VOLLTEXTSUCHE
Fachartikel, 07.08.2009
Unternehmenssteuereform
Negativ-Bilanz für Personenunternehmen
Die Unternehmenssteuerreform im vergangenen Jahr sollte den Standort Deutschland für Unternehmen und Investoren attraktiver zu machen. Das ist jedoch nur teilweise gelungen. Zwar hat die deutsche Wirtschaft mit der auf 31 Prozent gesunkenen Tarifbelastung von Kapitalgesellschaften im internationalen Wettbewerb Boden gutgemacht. Bei den Personenunternehmen fällt die Bilanz dafür umso schlechter aus.

Das Ziel war hochgesteckt – mit der zu Beginn des vergangenen Jahres in Kraft getretenen Reform der Unternehmensbesteuerung sollte die Attraktivität des Standorts Deutschland nachhaltig erhöht werden. Um dies zu erreichen, wollten die Finanzpolitiker die tarifliche Steuerbelastung der Gewinne von Kapitalgesellschaften – Aktiengesellschaften und GmbHs – auf unter 30 Prozent drücken. Die Unternehmen sollten also von je 1 Euro Gewinn künftig weniger als 30 Cent an Körperschafts- und Gewerbesteuer zahlen.

Ganz geglückt ist dieses Vorhaben nicht: Das Finanzministerium hatte in seinen Berechnungen einen durchschnittlichen Gewerbesteuerhebesatz von 400 Prozent angenommen. Tatsächlich aber liegt der Hebesatz in den wirtschaftlich bedeutenden Städten und Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern im Schnitt bei 432 Prozent. Damit müssen Kapitalgesellschaften auf ihre Gewinne laut Tarif unterm Strich 31 Prozent Steuern zahlen. Dennoch stehen sie im internationalen Wettbewerb inzwischen deutlich besser da als vor der Reform:

Deutsche Kapitalgesellschaften haben im Vergleich der wichtigsten Industrieländer inzwischen „nur“ noch die sechsthöchste tarifliche Steuerbelastung zu schultern – vor der Unternehmenssteuerreform lag Deutschland mit 39,5 Prozent an dritter Stelle der Hochsteuerländer.


Vor allem aber ist der Abstand zu den Ländern im breiten steuerlichen Mittelfeld – wo sich z.B. Spanien und Großbritannien finden – deutlich kleiner geworden.

Für die hierzulande ansässigen Personenunternehmen – zu ihnen zählen u.a. die offenen Handelsgesellschaften (oHG) sowie die Kommanditgesellschaften (KG) – fällt die Bilanz der Steuerreform dagegen weniger positiv aus. Dabei hatte sich der Gesetzgeber auf den ersten Blick richtig Mühe gegeben und den von Gesellschaftern geführten Firmen ein Bonbon namens „Thesaurierungsbegünstigung“ geschenkt. Demnach müssen Personenunternehmen seit 2008 jene Gewinne, die im Unternehmen verbleiben, nur noch mit einem ermäßigten Einkommenssteuersatz von 28,25 Prozent – zuzüglich Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer – versteuern.

Dies sollte die Steuerbelastung des eigentlichen Unternehmens – also nicht der Gesellschafter – ebenfalls auf 30 Prozent drücken. Doch zum einen hat der Staat auch hier die Gewerbesteuerhebesätze unrealistisch niedrig angesetzt. Vor allem aber ist der Begriff „einbehaltener Gewinn“ sehr eng ausgelegt. Denn um die Steuern auf diesen Gewinn bezahlen zu können, muss der Unternehmer in der Regel einen Teil der Erträge heranziehen. Dieser fällt dann aber nicht mehr unter die Thesaurierungsbegünstigung, sondern muss zum normalen Einkommenssteuersatz versteuert werden, d.h. zu maximal 45 Prozent plus Solidaritätszuschlag. Dadurch summiert sich die tarifliche Belastung letztlich auf 37,6 Prozent.

Um die Personenunternehmen tatsächlich wie die Kapitalgesellschaften auf Unternehmensebene nur mit 31 Prozent Gewinnsteuern zu belasten, müsste der ermäßigte Steuersatz für einbehaltene Gewinne auf 20,75 Prozent reduziert werden.

Betrachtet man auch die Besteuerung der Gesellschafter der Personenunternehmen, fällt das Urteil über die Neuregelung sogar noch ungünstiger aus. Denn die Chefs einer oHG oder KG leben ganz überwiegend von ihrem Unternehmensgewinn, müssen diesen also zumindest teilweise entnehmen. Dann wird die Thesaurierungsbegünstigung zum Nachteil – der Gesellschafter muss nicht nur die ermäßigte Einkommenssteuer von 28,25 Prozent zahlen, sondern für die Entnahme der bereits versteuerten Gewinne zusätzlich die im Zuge der Reform eingeführte Abgeltungssteuer von 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag.

Unterm Strich fallen so mehr als 49 Prozent Steuern an – und an diesem Gesamtsatz ist nicht zu rütteln. Wählt der Gesellschafter dagegen den früher einzig möglichen Weg der sogenannten transparenten Besteuerung, versteuert er also den gesamten Gewinn nach seinem persönlichen Einkommenssteuersatz, werden maximal 48,6 Prozent fällig. Ist der Gewinn in konjunkturell schlechten Zeiten niedrig, muss der Unternehmer deutlich weniger blechen.

