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Fachartikel, 01.07.2008
Fachkräftemangel
Ingenieure verzweifelt gesucht!
Der Fachkräftemanagel verschärft sich: Im Jahresmittel gab es 2007 bundesweit 69.600 Stellen für Ingenieure, die nicht besetzt werden konnten – das sind 44 Prozent mehr als 2006. Unterm Strich fehlen in Deutschland fast zwei Absolventenjahrgänge, um den aktuellen Ingenieurmangel zu beheben.*)
Es ist kein neues Phänomen, dass es in Deutschland nicht genug Ingenieure gibt. Bereits seit dem Jahr 2004 reicht laut Berechnungen der OECD die Anzahl an Absolventen ingenieurwissenschaftlicher Studiengänge in Deutschland nicht mehr aus, um nur die Fachkräfte zu ersetzen, die altersbedingt aus dem Erwerbsleben ausscheiden.

In der Bundesrepublik kommt auf einen älteren weniger als ein jüngerer Ingenieur – in den meisten anderen Industrienationen sind es hingegen über zwei, in Schweden und Irland gar über vier Nachwuchskräfte.

Entsprechend einfach haben es Jungingenieure hierzulande auf dem Arbeitsmarkt: Von allen Akademikern, die im Jahr 2005 ihr Studium abgeschlossen haben, bekamen Absolventen der Ingenieurwissenschaften zu einem besonders großen Teil einen regulären Job.

Im Vergleich zu ihren Kommilitonen aus anderen Fächern sind die Nachwuchs-Düsentriebs auch ein Jahr nach Studienabschluss deutlich seltener ohne Beschäftigung. Und der Trend ist ebenfalls erfreulich: Waren im Januar 2005 noch knapp 64.000 Ingenieure arbeitslos gemeldet, ist deren Zahl bis zum April 2008 kontinuierlich um etwa zwei Drittel gesunken. Denn kluge Köpfe werden händeringend gesucht: Im April 2008 waren bei der Bundesagentur für Arbeit 12.400 offene Ingenieurstellen registriert. Doch diese machen nur einen Bruchteil der freien Jobs aus.

Drei Viertel aller Unternehmen, die Ingenieure beschäftigen, meldeten in den vergangenen fünf Jahren keine einzige ihrer offenen Ingenieurstellen der Bundesagentur für Arbeit (BA), sondern suchten über andere Wege nach geeigneten Experten.

Ein Grund dafür: Besonders größere Firmen wollen meist hochspezialisierte Fachkräfte, die sie über Annoncen oder Headhunter gezielter ansprechen können. Kleine und mittlere Betriebe hingegen teilen den Arbeitsagenturen tendenziell mehr offene Stellen mit – sie suchen eher nach einem Ingenieur, der als Alleskönner fungiert. Im Durchschnitt erreichen die Bundesagentur für Arbeit nur knapp 13 Prozent der Jobangebote für Ingenieure, das heißt nur etwa jedes siebte bis achte. Über alle Berufsgruppen hinweg gilt dies hingegen für jeden zweiten bis dritten freien Arbeitsplatz.

Tatsächlich ist also der Bedarf an hochqualifizierten Maschinenbauern, studierten Elektrotechnikern und Co. noch weit größer, als es die offiziellen Zahlen belegen. Um den aktuellen Mangel in Deutschland genauer zu quantifizieren, hat das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) in Kooperation mit dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI) 2.700 Unternehmen zur aktuellen Situation des Ingenieurarbeitsmarktes befragt. Demnach
hatten Personaler im April dieses Jahres 95.300 Jobs zu vergeben – 72.400 Stellen mehr, als es arbeitslose Ingenieure gab. Der Jahresdurchschnitt für 2007 sah nicht besser aus: Im Mittel blieben hierzulande 69.600 Arbeitsplätze verwaist, was einem Anstieg von 44 Prozent im Vergleich zu 2006 entspricht. Doch nicht überall war die Lage gleichsam prekär:

Die meisten Ingenieure fehlten im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg (gut 15.200), gefolgt von Nordrhein-Westfalen (knapp 15.200) und Bayern (13.300).

Auf diese drei Bundesländer entfielen etwa zwei Drittel der frei gebliebenen Jobs. Lediglich in Berlin und Brandenburg war 2007 noch kein akuter Ingenieurengpass zu erkennen. In allen anderen Bundesländern hat sich dagegen seit Anfang 2005 die Schere weiter geöffnet zwischen offenen Stellen einerseits und arbeitslos gemeldeten Ingenieuren andererseits.

