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Fachartikel, 08.12.2009
Lohnstückkosten
Deutschland weiterhin im Hintertreffen
Zwar ist die deutsche Industrie im internationalen Vergleich überdurchschnittlich produktiv. Ihren Nachteil bei den Arbeitkosten kann sie damit aber nicht wettmachen, mit dem Ergebnis, dass Deutschland von 27 Industrieländern die siebthöchsten Lohnstückkosten ausweist.

Jetzt heißt es erst einmal durchatmen – die weltweite Rezession ist offenbar weitgehend überstanden. Auch der deutschen Wirtschaft winkt im Jahr 2010 ein leichter Aufschwung. Neue Chancen eröffnen sich dabei gerade für die heimische Industrie, die unter dem globalen Investitionseinbruch besonders stark zu leiden hatte. Inwieweit die Unternehmen diese nutzen können, hängt im harten internationalen Wettbewerb von zahlreichen Faktoren ab.

Ein Pluspunkt der deutschen Industriefirmen ist, dass sie in vielen Bereichen besonders hochwertige „Spezialitäten“ fertigen, die in dieser Form kein Konkurrent zu bieten hat. Werkzeugmaschinen und Medizintechnik made in Germany sind nur zwei Beispiele für solche Trümpfe.

Dennoch können sich auch die innovativsten Betriebe keineswegs ganz dem Preiswettbewerb entziehen. Insofern bedeuten überdurchschnittlich hohe Arbeitskosten grundsätzlich einen gewichtigen Nachteil für die deutschen Unternehmen. Dieser lässt sich nur durch eine entsprechend hohe Produktivität kompensieren, also eine hohe Wertschöpfung je Beschäftigtenstunde.

Das Verhältnis von Arbeitskosten und Produktivität – die sogenannten Lohnstückkosten – erweisen sich damit als maßgeblicher Wettbewerbsfaktor. Wie Deutschland in dieser Hinsicht dasteht, zeigt eine Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW):

Produktivitäts- und Lohnstückkostenniveau

Der internationale Produktivitätsvergleich fällt für die Bundesrepublik recht vorteilhaft aus: Im Ranking der Industrieländer erreicht Deutschland Platz fünf – übertroffen nur von Norwegen, Finnland, Belgien und den Niederlanden.

Im Schnitt „schaffen“ die Mitarbeiter ausländischer Konkurrenzfirmen in jeder Arbeitsstunde 21 Prozent weniger als die Beschäftigten am Standort Deutschland. Manche etablierten Industriestaaten wie Großbritannien, Japan und Kanada hinken in Sachen Wertschöpfung je Stunde den Deutschen teilweise sogar um mehr als 30 Prozent hinterher.

Trotz dieser guten Nachrichten macht der Blick auf das gesamte Zahlenbild deutlich: Die Produktivität der deutschen Industrie ist zwar beachtlich, aber nicht herausragend genug, um die weit überdurchschnittlich hohen Arbeitskosten wettzumachen.

Im Industrieländer-Vergleich der Lohnstückkosten belegt Deutschland unter 27 Standorten den siebten Rang – im Schnitt sind die Arbeitskosten je produzierte Gütereinheit im Ausland um 8 Prozent niedriger als hierzulande.

So erreichen beispielsweise die USA nur 88 Prozent des deutschen Produktivitätsniveaus; die Industriefirmen dort müssen aber lediglich mit 74 Prozent der hiesigen Arbeitskosten kalkulieren. Daher sind die amerikanischen Lohnstückkosten um 16 Prozent geringer als die deutschen.

Etwas relativiert wird die schlechte Position der Bundesrepublik dadurch, dass zu den Ländern mit noch höheren Lohnstückkosten Frankreich, Großbritannien und Italien zählen. Im Vergleich der EU-Staaten reduziert sich der deutsche Lohnstückkostennachteil deshalb auf gut 3 Prozent.

Auch in Estland und Lettland sind die Lohnkosten je Produkteinheit etwas höher als in der deutschen Industrie – und das, obwohl die Arbeitskosten je Stunde in diesen Ländern nur rund ein Fünftel des hiesigen Werts betragen. Niedrige Arbeitskosten allein begründen also noch keinen Standortvorteil.

