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Fachartikel, 30.10.2006
Online-Handel
Wie wichtig ist die Bewertung bei eBay tatsächlich?
Das Bewertungsprofil – von Power-Sellern bei eBay wird es als eine entscheidende Quelle des wirtschaftlichen Erfolgs betrachtet. Doch wie wichtig ist die Bewertung bei eBay für den Online-Handel tatsächlich?
Wie intensiv die mittlerweile 12.000 professionellen Händler auf dem deutschen Ableger der Auktionsplattform über ihre gute Bewertung wachen, machen Gerichtsverfahren deutlich, die mit konstanter Regelmäßigkeit ein großes Medienecho entfalten. Bei diesen Verfahren versuchen Verkäufer üblicherweise, die Löschung (zuweilen vermeintlich) falscher Bewertungen von Kunden oder negativer Bewertungen von als Kunden getarnten Konkurrenten zu erwirken. Verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass einzig die Bewertung dem Kunden einen Maßstab für die Seriosität des Anbieters auf dem deutschen Online-Auktionsmarkt mit seinem Jahresumsatz von mehr als 8,5 Milliarden US-Dollar bietet.

Dass die Bewertung eine Bedeutung für die Kaufentscheidung hat, wird durch die Ergebnisse eines Experiments mit Studenten aus München und Ilmenau veranschaulicht. Doch ist Seriosität und ihr konkreter Einfluss auf den erzielbaren Verkaufspreis nur schwer messbar und oft kaum von den übrigen Einflussfaktoren der Kaufentscheidung zu trennen.

Hier ergibt sich eine Win-Win-Situation zwischen der Wissenschaft, für die Internetplattformen wie eBay oder Amazon ideale Bedingungen für "Feldversuche" bietet und die Bieter, die deren Ergebnisse zur Optimierung ihres wirtschaftlichen Handelns nutzen können. Für wissenschaftliche Studien bietet der Online-Auktionshandel den Vorteil, dass sich Anbieter und Kunde in der Regel nicht kennen und nur über eine standardisierte Eingabemaske ihre Entscheidung treffen. Wenn man sich weiterhin bei der Betrachtung auf Massenware beschränkt, bei der es zwischen den einzelnen Artikeln keine qualitativen Unterschiede gibt, ergibt sich eine Situation, in der man sich unter Ausschluss der meisten anderen Einflussfaktoren einzig auf die Bedeutung der Bewertung konzentrieren kann.

Schlüsse aus der Betrachtung von Neu-DVDs

Dabei dürften die Ergebnisse einer neuen Studie zu diesem Thema gerade bei Power-Sellern auf großes Interesse stoßen. In dieser im Mai 2006 veröffentlichten Studie wurden 313 Auktionen mit Neu-DVDs unter ebay.de zwischen November und Dezember 2005 untersucht. In der Studie wurde ein messbarer Zusammenhang zwischen dem prozentualen Anteil der negativen an allen Bewertungen und dem erzielten Verkaufspreis festgestellt. Oliver Gürtler und Christian Grund, Wissenschaftler der Universität Bonn und der RWTH Aachen, prüften dabei die unterschiedlichen Bewertungsansätze, die auf ebay.de zu Verfügung stehen, insbesondere die absolute Anzahl negativer Bewertungen sowie ihr prozentualer Anteil.

Betrachtet wurden Neu-DVDs von den sechs populären Neuerscheinungen Star Wars, Madagaskar, Fantastic Four, War of the Worlds, Kingdom of Heaven und Batman begins. Die Wahl von Neu-DVDs sicherte die oben beschriebene Gleichwertigkeit der Ware. Durch die Betrachtung unterschiedlicher Filmtitel wollte man den Einfluss von „Filmeffekten” auf die Untersuchung weitestgehend verringern.

