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Fachartikel, 07.10.2008
Konjunkturprognose 2009
Die deutsche Wirtschaft gerät ins Stocken
Die weltweite Finanzmarktkrise läßt auch die deutsche Wirtschaft nicht ungeschoren: Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft wird das reale Bruttoinlandsprodukt im kommenden Jahr nur noch um 0,6 Prozent wachsen. Der freie Fall in eine Rezession droht aber nicht.
Die Lektüre der Nachrichten von den Finanzmärkten war in den vergangenen Wochen alles andere als vergnügungssteuerpflichtig – eine Hiobsbotschaft jagte die nächste. Dennoch sind Unkenrufe, die eine Weltwirtschaftskrise wie 1929/30 heraufbeschwören, ebenso fehl am Platz wie Befürchtungen, es drohe eine Stagflation – also eine Stagnation bei hohen Preissteigerungen – wie in den späten siebziger und frühen achtziger Jahren.

Zwar muss die deutsche Wirtschaft der geschwächten globalen Konjunktur Tribut zollen. Doch gibt es dank des bislang und im internationalen Vergleich robusten hiesigen Universalbankensystems keine Anzeichen dafür, dass die Unternehmen nicht mehr an die für ihre Investitionen benötigten Darlehen gelangen. Außerdem steht den in erster Linie von den US- und britischen Finanzmärkten herangerollten Schockwellen eine weltweite Entlastung durch die zuletzt gesunkenen Rohstoffpreise gegenüber. Und schließlich sind die deutschen Unternehmen deutlich wettbewerbsfähiger als vor einigen Jahren. Dies spricht nach den Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) dafür, dass aus dem Aufschwung kein Absturz wird, sondern die Konjunkturkurve eher seitwärts zeigt:

In diesem Jahr wird das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch um 1,7 Prozent wachsen – für das kommende Jahr ist allerdings nur ein Plus von 0,6 Prozent zu erwarten.

Dabei dürfte in der zweiten Hälfte von 2009 eine sachte Erholung eintreten. Diese Gesamtprognose setzt sich aus den folgenden Einzelbildern zusammen:

Außenhandel

In den vergangenen Jahren konnte sich die deutsche Wirtschaft stets auf die Antriebskraft des Exportmotors verlassen. Von 2005 bis 2007 ging jeweils die Hälfte des BIP-Wachstums auf das Konto des Außenhandels. Inzwischen jedoch sind die rückläufigen Auftragseingänge aus dem Ausland ein deutliches Indiz dafür, dass die fetten Exportjahre vorerst vorbei sind.

Zudem geht das IW Köln davon aus, dass der Welthandel deutlich langsamer zulegt als bislang und die trägere Weltwirtschaft auch die globale Investitionstätigkeit bremst. Außerdem haben es die deutschen Unternehmen inzwischen wieder schwerer, preislich mit der internationalen Konkurrenz mitzuhalten. Nicht nur die Euro-Aufwertung macht ihnen zu schaffen, sie müssen zudem mit den bereits 2007 erhöhten und wohl auch 2008 und 2009 ansteigenden Lohnstückkosten fertig werden. Die Folge:

Im Jahr 2008 steigen die deutschen realen Exporte noch um 4,2 Prozent, die Importe um 3,8 Prozent. Im kommenden Jahr reicht es nur zu einem Ausfuhrzuwachs von 1,5 Prozent, während die Einfuhren um 1,8 Prozent klettern.

Damit können die Geschäfte mit den ausländischen Kunden 2009 keinen Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten.

Investitionen

Seit 2003 haben die Investitionen in Deutschland ununterbrochen angezogen. Im zweiten Quartal des laufenden Jahres ließ das Tempo allerdings entgegen den Erwartungen nach. Für die weitere Entwicklung spielt auf der einen Seite eine Rolle, dass die verringerte Exportdynamik zumindest kurzfristig die Investitionsneigung abschwächt. Auf der anderen Seite dürften sich die Finanzierungsbedingungen für die Firmen trotz der Bankenkrise kaum verschlechtern. Unterm Strich bedeutet das:

Die realen Ausrüstungsinvestitionen legen 2008 um 5 Prozent zu. Erst im kommenden Jahr ist mit einer nahezu stagnierenden Investitionstätigkeit zu rechnen.