Die Abgeltungssteuer hat darüber hinaus noch eine unerwünschte Nebenwirkung: Sie erhöht den steuerlichen Anreiz, betriebliche Investitionen mit Fremdkapital zu finanzieren, anstatt dass sie die Unternehmen dazu bewegt, ihre Eigenkapitalbasis zu stärken. Dabei wird Letzteres von Wirtschaftsexperten nicht erst seit dem Ausbruch der aktuellen Finanz- und Konjunkturkrise angemahnt. Diese Fehlsteuerung der Reform rührt daher, dass der Fiskus seit der Einführung der Abgeltungssteuer von allen Kapitalerträgen – wie Zinsen, Dividenden oder entnommenen Gewinnen von Personenunternehmen – einheitlich 25 Prozent Steuern kassiert. Es ist deshalb inzwischen für ein Unternehmen günstiger, für eine Investition einen Kredit aufzunehmen, die Zinsen hierfür als Aufwand vom Betriebsergebnis abzuziehen und die Zinserträge mit der Abgeltungssteuer zu versteuern.

Dies lässt sich auch aus dem Vergleich der effektiven Durchschnittssteuersätze entnehmen, die die steuerliche Belastung einer profitablen Investition abbilden. Dabei werden die Gewinnermittlungsvorschriften bei den verschiedenen Finanzierungsformen berücksichtigt:

Finanziert das Personenunternehmen seine Investitionsvorhaben aus eigener Tasche, muss es – selbst wenn es die günstigere transparente Besteuerung wählt – inzwischen effektiv 36,6 Prozent Steuern zahlen, 9 Prozentpunkte mehr als vor der Reform. Eine kreditfinanzierte Lösung ist dagegen dank der Abgeltungssteuer nur gut 4 Punkte „teurer“ geworden.

Die entsprechenden beispielhaften Zahlen für eine Kapitalgesellschaft mit deutschem Anteilseigner belegen ebenfalls, dass die Unternehmenssteuerreform fremdfinanzierte Investitionslösungen begünstigt. Nur überwiegt hier in jedem Fall die generelle Entlastung durch die niedrigeren Körperschaftssteuersätze. So lässt sich zwar eine Investition auch aus eigenen Mitteln jetzt günstiger finanzieren als vor der Neuregelung – die Steuerlast ist von 34,9 Prozent auf 33,4 Prozent gesunken. Wer sich auf Bankkredite stützt, muss aber auf Erträge aus neuen Maschinen und Produktionsanlagen mittlerweile nur noch 28,9 Prozent Steuern berappen – gegenüber 37,9 Prozent im Jahr 2006.

Dieser Nachteil der Steuerreform lässt sich ebenso durch einen Vergleich der Kapitalnutzungskosten veranschaulichen. Diese Kennziffer entspricht der Rendite, die ein Unternehmen mit einer betrieblichen Investition mindestens erwirtschaften muss, um nicht schlechter wegzukommen als mit einer möglichen anderen Anlage am Kapitalmarkt. Durch die – relativ niedrige – Abgeltungssteuer ist eine solche Anlage nun generell attraktiver als früher. Unternehmen, die sich in Zeiten knapper Kredite wie jetzt stärker aus dem eigenen Aktienkapital bzw. den Mitteln ihrer Gesellschafter finanzieren, müssen daher mit deutlich profitableren Investitionsprojekten aufwarten, um gegen die Alternativanlage zu bestehen.

Vgl. Ralph Brügelmann: Aktuelle Unternehmenssteuerbelastung im internationalen Vergleich, in: IW-Trends 3/2009

ZUM AUTOR
Über Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln e.V.
Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) ist das führende private Wirtschaftsforschungsinstitut in Deutschland. Das Institut vertritt eine klare marktwirtschaftliche Position und will das Verständnis wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Prozesse in Politik und Öffentlichkeit festigen und verbessern. Dazu analysiert das ...
Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln e.V.
Postfach 101942
50459 Köln

+49-221-49810
WEITERE ARTIKEL DIESES AUTORS
Studie zur gesellschaftlichen Mitte
Vom Facharbeiter bis zum Gymnasiallehrer – die Mittelschicht in Deutschland ist bunter und ... mehr

ANDERE ARTIKEL AUS DIESEM RESSORT
SUCHE
Volltextsuche





Profisuche
Anzeige
PRESSEFORUM MITTELSTAND
Pressedienst
LETZTE UNTERNEHMENSMELDUNGEN
Anzeige
BRANCHENVERZEICHNIS
Branchenverzeichnis
Kostenlose Corporate Showrooms inklusive Pressefach
Kostenloser Online-Dienst mit hochwertigen Corporate Showrooms (Microsites) - jetzt recherchieren und eintragen! Weitere Infos/kostenlos eintragen
EINTRÄGE
PR-DIENSTLEISTERVERZEICHNIS
PR-Dienstleisterverzeichnis
Kostenlos als PR-Agentur/-Dienstleister eintragen
Kostenfreies Verzeichnis für PR-Agenturen und sonstige PR-Dienstleister mit umfangreichen Microsites (inkl. Kunden-Pressefächern). zum PR-Dienstleisterverzeichnis
BUSINESS-SERVICES
© novo per motio KG