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Fachartikel, 23.04.2008
Beschwerdemanagement
Bei Reklamationen den Kunden begeistern
Obschon Reklamationen für Unternehmen sowohl im Hinblick auf die Kundenbeziehung als auch die kontinuierliche Verbesserung von Produkten und Prozessen vielfältige Chancen bieten, werden Beschwerden von vielen als Ärgernis betrachtet und dementsprechend auch behandelt. Die Quittung hierfür folgt meist auf den Fuß: Der Kunde wandert ab! Dabei müsste jedem Unternehmen gerade im Reklamationsfall mehr denn je daran gelegen sein, den Kunden nicht noch weiter zu verärgern, sondern vielmehr zu begeistern.
Fast jeder Kunde hat mit dem Thema „Reklamationen“ schon solche oder ähnliche Erfahrungen gemacht: Von manchen Unternehmen werden Reklamationen praktisch ignoriert, bei anderen wiederum muss man sich vom einen Ansprechpartner zum anderen hindurchfragen und -telefonieren, bis man endlich den richtigen gefunden hat, und man muss immer damit rechnen, dass man im Zweifelsfalle angemeckert wird und die Beschwerde ergebnislos im Sand verläuft. So wägen unzufriedene Kunden denn auch genauestens die Vor- und Nachteile einer Beschwerde ab und reklamieren nur dann, wenn sich der damit verbundene Aufwand für sie lohnen könnte. Daher beschweren sich auch nur vier Prozent aller Kunden, während 96 Prozent der Kunden stumm bleiben, ihre Konsequenzen ziehen und zum überwiegenden Teil dem betreffenden Unternehmen für alle Zeit den Rücken kehren.

„Wenn sich ein Kunde beschwert, wissen Sie, dass er unzufrieden ist. Hören Sie gut zu. Wenn ein Kunde von Ihrem Service begeistert ist und das ausdrückt, dann hören Sie ihm auch zu. Wenn ein Kunde aber schweigt oder höflich lächelnd okay sagt, dann müssen Sie wirklich die Ohren spitzen. Irgendetwas ist nicht in Ordnung, und zumindest dieser Kunde gehört nicht zu Ihren begeisterten Fans.“, berichtet auch Kenneth Blanchard. Beschwerden zu vermeiden oder unter den Teppich kehren zu wollen, ist illusorisch, denn selbst wenn die Kundenzufriedenheit insgesamt hoch ist, kann es vorkommen, dass dies in Einzelfällen anders ist. Kunden müssen sich beschweren können. Mit einem kleinen, aber ausdrücklichen Hinweis, dass jede Reklamation bearbeitet wird, gibt ein Unternehmen den Kunden zu verstehen, dass es deren Wünsche ernst nimmt.

Flucht oder Kampf?

Eine unprofessionelle Abwicklung kann oft schlimmer sein als der Fehler, der zur Reklamation geführt hat. Von daher ist neben der fachlichen Kompetenz der geschickte Umgang mit den reklamierenden Kunden essenziell. Mitarbeiter müssen in diesem Moment schlagfertig sein – ohne natürlich den Kunden zu verletzen. Fallen einem die richtigen Worte erst 20 Minuten nach der Beschwerde des Kunden ein, ist die Chance vertan, diesen durch ein professionelles Vorgehen zu begeistern. Doch Reklamationen sind für viele Mitarbeiter ungewohnt und noch dazu oft mit persönlichen Angriffen verbunden. Ohne entsprechende Übend führt dies automatisch zu Denkblockaden. Die logische Konsequenz lautet Kampf oder Flucht – beides keine Erfolg versprechenden Strategien in einer solchen Situation. Theoretisch wissen viele Mitarbeiter, wie sie sich bei Reklamationen verhalten müssten, doch ohne regelmäßiges Training kann dieses Wissen nicht umgesetzt werden. Nur durch Übung erhält der Mitarbeiter die notwendige Sicherheit, im positiven Sinne schlagfertig mit verärgerten Kunden umzugehen und diese zu begeistern. Wichtig ist dabei, dass Mitarbeiter eine Reklamation niemals persönlich nehmen, auch wenn ein Kunde aggressiv und emotional auftritt. Oft klafft eine Lücke in der Wahrnehmung, wenn Erwartungen tatsächlich oder scheinbar nicht erfüllt wurden. Daher sollten zuerst die Fakten geklärt werden:

  • War das Angebot vielleicht nicht eindeutig formuliert?
  • Hat der Kunde das Angebot nicht aufmerksam genug gelesen?
  • Wurde dem Kunden möglicherweise zu viel versprochen?

