen.“

Viele Abiturienten reizt an den dualen Studiengängen auch das „Gehalt“, das sie bereits während des Studiums beziehen. Denn die Unternehmen überweisen ihren Studenten in der Regel eine „Ausbildungsvergütung“ – sie beträgt meist circa 800 Euro pro Monat. Hinzu kommen oft Zuschüsse für Miete und Fahrtkosten. Auch die Studiengebühren werden von den Unternehmen bezahlt.

Ein weiterer Vorteil der dualen Studien ist: Sie dauern trotz der integrierten Praxisphasen zumeist nicht länger als ein klassisches Hochschulstudium – häufig sind sie sogar kürzer. Wer zum Beispiel an der FHDW Hannover studiert, hat nach drei Jahren seinen Abschluss in der Tasche.

Nur 30 Studenten pro Gruppe

Oliver Lehmann schätzt an seinem Studium in Villingen-Schwenningen auch die individuelle Betreuung. „An einer ‚normalen’ Uni sitzen oft 200 Leute in einer Vorlesung; bei uns sind es maximal 30“, schildert er den Unterschied. „Deshalb fällt kein Student durchs Netz“, betont Professor Ulrich Sommer, Direktor der Berufsakademie. „Wenn jemand Abgabetermine verbummelt oder ein paar Tage nicht auftaucht, fällt das sofort auf.“ In der Regel kennen die Professoren denn auch die Studenten mit Namen. „Und wir wissen, für welche Unternehmen die Studierenden arbeiten“, ergänzt FHDW-Präsident Müller-Siebers. „Entsprechend gut können wir auf die Wünsche und Bedürfnisse eingehen.“

Doch stehen den Absolventen dualer Studiengänge die gleichen Karrierewege offen wie den Absolventen klassischer Hochschulstudien? Jein! „Mit unseren dualen Studienangeboten wollen wir primär den Nachwuchs für das mittlere Management sichern“, erklärt zum Beispiel Vera Pinkawa, Referentin Nachwuchsgewinnung bei der Deutschen Bahn AG, die circa 240 duale Studienplätze pro Jahr anbietet. „Das schließt jedoch keinesfalls aus, dass unsere Absolventen die Karriereleiter weiter nach oben steigen.“ Ähnlich äußern sich die Vertreter von Siemens und Schwäbisch Hall. Dafür muss der Betreffende aber die erforderliche Leistung zeigen. „Das duale Studium legt das fachliche Fundament für die Karriere“, erläutert Daniela Apel. „Absolventen, die als Führungsnachwuchs in Frage kommen, qualifizieren wir dann in einem mehrstufigen Programm weiter.“ Bei Schwäbisch Hall haben Absolventen der ersten Studienjahrgänge mittlerweile Positionen auf Bereichsleiter- und Geschäftsführerebene inne.

Zum Thema Karrierechancen gibt Siemens-Personalexperte Kny auch zu bedenken: Die klassischen Hochschulabsolventen steigen oft erst mit 28 Jahren ins Berufsleben ein. „Dann haben die Absolventen der dualen Studiengänge, die häufig schon mit 23 Jahren ihren Abschluss machen, zumeist bereits vier, fünf Jahre voll im Unternehmen mitgearbeitet und schon die ersten Karrieresprünge hinter sich. Diesen Vorsprung müssen die externen Hochschulabsolventen erst einmal einholen.“

Geeignet für den Unternehmensalltag

Ein duales Studium eignet sich aber nicht für jeden. „Wer im Bereich Forschung und Entwicklung arbeiten möchte, ist mit dem klassischen Studium besser bedient“, erklärt Sommer. „Denn hier erwarten die potenziellen Arbeitgeber eine tief greifende theoretische wissenschaftliche Ausbildung.“ Eher fürs klassische Studium sollten sich auch Abiturienten entscheiden, „die noch unsicher sind, in welchem Bereich sie später arbeiten möchten“, rät FHDW-Präsident Müller-Siebers. „Denn mit der Wahl des Unternehmens geht eine gewisse inhaltliche Spezialisierung einher.“

Wer sich für ein duales Studium entscheidet, sollte zudem „hoch motiviert, flexibel und belastbar sein“, erklärt Apel. Denn drei, vier oder gar fünf Monate Semesterferien haben die Studierenden dualer Studiengängen nicht. Sie haben in der Regel – wie die meisten Arbeitnehmer – nur sechs Wochen Urlaub pro Jahr. Die Studenten vieler dualer Studiengänge müssen zudem häufig ihre „Koffer packen“. Oliver Lehmann zieht zum Beispiel alle drei Monate um. Während der Studienphasen wohnt er in Villingen-Schwenningen, während der Praxisphasen dort, wo er gerade sein Praktikum im Außendienst der Bausparkasse Schwäbisch Hall absolviert.