Ohne den innerdeutschen „Braindrain“, der Wanderung der Hochqualifizierten von Ost- nach Westdeutschland, sähe es jedoch besonders in Bayern und Baden- Württemberg noch schlechter aus. So kletterte die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ingenieure in Bayern von 2000 bis 2006 um 6,5 Prozent und in Baden-Württemberg um gut 10 Prozent. Für den selben Zeitraum hat Bayern jedoch nur 4,2 Prozent mehr Absolventen der Ingenieurwissenschaften zu bieten, Baden-Württemberg sogar nur 1,1 Prozent. Der Nachwuchs bei BMW, Bosch und anderen kam daher maßgeblich aus den ostdeutschen Bundesländern:

In Sachsen legten die Absolventenzahlen in den Jahren 2000 bis 2006 um gut 37 Prozent und in Thüringen um mehr als 50 Prozent zu.

Dabei fehlen – relativ betrachtet – in Sachsen weniger Ingenieure als in anderen Bundesländern: Lediglich 1,6 Prozent der bundesweit frei gebliebenen Stellen waren zwischen Erzgebirge und Lausitz zu finden. Die sächsischen Unis und FHs bildeten von 2000 bis 2006 dennoch gut 7 Prozent des Tüftlernachwuchses hierzulande aus. Umgekehrt kommen beispielsweise aus Bayern zwar 13 Prozent aller Jung-Ingenieure, doch das ist angesichts des Bedarfs im Freistaat noch zu wenig – denn dort sammeln sich rund 19 Prozent der unbesetzten Jobs. Auch Unternehmen in Baden-Württemberg suchen mehr Fachkräfte, als das Ländle hervorbringt. Etwas besser sieht die Relation in Nordrhein-Westfalen aus: An Rhein, Ruhr und Lippe hat zwar jeder fünfte deutsche Neu-Ingenieur studiert, doch ist dort auch nur jeder fünfte verwaiste Arbeitsplatz auszumachen.

Um die komplette Lücke zwischen Stellenangebot und -nachfrage zu füllen, müssten in Deutschland 1,8-mal so viele Studenten ihren Dipl.-Ing. abschließen wie bisher. Maßgeblich verursacht hat diese Entwicklung einerseits die anziehende Konjunktur, andererseits auch der Strukturwandel hin zu einer wissensintensiven Wirtschaft. Unternehmen können im internationalen Wettbewerb schnell ins Hintertreffen geraten, wenn sie nicht innovativ genug sind. Dafür brauchen sie qualifizierte Mitarbeiter. Mittlerweile reagieren die Betriebe bereits spürbar auf den Fachkräftemangel:

Zwei Drittel aller Unternehmen, die Ingenieure beschäftigen, investieren in die gezielte Weiterbildung ihrer Angestellten, um Personalengpässe auszugleichen.

Damit die zusätzlichen Anforderungen schmackhafter werden, setzen viele Firmen auf flexiblere Arbeitszeiten mithilfe von Zeitkonten. Bereits mehr als jedes zweite Unternehmen bietet zudem auch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, etwa durch Telearbeit. Ebenso viele Betriebe rekrutieren gezielt ältere Ingenieure – ein Grund dafür, dass die Arbeitslosenzahlen der Ingenieure über 50 Jahren besonders stark zurückgehen.

Im Kampf um die besten Fachkräfte greift jedes vierte Unternehmen auch kräftig in den Firmengeldbeutel. Ingenieuren winken deutlich bessere Gehälter als anderen Beschäftigten, wie das Sozioökonomische Panel, eine repräsentative Bevölkerungsstichprobe, ergab:

Das Bruttojahresgehalt eines vollzeiterwerbstätigen Ingenieurs lag im Jahr 2006 im Mittel um 69 Prozent höher als bei einem durchschnittlichen Vollzeitbeschäftigten.

Gegenüber einem Akademiker mit Vollzeitjob in einem anderen Beruf verdiente ein Ingenieur 26 Prozent mehr. Vor nicht allzu langer Zeit sah die Situation weniger rosig aus. Im Jahr 1996, als von einem Fachkräftemangel noch keine Rede war, standen auf dem Ingenieurgehaltszettel nur 3,6 Prozent mehr Lohn als auf dem eines vergleichbaren Akademikers.

*) Vgl. Oliver Koppel: Ingenieurarbeitsmarkt in Deutschland – Gesamtwirtschaftliches Stellenangebot und regionale Fachkräftelücken, in: IW-Trends 2/2008

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