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Fachartikel, 19.02.2009
Koexistenz statt Konkurrenz
Berufsausbildung versus Bachelor
Die Einführung von Bachelor-Studiengängen sowie die höheren Anforderungen an die Qualifikation des Nachwuchses stellen die duale Berufsausbildung vor neue Herausforderungen. Dennoch zeigt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), dass die betriebliche Ausbildung in Zukunft noch gebraucht wird. Denn sowohl der Bachelor als auch die duale Berufsausbildung eröffnen beruflich gute Perspektiven.*)
Das deutsche Bildungssystem ist in Bewegung: Globalisierung, demografische Entwicklung und der Wandel zur Wissensgesellschaft sind die größten Treiber dieses Reformprozesses. Eine der einschneidendsten  Veränderungen vollzieht sich an den Hochschulen – hier lösen die aufeinander aufbauenden Bachelor- und Masterstudiengänge schrittweise die klassischen Diplom- und Magisterstudiengänge ab.

So soll der Bachelor, der innerhalb von drei bis dreieinhalb Jahren erworben werden kann, in Zukunft der Regelabschluss an Fachhochschulen und Universitäten sein. Bis dahin ist es allerdings noch ein langer Weg. Im vergangenen Jahr hatten erst knapp 9 Prozent der Hochschulabsolventen einen Bachelor in der Tasche, von denen zudem die Mehrzahl direkt ein Masterstudium angeschlossen hat. Künftig werden jedoch immer mehr Bachelorabsolventen auf den Arbeitsmarkt strömen, denn die Erstsemester entscheiden sich hierzulande zunehmend für die neuen Studiengänge:

Sechs von zehn Studienanfängern starteten im Jahr 2007/2008 in ein Bachelorstudium – zwei Jahre zuvor waren es noch weniger als 30 Prozent.

Dieses Studium dauert in etwa so lange wie eine duale Berufsausbildung. Auch inhaltlich gibt es Parallelen: Laut einer Vereinbarung der Kultusministerkonferenz sollen die Studienprofile für den Bachelor nicht rein akademisch, sondern auch an der beruflichen Praxis ausgerichtet sein. Somit könnten Jungakademiker mit einem Bachelorabschluss künftig in Konkurrenz zu Absolventen einer dualen Berufsausbildung treten. Mitunter werden sogar Befürchtungen laut, der Bachelor könnte ganze Berufsbilder verdrängen – etwa die bei Abiturienten besonders beliebten Industriekaufleute oder Fachinformatiker.

Ob an diesem Szenario etwas dran ist, hat das IW Köln im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie untersucht. Miteinander statt gegeneinander – so lässt sich das Fazit der Studie am besten beschreiben. Künftig werden sowohl Bachelor- als auch Aus- und Weiterbildungsabsolventen gebraucht.

Die befragten Unternehmen bewerten die Kompetenzen von Fortbildungs- und Bachelorabsolventen zum Teil als gleichwertig, nicht jedoch als gleichartig. Der kombinierte Einsatz von Akademikern und Fachkräften wird als Stärke des deutschen Arbeitsmarkts bewertet. Die Bachelorkandidaten dürften hierbei mittelfristig in die Rolle der Fachhochschulabsolventen mit Diplom wachsen. Aus betrieblicher Sicht zeichnet die Akademiker vor allem die Fähigkeit aus, abstrakt und konzeptionell arbeiten zu können. Die Absolventen einer betrieblichen
Berufsausbildung werden hingegen vor allem geschätzt, weil sie ohne weitere Einarbeitungszeit in ihren Job einsteigen können. Eine Ursache dafür ist sicherlich das duale Prinzip – also die verzahnte Ausbildung an der Berufsschule und im Betrieb. Schaut man sich die Beschäftigungssituation beider Absolventengruppen genauer an, so zeigt sich Folgendes:

Mehr als zwei Drittel der beruflich Ausgebildeten im Angestelltenverhältnis üben qualifizierte Tätigkeiten aus – beispielsweise als Marketingassistent; 16 Prozent schaffen es gar, eine leitende Position zu besetzen.

Somit ist auch für beruflich Qualifizierte ein Karrieresprung möglich. Dies gilt insbesondere, wenn sie auf die Ausbildung noch eine Weiterbildung draufsatteln. Die Chance, auf einen Chefsessel zu klettern, verdoppelt sich für diejenigen, die erfolgreich eine Aufstiegsfortbildung – z.B. zum Meister oder Techniker – absolviert haben:

Über ein Drittel der Weiterbildungsabsolventen nehmen eine Führungsposition ein. Damit übertreffen sie den Anteil der Fachhochschulabgänger in leitenden Tätigkeiten.

