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Kolumne
Wachstumstreiber, 18.09.2009
Krümel oder fette Beute
Messen als ein Spiegelbild der Wirtschaft
Direkt neben der vertrauten Grugahalle, in der in den 70er Jahren der Rockpalast seine legendären Livekonzerte für die ARD veranstaltete, fand dieser Tage in den Essener Messehallen die „Schweißen & Schneiden“ statt. Als internationale Leitmesse der Branche markierte sie jedoch nicht nur einen aktuellen Gradmesser hinsichtlich der Stimmung in der deutschen Wirtschaft, sondern zeigte auch ganz deutlich, wie unterschiedlich Unternehmen mit der aktuellen Krise umgehen und die Chancen, die sich ihnen bieten, nutzen.
Die Signale waren positiv. Es scheint aufwärts zu gehen, von Rezession und Krisenstimmung auf der Messe keine Spur: Menschenmassen, wie wir sie eher vom Münchener Oktoberfest und ähnlichen Veranstaltungen kennen, strömten von der ersten Minute an durch die Hallen. Und das nicht nur, um sich mit den üblichen Messeutensilien zu versorgen, sondern auch um intensive und zukunftsweisende Gespräche zu führen. Ein Umstand, der viele Messeaussteller nach der krisenbedingten Dürreperiode angenehm überraschte und ermutigte. Mit anderen Worten: Ein dicker Silberstreif am Horizont zieht auf.

Umso interessanter war es zu beobachten, wie effektiv Unternehmen eine solche Präsentationsplattform in diesen Zeiten nutzen bzw. nicht nutzen, um sich von der Masse abzuheben und nach dem wirtschaftlichen Schneckentempo der vergangenen Monate wieder Gas zu geben.

Da ließen sich zum einen die Messestände der „Platzhirsche“ ausmachen. Ihre Erkennungsmerkmale: Die Stände der Big-Player der Branche sind immer überfüllt und wirken wie eine Mischung aus Szenetreff und Stammlokal. Die Stimmung ist gut bis ausgelassen, man kennt sich, freut sich, sich wieder zu sehen, und tauscht gemeinsame Erfahrungen, vornehmlich die negativen der letzten 12 Monate, aus. Das Publikum besteht meist aus Stammkunden, die fürsorglich betreut werden. Und auch Neukundengespräche finden statt, werden jedoch leider aufgrund des Andrangs meist nur mäßig dokumentiert.

Daneben gab – und gibt es auf jeder Fachmesse – die Standorte der „Frustrierten“: Überdesignte, fast schon steril wirkende Stände bekannter Großunternehmen mit mäßigem Besucherandrang. Unschwer zu erkennen an unabgestimmten und unterbeschäftigten Hostessen sowie Außendienstmitarbeitern, die in ihr Handy oder ihren BlackBerry vertieft sind, und sich demonstrativ mit sich selbst beschäftigen. Eine Möglichkeit, auf den fehlenden Andrang zu reagieren, die das Problem allerdings noch verschlimmert.

Ähnlich unkommunikativ ist die Situation an den Messeständen der „Naiven“. Jene produktüberladenen Auftritte mit Verkäufern, die sich unerreichbar hinter ihren Tischen und Theken verschanzen, und die auf keiner Fachmesse fehlen (dürfen). Die kleinen Stehtische, auf denen neben dem Notebook meist auch noch die Reste des letzten Imbisses stehen, vermitteln alles in allem keinen wirklich einladenden Eindruck. Und so fällt die Messebilanz in punkto Kommunikation meist vernachlässigenswert aus. Leider! Denn häufig haben gerade solche Unternehmen ausgesprochen attraktive und einzigartige Produkte zu bieten. Wird dieser Umstand allerdings nicht kommuniziert, nützt ihnen das tollste Produkt nichts und ohne aktives Zugehen auf potentielle Kunden bleiben sie auch weiterhin „Nobodies“. Die Kosten für ihre Messeteilnahme hätten sie sich also auch sparen können.

Stellt sich die Frage, ob es auch Unternehmen gibt, die alles richtig machen? Ja, die gibt es - die kleine aber feine Minderheit der so genannten Top-Scorer. Sie übertreiben es nicht mit ihrem Messeauftritt und präsentieren sich lieber auf kleinen bis mittelgroßen Flächen, anstatt auf einem fast fußballfeldgroßen Areal. Ihr Erfolgsrezept ist vielmehr ein anderes: Ihr Messestand lebt! Hier wird ehrliche und positive Aufbruchstimmung versprüht und es findet ein wirklicher Austausch statt. Woran man das erkennt? Zum Beispiel daran, dass nur wenige Besucher sitzen, die meisten stehen, und die Verkäufer sich eifrig alles mitnotieren und die Ergebnisse professionell archivieren. Man spürt deutlich dem Team-Spirit zwischen Verkauf und Standpersonal, der sich überträgt und zusätzliche Besucher anzieht. Fazit: Ein solcher Messeauftritt ist alles andere als nur Show oder Pflichtprogramm, sondern hat wirklich das Ziel, Stammkunden zu halten und Neukunden zu gewinnen. Sprich: Das Geschäft anzukurbeln!

Fazit: So unterschiedlich sich Firmen durch ihren Messeauftritt präsentieren, so unterschiedlich fällt meist auch die anschließende Resonanz des Unternehmens aus. Während die einen Grund für leisen Optimismus sehen, die anderen wiederum das Ganze als den größten Flop bewerten werden, reiben sich ein paar wenige die Hände und starten durch. Für die einen wird damit die schlimmste Rezession der Nachkriegszeit bald der Vergangenheit angehören, wohingegen die anderen auch im Jahr 2010 sowie den Folgejahren schwer zu kämpfen haben werden. Somit spiegeln denn auch Messen bestens wider, was die wachstumsstarken (Hidden) Champions von der grauen Masse unterscheidet: Spitzenunternehmen nutzen jeden Wachstumshebel, der sich bietet - und der Rest lebt von von den Krümeln.
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Über Christian Kalkbrenner
Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Marketing und Personal startete Christian Kalkbrenner 1986 seine Karriere als Trainee bei einem mittelständischen Weltmarktführer der Automobilzuliefererindustrie. Dort wurde er zunächst ... mehr
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