Nicht jeder Abiturient macht das mit. Deshalb prüfen die Unternehmen bei der Auswahl ihrer Studenten auch: Wie leistungsbereit ist ein Bewerber? Warum möchte er ein duales Studium beginnen? Neben den „Schulnoten“ muss die Persönlichkeit des Bewerbers überzeugen.

Große Auswahl an Studienangeboten

Doch welche dualen Studiengänge werden überhaupt angeboten? Die Auswahl ist in Deutschland mittlerweile riesengroß. Zählt man alle Fachrichtungen und Spezialisierungen zusammen, dann können Abiturienten nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Köln, zwischen 660 Angeboten wählen – finanziert von über 24.000 Unternehmen. Im Internetportal „ausbildungplus.de“ sind die Angebote aufgelistet. Ihr Schwerpunkt liegt in den Bereichen Wirtschaftswissenschaften, Informatik und Ingenieurwesen. Aber auch einige sozial- und verwaltungswissenschaftliche Studiengänge gibt es.

Generell wird bei den Studiengängen zwischen „Studiengängen mit integrierten Praxisphasen“ und „ausbildungsintegrierten Studiengängen“ unterschieden. Bei letzteren erwerben die Studierenden neben dem akademischen Abschluss auch einen (IHK-)Berufsabschluss. So zum Beispiel bei den Bachelor-Studiengängen der FHDW.

Angeboten werden die dualen Studiengänge zumeist an Berufs- und Wirtschaftsakademien sowie Fachhochschulen. Aber auch einige Dutzend Universitäten bieten solche Studiengänge an. Insgesamt verliert die Tatsache, wo studiert wird, jedoch zunehmend an Bedeutung. Der Grund: Bis 2010 müssen alle Studiengänge auf die inter-national anerkannten Abschlüsse Bachelor und Master umgestellt sein – bei den meisten Hochschulen ist dies bereits erfolgt. Dann kann, wer einen Bachelor-Abschluss hat, sofern gewünscht, ein Master-Studium an jeder Universität beginnen. „Zumindest in der Theorie“, bremst Müller-Siebers. „Denn die Plätze vieler Masterstudiengänge sind begrenzt, und die Hochschulen können selbst Aufnahmekriterien definieren.“

Die Vereinheitlichung der Abschlüsse kommt den Unternehmen entgegen. Sie haben ihr Angebot an dualen Studienplätzen stark ausgebaut. Entsprechend stieg die Zahl der „dualen“ Studenten. Sie hat sich laut IW-Schätzungen in den vergangenen zehn Jahren um 70 Prozent auf 43.000 erhöht. „Teilweise übersteigt das Studienplatzangebot bereits die Nachfrage“, berichtet Professor Müller-Siebers von der FHDW. Das heißt: Die Unternehmen und die Hochschulen, mit denen sie kooperieren, müssen sich mehr anstrengen, ausreichend „qualifizierte Bewerber“ zu finden. Trotzdem erachten immer mehr Betriebe duale Studienangebote als eine lohnende Investition – um sicherzustellen, dass sie auch künftig das Fach- und Führungspersonal mit der benötigten Qualifikation haben.

ZUM AUTOR
Über Die PRofilBerater GmbH
Die PRofilBerater GmbH
Eichbergstr. 1
64285 Darmstadt

+49-6151-896590
WEITERE ARTIKEL DIESES AUTORS
ANDERE ARTIKEL AUS DIESEM RESSORT
SUCHE
Volltextsuche





Profisuche
Anzeige
PRESSEFORUM MITTELSTAND
Pressedienst
LETZTE UNTERNEHMENSMELDUNGEN
Anzeige
BRANCHENVERZEICHNIS
Branchenverzeichnis
Kostenlose Corporate Showrooms inklusive Pressefach
Kostenloser Online-Dienst mit hochwertigen Corporate Showrooms (Microsites) - jetzt recherchieren und eintragen! Weitere Infos/kostenlos eintragen
EINTRÄGE
PR-DIENSTLEISTERVERZEICHNIS
PR-Dienstleisterverzeichnis
Kostenlos als PR-Agentur/-Dienstleister eintragen
Kostenfreies Verzeichnis für PR-Agenturen und sonstige PR-Dienstleister mit umfangreichen Microsites (inkl. Kunden-Pressefächern). zum PR-Dienstleisterverzeichnis
BUSINESS-SERVICES
© novo per motio KG