Der Empfänger der Reklamation sollte Verantwortung übernehmen, auch wenn er nicht der Verursacher war. Er repräsentiert für den Beschwerdeführer das Unternehmen und sollte sich sofort um die Erledigung kümmern. Hilfreich ist, wenn dafür im Unternehmen ein roter Faden für Reklamationsgespräche erarbeitet wird.

Vom Ärgernis zur Chance

Statt als Ärgernis, dem man möglichst wenig Aufmerksamkeit schenkt, sollten Reklamationen als Chance zum Aufbau und zur Festigung einer langfristigen Kundentreue gesehen werden - und zudem als Möglichkeit genutzt werden, um Produkte/Dienstleistungen ebenso wie die eigenen Prozesse immer weiter zu verbessern. Wird neben der Behebung der sachlichen Mängel dem Kunden vor allem auf der emotionalen Ebene gezeigt, dass man sein Anliegen ernst nimmt und ihn wertschätzt, so können aus unzufriedenen sogar leicht begeisterte Kunden werden.

Herkömmliche (Standard-)Reklamationen können kundenorientiert meist positiv beendet werden; schwieriger sind jedoch Spezialfälle, die an den Nerven der Mitarbeiter zerren, weil sie zwischen den Bedürfnissen des Kunden und des Unternehmens aufgerieben werden. Gerade in solchen Fällen ist es wichtig, dass Vorgesetzte ihren Mitarbeitern den Rücken stärken, wenn zum Beispiel ein Dauernörgler oder Querulant auftaucht, der auf überzogenen Forderungen besteht und nicht zufrieden gestellt werden kann. Manchmal kann es durchaus angebracht sein, sich zugunsten motivierter Mitarbeiter auch einmal von einem solchen Kunden zu trennen, wie folgendes Beispiel zeigt:

Die Kundin einer Fleischerei reklamiert regelmäßig den teuren Rinderbraten, und zwar bevorzugt vor Publikum, wenn gerade viele Kunden im Laden sind. Die Mitarbeiterinnen sind mittlerweile frustriert und wollen nicht mehr nach der hausinternen Reklamationsregel immer wieder nach und somit der Kundin Recht geben. Auch die Chefin ist der Ansicht, dass es so nicht weitergehen kann. Der Fall wird im Team besprochen und schließlich entscheidet die Chefin nach Abwägen verschiedener Möglichkeiten: Sie will sich und das Team schützen und auf diese Kundin in Zukunft verzichten. Eine so tief greifende Entscheidung wie diese ist immer Chefsache. Zusammen werden im Team Strategien für den Umgang mit Reklamationen erarbeitet und Gesprächsabläufe trainiert. Als die Kundin das nächste Mal wieder Forderungen stellt, wird die Chefin gerufen. Obwohl die Kundin wieder mit einem vorgeschobenen Grund reklamiert, erhält sie ein Ersatzstück. Aber diesmal überrascht die Chefin die Kundin mit den Worten: „Frau Bruns, ich bringe Ihnen die Ware heute einmal persönlich.“ Sie begleitet die Kundin aus dem Geschäft zum Auto und erklärt ihr: „Frau Bruns, wir haben gemerkt, dass wir Ihnen nicht die Ware bieten können, die Sie haben möchten. Das ist für Sie ärgerlich und für uns. Da wir nicht zusammenpassen, haben wir uns überlegt, dass Sie heute das letzte Mal bei uns eingekauft haben. Unser Kollege Wühlscheid ist vielleicht in diesem Punkt besser. Deswegen meine deutliche Bitte an Sie: Kaufen Sie nicht mehr bei uns ein.“ Die Chefin übergibt der Kundin die Einkaufstasche mit den Worten „Danke für Ihr Verständnis“ und geht. Dieses Vorgehen erforderte Mut, war aber nach Ansicht aller im Unternehmen die einzig vernünftige Möglichkeit, mit der Situation umzugehen.

1000mal reklamiert, 1000mal ist nichts passiert!