Die Verkäufer der betrachteten Auktionen hatten in ihrer negativen Bewertung eine Spannweite von 0 bis 6,7 Prozent, wobei die Wissenschaftler dies als ein gutes Abbild der tatsächlichen Spannweite von Bewertungsprofilen bei eBay ansehen. Bei höheren prozentualen Anteilen gehen sie davon aus, dass die Verkäufer eine neue Identität bei eBay anlegen. Somit wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass Bewertungen bei eBay in aller Regel positiv ausfallen. Nur bei massiver Vertragsverletzung wie ausbleibender Lieferung oder starker Abweichung der gelieferten Ware von der Beschreibung wird die Möglichkeit einer negativen Bewertung genutzt. Deshalb reichen schon wenige negative Bewertungen, um eBay-Käufer misstrauisch zu machen.

Ein weiterer Erklärungsansatz für den (zu) hohen Anteil positiver Bewertungen wird nach einer Studie von Resnick und Zeckhäuser aus dem Jahr 2002 in der Möglichkeit zur Rachebewertung gesehen. Es wurde nämlich beobachtet, dass Käufer in doppelt so vielen Fällen wie Verkäufer als erste eine Bewertung hinterlassen. Somit warten Verkäufer meist mit der Käufer-Bewertung ab - auch wenn sie schon Geld erhalten und die Ware versendet haben - um auf mögliche schlechte Bewertungen entsprechend reagieren zu können. Dies schafft naturgemäß einen Anreiz für die Käufer, eine positive Bewertung - oder keine - abzugeben.

Als Ergebnis der Arbeit von Grund und Gürtler wurde ein starker Zusammenhang zwischen dem Anteil negativer Bewertungen und dem Verkaufspreis festgestellt. So konnte bei einem durchschnittlichen Verkaufspreis von zwölf Euro je DVD ein Anbieter mit nur einem Prozent negativer Bewertung einen um 60 Cent höheren Verkaufspreis erzielen als ein Anbieter mit zwei Prozent negativer Bewertung.

Die absolute Anzahl negativer Bewertungen hatte wiederum keinen erkennbaren Einfluss auf das Auktionsergebnis. Dies wiederspricht zwar früheren Studienergebnissen, wird aber mit dem relativ geringen Durchschnittspreis der DVDs im Vergleich zu den früher untersuchten Waren (bspw. PRS-Gitarren, Pentium-Prozessoren) erklärt.

Weitere Einflussfaktoren des Verkaufspreises

Durch die Betrachtung weiterer Einflussfaktoren des Verkaufspreises konnte die Studie zusätzlich feststellen, dass der Bieter das Porto bei der Setzung seines Höchstgebotes nicht so in sein Gesamtkalkül einbezieht, wie man es von rationalen Konsumenten erwarten würde. Das Durchschnittsporto lag in den betrachteten Auktionen bei 2,53 Euro. Bei einer Erhöhung um einen Euro verringerte sich der erzielte Verkaufspreis im Durchschnitt nur um fünf Prozent, oder 60 Cent je DVD. Dies legt die Vermutung nahe, dass der Bieter sich mehr auf das Gewinnen der Auktion als auf den Preis des Gesamtbündels (bestehend aus Verkaufspreis und Porto) konzentriert. Ferner konnte die Studie weder einen Zusammenhang zwischen der Höhe des Verkaufspreises und der Tages- und Wochenzeit oder der Auktionslänge feststellen. Damit kann sie die landläufige Meinung wiederlegen, dass Auktionen, die am Wochenende oder am Abend enden, (immer noch) höhere Verkaufspreise erzielen.

Zusammenfassend stellen Grund und Gürtler in ihrer Studie fest, dass die Käufer von Online-Auktionen sich in ihrer Risikoabwägung von der Bewertung des Verkäufers leiten lassen. Dabei betrachten sie jedoch weder die absolute Anzahl negativer Bewertungen noch speziell die Bewertungen der letzten zwölf Monate, sondern konzentrierten sich insbesondere auf den prozentualen Anteil negativer Bewertung am Gesamtprofil.

