Kooperation verändert die
Perspektive und macht kreativer. Kooperation inspiriert, den zu
verteilenden Kuchen größer zu machen, sodass alle Beteiligten gewinnen.
Kooperatives Handeln fördert das Wohlbefinden, schafft ein besseres
Arbeitsklima und macht Individuen und Unternehmen erfolgreicher. Wie man
durch Kooperation gemeinsam gewinnt, beschreibt nachfolgende
Geschichte:
Gerd ist Anthropologe und besucht einen Stamm in
Malawi, Südostafrika. An diesem Tag hat er einen Korb voller frischer
duftender leuchtender Mangos dabei. Er will den Kindern ein neues Spiel
zeigen. Also zeigt er ihnen die Mangos, woraufhin sie natürlich große
Augen bekommen, in denen man praktisch lesen kann: „Wie komme ich an die
Mangos?“ Dann stellt er sie 300 m entfernt unter einen Affenbrotbaum.
Er sagt den Kindern: „Wir machen ein Wettrennen, ich zähle bis drei, bei
drei rennen alle los und wer zuerst beim Korb ist, der gewinnt die
Mangos!“ Gerd zählt ein „eins, zwei und drei!“ Doch die Kinder laufen zu
seiner Ãœberraschung nicht sofort los. Sie schauen sich in die Augen,
fassen sich an den Händen und spurten erst dann los. Kurz vor dem Korb
bleiben sie noch einmal stehen, vergewissern sich, dass sie gleichauf
sind und gehen dann absolut gleichzeitig über die Ziellinie. Die Kinder
jubeln und beratschlagen, was sie mit den Mangos machen, damit alle
etwas davon bekommen.
Eine schöne Geschichte, nicht wahr? Doch
gleich folgt der Gedanke „ja eine Geschichte eben und zu schön, um wahr
zu sein“. Umso mehr, wenn wir versuchen, diese Geschichte in unseren
Arbeitsalltag zu übertragen. Da findet sich bestimmt sofort jemand, der
sagt: „Moment, wir sind ein Unternehmen und kein Kindergarten. Bei uns
geht es schließlich um Leistung!“ Zugegeben, das Verhalten dieser Kinder
können wir nur schwer nachvollziehen. Es wirkt unnatürlich auf uns. Wir
wären in diesem Moment nicht im Traum darauf gekommen, so zu handeln.
Und wenn doch, hätten wir diese Idee gleich wieder verworfen. Wir sind
anders konditioniert. Wir haben offensichtlich ein anderes mentales
Standard-Programm laufen, das lautet „Wettbewerb und Konkurrenz“. Darauf
sind wir von Kindesbeinen an trainiert: Wer am schnellsten rennt,
bekommt die Medaille. Wer sich am schnellsten meldet, bekommt des
Lehrers Aufmerksamkeit und wer die besten Noten hat, bekommt den
Studienplatz und den Wunschjob. Und genau dieses Programm „Wettbewerb
und Konkurrenz“ wird bei einer Herausforderung sofort aktiviert. Das hat
natürlich auch seine gute Seite: Wir haben Wohlstand und Erfolg und
können uns unsere Mangos selbst kaufen. Die Frage ist nur: Wird uns das,
was uns bis hierher gebracht hat, auch in Zukunft erfolgreich machen?
Warum in Zukunft (nur) das "Wir" gewinnt
Warum
berührt uns diese Geschichte mit den Kindern überhaupt? Während unser
Kopf noch meint, dass Konkurrenz und Gewinnen erfolgversprechender sind
als Kooperation und Teilen, erinnern sich unser Herz und unsere Seele
daran, dass wir auch zutiefst soziale Wesen sind. Vor kurzem wurden 2000
Berufstätige aus unterschiedlichsten Bereichen gefragt, wie sie mit
ihrem Arbeitsleben zufrieden sind. 80 % sagten, dass sie unzufrieden
sind. Der Grund: Zu hohe Einzelverantwortung, Leistungsdruck und
zunehmender Egoismus.
Kooperationsfähigkeit ist nicht nur ein
netter Soft Skill. Sie ist das berufliche Ãœberlebenshandwerkszeug der
Zukunft. Um kooperativ handeln zu können, brauchen wir – gerade wenn es
um Leistung geht – eine kooperative Grundhaltung. Und die wird von
unserem aktuellen mentalen Programmstand leider nicht so unterstützt,
dass sie auch unter Stress stabil bleibt. Das heißt, wir brauchen
möglicherweise ein paar Updates. Die Mango-Geschichte gibt uns vier
klare Hinweise darauf, wo wir unser Mindset verändern müssen, um
kooperativ erfolgreich zu sein.