Aufmerksamkeit und Wertschätzung sind elementare Bedürfnisse des Menschen. Aber nicht nur auf Kundenseite, denn oft verstößt ein großzügiges Reklamationsverhalten „Wir tauschen alles um“ gegen das Werteverständnis der Mitarbeiter. Diese denken vielleicht „Ich muss für jeden Euro hart arbeiten und bekomme schließlich auch nichts geschenkt!“ und verstehen in diesem Moment nicht, warum der Kunde immer Recht bekommt: Umtausch, Geld zurück, neue Ware u. a. – und das manchmal auch, wenn der Fall offensichtlich ganz anders liegt als geschildert. Werte wie Gerechtigkeit, Vertrauen, Gemeinschaft etc. bleiben unbe- bzw. geachtet. Der Mitarbeiter hat das Gefühl „Der Kunde ist immer König und ich bin der Depp!“ Unter diesen Gesichtspunkten wird er die Reklamation zwar nach Vorschrift bearbeiten, aber nicht mit dem Herzen dabei sein. Fazit: Werden im Rahmen von Reklamationstrainings keine Rituale der Wertschätzung behandelt, ist die Nachhaltigkeit meist gering. Es geht nicht nur um die richtigen Techniken, sondern auch oder gerade darum, Blockaden abzubauen. Ansonsten führt es vielleicht sogar soweit, dass der Mitarbeiter aufgrund einer Antwort „Der Kunde hat immer Recht“ das Wertesystem des Unternehmens – Unternehmensvision, -mission, -philosophie - in Frage stellt… Und dies ist äußerst kontraproduktiv.

Aufmerksamkeit und Wertschätzung sind also elementare Bedürfnisse, die auf beiden Seiten beachtet werden müssen. Dann bearbeiten Mitarbeiter Reklamationen mit Herz und Verstand und Kunden kommen gerne wieder, und das sogar dann, wenn es mit einer Leistung einmal nicht optimal geklappt hat. Die Gründe sind überall die gleichen:

  • 57 Prozent der Kunden beschweren sich über Produktmängel.
  • Mit dem Serviceverhalten der Mitarbeiter sind 16 Prozent nicht zufrieden.
  • 15 Prozent reklamieren Mängel bei der Lieferung oder Montage.
  • Preis oder Rechnung sind in 8 Prozent der Fälle Grund der Beanstandung.

Diese Gründe liegen auf der Sachebene, doch daneben gibt es die Beziehungsebene, die bei jeder Reklamation mindestens eine genauso wichtige Rolle spielt. Die Beziehungsebene betrifft die negativen Gefühle, die der Kunde während des Prozesses erlebt hat. Er fühlt sich zum Beispiel missachtet, ignoriert, arrogant behandelt, über den Tisch gezogen oder mit seinem Anliegen nicht ernst genommen; darüber ist er verärgert oder wütend. Die schlechten Gefühle, die man ihm mitsamt der Ware „verkauft“ hat, wiegen in seinen Augen oft schwerer als die Mängel auf der sachlichen Ebene. Darum können Reklamationen auch auf der Beziehungsebene am leichtesten bearbeitet werden: Bringt man dem Kunden Anerkennung und Wertschätzung entgegen und signalisiert ihm damit, dass man ihm gegenüber grundsätzlich eine positive innere Einstellung hat, so ist dies der erste wichtige Schritt zur Wiedergutmachung; folgt dann noch die Beseitigung des sachlichen Mangels, so ist der Kunde nicht nur zufrieden, sondern wird in 54 bis 70 Prozent der Fälle sogar zum treuen Stammkunden, bei schneller Reaktion sogar in 95 Prozent der Fälle.

Viel zu viele Unternehmen glauben immer noch, dass Reklamationen Sache der Reklamationsabteilung sind. Auch wenn ein Unternehmen eine spezielle Abteilung für die Bearbeitung von Reklamationen hat, geht dieser sensible Bereich des Kundenkontaktes alle an, zum Beispiel auch den Verkauf und die Reparaturannahme. Muss ein fabrikneues Auto gleich zur Reparatur, sollte zum Beispiel auch der Werkstattleiter zu verstehen geben, dass er sich persönlich um das Problem kümmern wird. Wird dem Kunden dann noch vom Verkäufer ein attraktives Ersatzfahrzeug zur Verfügung gestellt, ist er – trotz des ursprünglichen Ärgers – hocherfreut. Die Chance, dass er auch weiterhin Kunde des Autohauses bleibt, steigt, weil sein Problem ganzheitlich von allen relevanten Stellen im Unternehmen behandelt wird und er sich gut aufgehoben fühlt.

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Über Ralf R. Strupat
STRUPAT.KundenBegeisterung!
Ralf R. Strupat „Mr. Kundenbegeisterung” begleitet mit seiner Full-Service-Agentur für Kundenbegeisterung Unternehmen aller Couleur auf dem Weg, schnell und dauerhaft eine neue Service-Kultur zu etablieren. Dabei sieht er die ...
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