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Kolumne
Hamsterrad, 03.09.2009
Weiterbildung übertage
Kohle, Kumpel, Krankenpfleger
Früher waren es in der Saargrube noch Schaufel und Spitzhacke, mit denen Bergleute in rund 1700 Metern Tiefe Steinkohle abbauten. Die Schächte dort sind noch immer dunkel und staubig, das Klima gleicht einem Dampfbad. Vom Flöz-Vortrieb über das Fließband bis zum Förderkorb ist das ein Knochenjob. Mit Kreativität und jeder Menge Mut haben sich die Kumpel gegen den Kohleaustieg an der Saar gerüstet. Vom Aufgeben an Tiefpunkten und Chancen-Finden übertage...
Spritze und Blutdruckmesser sind seine wichtigsten Werkzeuge. Der Bergmann hat seine Kluft gegen einen Kittel eingetauscht. Auch, weil er Menschen helfen wollte. Sein früherer Beruf steht ihm nicht im Wege: “Auch grobe Hände können pflegen und zupacken”, sagt der ehemalige Grubenarbeiter über seinen neuen Job. Die Kohle wird dem Staat zu teuer. Heute arbeitet er am Klinikum Saarbrücken als Krankenpfleger. Um den Verlust seines alten Arbeitsplatzes braucht sich der umgeschulte Mann, Ende Dreißig, heute keine Sorgen mehr machen. Gerade den Patienten tut er mit seinem neuen Job etwas Gutes. Er ist einer von rund hundert Bergmännern, die ihre schwarze Schutzkleidung untertage gegen weiße Klamotten in klimatisierten Klinikräumen eingetauscht haben. Dabei ist der Bergmann mit der Steinkohle praktisch großgeworden.

Bereits sein Vater arbeitete untertage. Mit den Bergbau-Kindern hat er damals Fußball gespielt. “Da lag die Grube nahe”, nennt er als Grund für seine Berufswahl. Er arbeitet nun seit 13 Jahren auf dem Winterberg in Saarbrücken als Krankenpfleger. So lange wie er auch im Schacht gearbeitet hat: “Ich habe geschippt und malocht, aber nach acht Stunden Schicht reichte mir das nicht mehr aus”, sagt der ehemalige Bergmann. Die Patienten sind mit den umgeschulten Krankenpflegern zufrieden: “Bei denen merkt man, dass sie voll in ihrem Beruf sind – statt rumzustehen”, sagt eine Patientin auf der Inneren Station.  

Die Karriere nach der Grube kann auch anders verlaufen. So war es bei Bernhard Hoffmann. Er verzichtete angesichts der Kohlekrise auf eine Umschulung und machte nach der Grube eine Karriere bei Saarstahl. Vom einfachen Mechaniker avancierte er in der Grube zum Ingenieur, bei einem Kunstoffhersteller mit viel Fleiß zum Bereichsleiter. Nach einem Auslandsaufenthalt arbeitet der Mitte 40-jährige nun als technischer Leiter bei einem Großkonzern im Saarland: “Man muss einfach seinen Hosenboden hochkriegen, dann packt man das”, sagt der ehemalige Bergmann über das Finden von Chancen, Mut und Achtsamkeit.  Sein Bruder arbeitet noch heute als Steiger in der Grube. Nach dem beschlossenen Kohleausstieg macht er sich als Heilpraktiker selbständig. Die Ausbildung dafür hat er berufsbegleitend schon in der Tasche: „Mann muss kreativ sein, auch untertage“, sagt er. Seine Affinität für Bodenschätze wird er nicht verlieren: Nebenbei arbeitet er hobbymäßig als Goldschmied.

Neue Jobs statt Arbeitslosigkeit fordern Kreativität. Gerade bei den Arbeitgebern. Umgeschult wurde auch in die Berufe Chemielaborant, Fachinformatiker oder Konstrukteur für die Automobilzulieferer. Dazu kamen Logistik-Fachkräfte, Personalkaufleute und IT-Spezialisten. “Wir haben mit viel Phantasie getan, was möglich ist, damit kein Betroffener ins Bergfreie fällt”, sagt Arbeitsvermittler Theo Bilsdorfer bei der Deutschen Steinkohle. Vom kleinen Zerspahnungsbetrieb bis zum internationalen Großkonzern in der Region Saarbrücken. Jenseits von großer Politik und dem Management der Mächtigen wünsche ich Ihnen aber dieses hier: dass Sie sich in ähnlichen Krisen genauso getragen fühlen. Sie diese schließlich meistern können. Not macht bekanntlich erfinderisch. Das Mittel dafür heißt Mut. Und der schafft neue Kreativität. Die können wir in der Krise alle brauchen.
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Über Jan Thomas Otte
Ob die einfache Putzfrau mit drei bis vier Nebenjobs, der Kleinunternehmer im Großstadt-Dschungel oder Banker an der Wall Street. Jan Thomas Otte begleitet Menschen in der Wirtschaft. Und das auf vielen Ebenen. Mit Reportagen vor Ort gelingt dem Journalisten ... mehr
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