Ab dem dritten Quartal 2009 wird sich die Lage voraussichtlich wenigstens entspannen – die Unternehmen dürften dann wieder mehr Geld in Maschinen und Produktionseinrichtungen stecken. Die derzeitige konjunkturelle Abkühlung bekommt auch der Bausektor zu spüren – dort liegen die Investitionen in diesem Jahr noch um 2 Prozent über dem Niveau von 2007. Für 2009 ist dagegen nur ein Zuwachs von 0,5 Prozent drin. Impulse kommen dann weder vom Wohnungs- noch vom Wirtschaftsbau. Allein die öffentlichen Bauvorhaben werden angesichts der verbesserten Haushaltslage deutlich ausgeweitet.

Arbeitsmarkt

Das kräftige Wirtschaftswachstum hat zusammen mit strukturellen Verbesserungen – etwa durch die Agenda 2010 sowie die Hartz-Reformen – für eine durchgreifende Belebung des Arbeitsmarkts gesorgt. Dieser Trend hält trotz der konjunkturellen Abkühlung 2008 noch an: Im Jahresschnitt dürften erstmals über 40 Millionen Erwerbstätige gezählt werden – 450.000 mehr als 2007. Zugleich wird es voraussichtlich rund eine halbe Million weniger Arbeitslose geben als im vergangenen Jahr, mit 3,27 Millionen winkt der niedrigste Stand der Erwerbslosigkeit seit 1992. Die Aussichten sind demgegenüber etwas trüber: Für 2009 ist ein leichter Anstieg der Arbeitslosenzahl auf 3,30 Millionen beziehungsweise 7,6 Prozent der Erwerbspersonen zu erwarten. Parallel dazu wird die Zahl der Erwerbstätigen um 40.000 zurückgehen.

Dies ist auch der Politik zuzuschreiben, die zuletzt den Reformkurs verlassen hat. Die mögliche Einführung gesetzlicher Mindestlöhne, steigende Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sowie die Gefahr hoher Tarifabschlüsse drohen sogar, die Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt 2009 deutlich zu verschlechtern. Dem kann die mögliche leichte Absenkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung nur wenig entgegensetzen.

Privater Konsum

Trotz der jüngsten Beschäftigungszuwächse kamen die Bundesbürger zuletzt nicht so in Kaufstimmung wie in früheren Aufschwungphasen. Zu den Gründen zählen die von den Rohstoff- und Energiepreisen angetriebene Teuerung, die Mehrwertsteueranhebung – sie entzog den Deutschen mehr als 20 Milliarden Euro an Kaufkraft – sowie das Bedürfnis, mehr Geld fürs Alter zu sparen.

Vor diesem Hintergrund werden die realen Konsumausgaben der privaten Haushalte auch 2008 bestenfalls stagnieren. Erst im kommenden Jahr winkt ein preisbereinigtes Plus von 0,7 Prozent – unter anderem, weil die angenommene Beruhigung der Energie- und Rohstoffpreise die Inflationsrate auf gut 2 Prozent sinken lassen dürfte.

Staatsfinanzen

Die Situation der öffentlichen Haushalte hat sich in den vergangenen Jahren stark verbessert. So weitete der Staat im Verhältnis zur wachsenden Wirtschaft seine Ausgaben im vergangenen Jahr nur unterproportional aus, was zusammen mit steigenden Steuereinnahmen erstmals seit 2000 zu einem positiven Haushaltssaldo führte. Auch wenn der Konsolidierungsprozess inzwischen ins Stocken geraten ist, reicht es in diesem Jahr erneut zu einem kleinen Finanzierungsüberschuss. Die größere Disziplin in der Finanzpolitik schlägt sich ebenso in der
Staatsquote nieder:

Die Staatsausgaben machen für das Haushaltsjahr 2008 noch 43,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus – das sind fast 5 Prozentpunkte weniger als im Jahr 2003.

Mit diesem erfreulichen Trend ist es im kommenden Jahr allerdings vorbei, da die Ausgaben mit 2,4 Prozent stärker steigen als die nominale Wirtschaftsleistung. Dies treibt die Staatsquote wieder nach oben und den Saldo der öffentlichen Budgets ins Minus.


*) Publikationshinweis: IW-Konjunkturprognose 2009 – Abschwung in die Stagnation, in: IW-Trends 4/2008

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