Deshalb muss es für ein Unternehmen jedoch nicht unrentabel sein, in diesen Ländern in Produktionsanlagen zu investieren. Denn eine Firma kann zumindest einen Teil ihres Know-hows und ihrer modernen Technik an den neuen Standort transferieren. So lassen sich eine hohe Produktivität und niedrige Arbeitskosten durchaus verbinden – die Lohnstückkosten des neuen Betriebs können wesentlich niedriger sein als im Durchschnitt des Landes, in dem er errichtet wird.

Entwicklung der Lohnstückkosten


In den zurückliegenden Jahren haben die Tarifpartner in Deutschland verstärkt maßvolle Entgeltsteigerungen vereinbart. Das hat die Kosten je Produkteinheit gedrückt:

Von 2000 bis 2008 sind die Lohnstückkosten hierzulande um insgesamt gut 6 Prozent zurückgegangen.


Noch stärker auf die Bremse traten – in nationaler Währung gerechnet – nur Polen, die Slowakei, Finnland und Japan. Im Schnitt der Konkurrenzländer legten die Lohnstückkosten im selben Zeitraum dagegen um fast 5 Prozent zu.

Die in der jüngeren Vergangenheit an den Tag gelegte heimische Kostendisziplin hat allerdings den Anstieg zwischen 1991 und 1996 nicht vollständig wettgemacht. Damals kletterten die Lohnstückkosten in Deutschland um mehr als 16 Prozent – während sie im Ausland fast stagnierten.

Unterm Strich sind die stückbezogenen Arbeitskosten damit seit Anfang der 1990er Jahre im In- und Ausland fast in gleichem Ausmaß gestiegen – etwa um 4 Prozent. Dies gilt allerdings nicht mehr, wenn man die Wechselkursentwicklung berücksichtigt. Auf Eurobasis gerechnet konnten die anderen Industrieländer ihre Lohnstückkosten in den vergangenen knapp zwei Jahrzehnten um fast 7 Prozent senken – die Position der hiesigen Industrie hat sich damit um rund 11 Prozent verschlechtert.

Trend für 2009

Für dieses Jahr zeichnet sich eine drastische Erhöhung der Lohnstückkosten im deutschen Verarbeitenden Gewerbe ab. Im ersten Halbjahr kletterten sie gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um 25 Prozent. Hintergrund: Während die Produktivität um 12 Prozent sank, stiegen die Arbeitskosten je Stunde um 10 Prozent.

Letzteres resultiert vor allem daraus, dass die Betriebe Überstunden abgebaut haben und Arbeitszeitkonten auf null oder gar ins Minus gefahren wurden. Denn die Zahl der geleisteten Stunden ist deutlich stärker zurückgegangen als die bezahlte Arbeitszeit. Profitiert hat von dieser Entwicklung allerdings der Arbeitsmarkt – die Zahl der Beschäftigten schrumpfte im ersten Halbjahr 2009 gegenüber dem Vorjahreszeitraum nur um 1 Prozent, obwohl die industrielle Wertschöpfung um 23 Prozent absackte.

Aber auch in anderen Ländern haben die Unternehmen in der Krise über den eigentlichen Bedarf hinaus Arbeitsplätze erhalten. Daher stiegen die Lohnstückkosten etwa im Durchschnitt der OECD-Staaten im ersten Quartal 2009 im Vorjahresvergleich um knapp 14 Prozent.

In manchen Staaten hat die Beschäftigung mehr unter der Rezession gelitten; die Lohnstückkosten sind daher weniger stark gestiegen. In den USA z.B. erhöhten sich diese in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres gegenüber dem gleichen Zeitraum 2008 nur um 6 Prozent.

Damit dürfte sich die deutsche Position im internationalen Lohnstückkostenvergleich im Jahr 2009 insgesamt deutlich verschlechtern. Ob daraus ein spürbarer Wettbewerbsnachteil resultiert, ist allerdings offen. Denn wenn die Produktion wieder merklich anzieht, sparen die hiesigen Unternehmen durch die vermiedenen Entlassungen die Kosten für die (Wieder-)Einstellung und Einarbeitung von Arbeitskräften. Und mit der besseren Kapazitätsauslastung werden dann auch die Lohnstückkosten wieder sinken.

*) Vgl. Christoph Schröder: Produktivität und Lohnstückkosten der Industrie im internationalen Vergleich, in: IW-Trends 4/2009

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