Schlüsse aus der Betrachtung von Privat-Auktionen

Da diese Ergebnisse zum Teil von denen anderer Studien abweichen, lohnt sich deren Betrachtung, um weitere Erkenntnisse zu gewinnen. So spielt gerade der oben negierte Einfluss der absoluten Anzahl negativer Bewertungen den entscheidenden Einfluss in einer Studie, die Daniel Houser und John Wooders im Jahr 2000 durchgeführt haben. Als Grundlage wurden 94 Privat-Auktionen mit Pentium-Prozessoren betrachtet, die auf www.ebay.com durchgeführt wurden. Der durchschnittliche Verkaufspreis je Prozessor lag mit 244 US-Dollar erheblich über dem Durchschnittspreis der von Grund und Gürtler betrachten DVDs. Da es sich um Privatanbieter handelte, unterschieden sich auch die Bewertungsprofile erheblich von denen der obigen Studie. Knapp ein Drittel der Verkäufer hatte keine Bewertungen oder nur (wenige) positive. Die durchschnittliche Anzahl negativer Bewertungen lag bei 0,55, während es Verkäufer bei Grund und Gürtler auf durchschnittlich 5,73 negativer Bewertungen brachten. Unter diesen Vorraussetzungen konnten Houser und Wooders einen Einfluss der absoluten Anzahl der Bewertungen auf den Verkaufspreis feststellen, wobei negative Bewertungen einen stärkeren Einfluss hatten als positive. Die Relation von negativen zu positiven Bewertungen spielte wiederum keine Rolle. Ähnlich zur Studie von Grund und Gürtler stellte sie keinen besonderen Zusammenhang zwischen Länge der Auktion und Höhe des Verkaufspreises fest.

Studienergebnisse zu Waren mit Qualitätsunterschieden

Um weitere Erkenntnisse zu Auktionen mit eher teuren Waren zu gewinnen, lohnt eine Betrachtung der Studienergebnisse von Melnik und Alm aus dem Jahr 2002. Sie untersuchten auf dem US-amerikanischem Markt begehrte Sammelmünzen unter ebay.com. Hervorzuheben an dieser Studie ist, dass sie nicht auf vollständig gleichwertige Güter beschränkt ist, sondern ihre Betrachtung auch auf Güter mit Qualitätsunterschieden ausweitet. Die Wissenschaftler betrachteten dazu zwei Kategorien, unter die eine Sammelmünze auf dem US-Markt fallen kann. In die ersten fielen "zertifizierte" Münzen, die vor dem Handel mit einer Einstufung einer etablierten Organisation versehen und eingeschweißt werden. Diese Münzen sind durch ihre allgemein etablierte Einstufung als gleichwertige Waren anzusehen, da ihr Sammlerpreis anhand dieser Einstufung den Händlern bekannt ist. Dabei drückt sich die Akzeptanz der Zertifizierung vor allem in dem deutlich höheren Durchschnittspreis von 327,50 Dollar bei Auktionsende aus, der deutlich über dem für nicht-zertifizierte Münzen lag (Durchschnittspreis bei Auktionsende: 58,08 US-Dollar). Die zweite Kategorie bestand aus den bereits erwähnten nicht-zertifizierten Münzen, bei den nur die Artikelbeschreibung des Verkäufers einen Anhaltspunkt für den Zustand der Ware gibt und meist mit eher subjektiven Qualitätsurteilen versehen war wie "beinah neuwertig". Bei den Verkäufern handelte es sich meist um professionelle Anbieter mit durchschnittlichen 1.900 Bewertungen und davon 7,4 negativen. Als Ergebnis konnte bei zertifizierten Münzen nur ein sehr schwacher Zusammenhang zwischen dem Bewertungsprofil und dem erzielten Verkaufspreis beobachtet werden. Durch die unabhängige Begutachtung der Ware waren Qualität und Wert der Ware dem Käufer bekannt. Bei nicht-zertifizierten Münzen hingegen konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen Bewertung und Verkaufserlös festgestellt werden, der umso stärker wurde, je weniger Informationen der Verkäufer insbesondere in Form von Fotos der Münzen zur Verfügung stellte. Hier musste der Käufer einen besonders hohen Vertrauensvorschuss gegenüber der Korrektheit der Verkäufer-Angaben und seiner Seriosität erbringen. Weiterhin hatte das Angebot, zwischen mehreren Möglichkeiten der Bezahlung zu wählen, einen positiven Einfluss auf die Höhe des Verkaufspreises. Neben dem Vorteil für den Käufer, dass sich möglicherweise die Transaktionskosten verringern, steht diese Option für die Professionalität des Anbieters und ihr kam eine ähnliche Funktion wie der Bewertung zu. Generell konnte beim Vergleich beider Datensätze die Aussage getroffen werden, dass etablierte Anbieter (mit mehr als 1.800 Bewertungen im Beispiel) einen um 25,5 Prozent höheren Preis erzielen konnten als Neueinsteiger ohne Bewertungen.

Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen für Händler

Alle betrachteten Studien haben gemeinsam, dass sie einen Zusammenhang zwischen guter Bewertung und der Zahlungsbereitschaft des Kunden bestätigen, doch gerade die unterschiedliche Herangehensweise an dieses Thema erschließt Ergebnisse, aus denen sich Handlungsempfehlungen für Händler formulieren lassen: Bei Großanbietern von Massenware wird eher auf die Tendenz im Bewertungsprofil geachtet, die sich im prozentuellen Anteil der negativen Bewertungen misst, und weniger auf die Anzahl der Bewertungen. Ob eine negative Bewertung mehr oder weniger vorliegt, ist insofern nicht entscheidend - wenn sie sich jedoch auf den Prozentanteil auswirkt, kommt ihr eine wirtschaftliche Bedeutung zu. Bei kleineren Anbietern und vor allem bei hochwertigen Waren fällt die Anzahl der Bewertungen viel stärker ins Gewicht. Wenn eher wenige Bewertungen zur Verfügung stehen, haben negative Bewertungen einen tendenziell höheren Einfluss auf die Kaufbereitschaft der Kunden.

Umgekehrt lassen sich aus den Ergebnissen Empfehlungen für Händler formulieren, die noch kein oder ein Bewertungsprofil mit nur wenigen Einträgen haben, um so negative Effekte zu vermeiden. Je detaillierter die Beschreibung des Artikels ist und je mehr der Verkäufer dem potenziellen Kunden die Möglichkeit bietet, sich anhand von Artikel-Fotos selbst einen Eindruck von Wert und Qualität zu bilden, desto weniger fällt die Bewertung ins Gewicht. Auch das Angebot unterschiedlicher Zahlungsmöglichkeiten kann eine niedrige Zahl von Bewertungen zum Teil ausgleichen, da dieses Angebot eher bei großen Anbietern erwartet wird und so Professionalität des Anbieters suggeriert.

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Quellen
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Grund, C./Gürtler, O.: The Effect of Reputation on Selling Prices in Auctions, Discussion Paper Nr. 114 des Sonderforschungsbereich Transregio 15 der Universität Mannheim, 2006.

Hellwig, K./Kornberger, R.: Vertrauen bei Online-Auktionen – Eine experimentelle Studie zu eBay-Bewertungsprofilen, Projektarbeit TU Ilmenau, 2003.

Houser, D./Wooders, J.: Reputation in Auctions: Theory, and Evidence from eBay, in: Journal of Economics & Management Strategy, Ausgabe 15-2 (2006), S. 353-369.

McDonald, C.G/Slawson, V.C. Jr.: Reputation in an Internet Auction Market, in: Economic Inquiry, Ausgabe 40 (2002), S. 633-650.

Melnik, M.I./Alm, J.: Does a Seller\'s Ecommerce Reputation Matter? Evidence from eBay Auctions, in: The Journal of Industrial Economics, Ausgabe 50 (2002), S. 337-349.

o. V.: Die Akte eBay - aktuelle Entwicklungen der Rechtsprechung zum beliebtesten deutschen Onlineauktionshaus, 04.08.2006, unter: www.aufrecht.de, Zugriff am 10.08.06.

Resnick, P./Zeckhäuser, R.: Trust Among Strangers in Internet Transaction: Empirical Analysis of EBAY\'s Reputation System, in: The Economics of the Internet and E-Commerce, Ausgabe 11 (2001), S. 127-157.
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