Ein Blick auf die Durchschnittsverdienste zeigt allerdings, dass die formale Qualifikation für die Einkommenshöhe sehr wohl eine Rolle spielt. Denn FH-Absolventen, die hier stellvertretend für die in der Statistik noch nicht erfassten Bachelorinhaber stehen, bekommen in der gleichen Position durchweg mehr Geld als Fachkräfte. So verdienen beruflich Ausgebildete in einer qualifizierten Tätigkeit im Angestelltenverhältnis im Schnitt knapp 2.300 Euro im Monat, ein Weitergebildeter kommt auf gut 2.800 Euro, Fachhochschulabsolventen sogar auf mehr als 3.100 Euro.

Noch größer sind die Einkommensabstände bei den Erwerbstätigen in leitenden Funktionen. Eine Weiterbildung bringt im Vergleich zur Ausbildung 650 Euro im Monat extra ein. Angestellte mit FH-Abschluss verdienen noch einmal 600 Euro mehr.

Der große Lohnabstand lässt sich zu einem guten Teil durch unterschiedliche Jobanforderungen erklären. So verdienen Fachkräfte mit Fachhochschuldiplom, die eine qualifizierte Tätigkeit ausüben, mehr als jene mit Weiterbildung, weil sie in der Regel kreativer und flexibler sein müssen, häufiger unter starkem Termindruck stehen und oft auch für mehr Mitarbeiter verantwortlich sind. Beschäftigte mit Fortbildungszertifikat werden hingegen besser entlohnt in Positionen, wo es darum geht, technische Arbeitsabläufe zu kontrollieren und für einen reibungslosen Produktionsablauf zu sorgen – etwa an Druckmaschinen oder Backstraßen.

Ob die duale Ausbildung oder der Bachelor künftig das Rennen macht, entscheiden angesichts sinkender Jahrgangsstärken nicht nur die Betriebe durch ihr Einstellungsverhalten, sondern zunehmend die Jugendlichen selbst. Sie beeinflussen mit ihrer Berufswahl maßgeblich den Erfolg respektive Misserfolg der beiden Qualifizierungswege. Um auch in Zukunft für junge Menschen attraktiv zu sein, muss sich die Berufsausbildung weiterentwickeln, wie die IW-Studie empfiehlt:

  • Um hochkarätige Bewerber für die Aus- und Weiterbildung zu gewinnen, muss sie leistungsstarken jungen Leuten mehr bieten. Dazu zählt ein größeres Angebot an Zusatzqualifikationen wie etwa die Möglichkeit, zusätzlich zum normalen Lernpensum Fremdsprachenkenntnisse zu erwerben oder ein Praktikum im Ausland zu absolvieren.
  • Weiterhin gilt es, die Ausbildung flexibler zu gestalten. Hierfür bieten sich die Einführung von Bausteinen für einzelne Lehrabschnitte sowie ergänzende Berufsschulkurse an.
  • Sinnvoll ist es auch, die Ausbildung besser und frühzeitiger mit den Fortbildungsoptionen zum Betriebswirt, Meister oder Techniker zu verzahnen.
  • Zudem sollte der Hochschulzugang für Berufspraktiker stärker geöffnet werden. Diese müssten dazu für ihre im Job erworbenen Kompetenzen Pluspunkte an der Universität oder FH erhalten. Das Studium ließe sich auf diese Weise deutlich verkürzen:

Ein staatlich geprüfter Betriebswirt beispielsweise könnte bei einer angemessenen Vergabe sogenannter Credit-Points und entsprechender Förderung sein Bachelorstudium in vier statt sechs Semestern durchziehen.

Die befragten Unternehmen wünschen sich darüber hinaus mehr Studienplätze in dualen Studiengängen sowie zusätzliche Offerten im Bereich der hochschulischen Weiterbildung, damit die Belegschaft ihr Wissen auch während des Arbeitslebens auf dem Laufenden halten kann.

*) Dirk Werner, Christian Hollmann, Jörg Schmidt: Wie entwickeln sich angesichts des Strukturwandels zur Wissensgesellschaft und der Einführung der Bachelorstudiengänge die Chancen für duale Ausbildungsberufe und das duale System? Bericht an das BMWi, unter: www.iwkoeln.de/Informationen, dort unter Dokumente im Unterordner „andere“.

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