Update Nummer 1: Verbundenheit erkennen
Die
Kinder sehen sich in die Augen und fassen sich an den Händen. Sie haben
ein gemeinsames Ziel: Nämlich, dass alle gewinnen, um die Früchte
gemeinsam zu verspeisen. Wir hingegen sprechen häufig über das, was uns
trennt, anstatt über das, was uns verbindet. Das Aufgabengebiet, die
Abteilung, die Ziele, das Budget, die Sprache, der Arbeitsstil – das
alles hilft uns dabei, uns abzugrenzen und durchzusetzen. Auf der Suche
nach unserer Kooperationsfähigkeit lauten jedoch die wichtigen Fragen:
Wie verbunden fühlen wir uns im Arbeitsleben? Wo haben wir gemeinsame
Ziele? Mit dem Chef, den Kollegen, den Mitarbeitern geht das vielleicht
noch ganz gut. Doch wie sieht es mit den Kollegen der anderen Abteilung,
am anderen Standort, im anderen Land oder gar den Mitbewerbern aus?
Eine
Studie unter MBA-Studenten hat gezeigt, dass die Suche nach
Gemeinsamkeiten nachfolgende Verhandlungen kooperativ erfolgreicher
macht. Einige Gruppen beauftragte man, keine Zeit zu verlieren und
direkt in die Verhandlung einzusteigen. In diesen Gruppen kamen rund 55 %
zu einer Einigung. Die Mitglieder anderer Gruppen sollten zunächst
persönliche Informationen austauschen und nach Gemeinsamkeiten suchen,
bevor sie mit der Verhandlung beginnen. In diesen Gruppen kamen rund 90 %
zu einer Einigung.
Umsetzung: Um das Update „Verbundenheit erkennen“
zu aktivieren, müssen wir nach dem suchen, was uns mit anderen
verbindet, anstatt nach dem, was uns trennt. Und es gibt IMMER eine
Gemeinsamkeit. Denn am Ende sitzen wir doch irgendwie alle im selben
Boot.
Update Nummer 2: Ko-zentriert denken
Bevor die
Kinder die Ziellinie überschreiten, kontrollieren sie ihre eigene
Position und die Position der Gruppe, um sicherzustellen, dass sie alle
gemeinsam das Ziel erreichen. Diese Kinder haben sowohl sich selbst als
auch die Gruppe gleichzeitig im Blick. Das ist ein ko-zentrierter Blick.
Wir haben eher den konzentrierten Blick. Eine Art Tunnelblick, der vor
allem dann auftritt, wenn wir unter Stress kommen. Und das ist bei 2/3
der Menschen im Berufsleben heute regelmäßig der Fall. Wir konzentrieren
uns dann nur noch darauf, wie wir überleben können. Indem wir uns
durchsetzen und die Interessen der anderen hinten anstellen oder indem
wir uns unterwerfen und unsere eigenen Interessen hinten anstellen und
uns nur noch fragen, wie wir es den anderen recht machen können.
Konzentriert
zu denken, bedeutet "entweder oder". Gewinnen oder verlieren. Selbst der
Kompromiss fällt in diese Kategorie. Denn jeder gewinnt ein wenig und
jeder verliert ein wenig. Die ko-zentrierte Haltung baut auf SOWOHL ALS
AUCH. Nicht entweder gewinne ich und der andere verliert oder der andere
gewinnt und ich verliere, sondern wie können sowohl ich als auch der
andere dabei gewinnen? Dazu müssen wir uns sowohl mit dem Gegenüber
beschäftigen als auch mit uns selbst. Was sind unser beider Motive und
Interessen? Der Vorteil dabei ist, dass wir viel öfter das bekommen, was
wir möchten. Denn ko-zentriertes Denken ist die Grundlage der
WIN-WIN-Strategie, die hilft, Konflikte erfolgreich zu lösen.
Umsetzung: Um das Update „Ko-zentriert denken“ zu aktivieren, sollten wir uns –
bevor wir kämpfen oder uns unterwerfen – öfter fragen, „was will ich“
und „was will der andere“ und nach einer Lösung suchen, die beides
möglich macht.
Update Nummer 3: Teilen.
Die Kinder
sind von Anfang an bereit, die Früchte zu teilen. Sie sind der Meinung:
Es ist genug für alle da. Und wenn wir teilen, haben wir alle mehr
davon. Das wichtigste Arbeitsgut sind heute Informationen. Wie bereit
sind wir, unser Wissen zu teilen? Betrachten wir das eher als Hol- oder
als Bringschuld? Wer von uns hat nicht schon einmal folgende Sätze
benutzt oder gehört: „Du hättest mich ja nur fragen brauchen.“ Oder
„Mich hat ja keiner gefragt.“. Informationsaustausch wird eher als
Holschuld denn als Bringschuld betrachtet. Wir horten Wissen als würde
es verschwinden, wenn wir es teilen. Dabei ist Teilen der einzige Weg,
es zu vermehren.
Wir meinen häufig, wir hätten die ganze Wahrheit
und sind dann überrascht, wenn hinterher Informationen auftauchen, von
denen wir nichts wussten. Die meisten Themen sind heute selbst für
Experten zu komplex. Je früher wir unser Wissen teilen, desto eher
bekommen wir ergänzende Informationen. Außerdem gilt das Gesetz der
Reziprozität. Wenn wir anderen einen Gefallen tun, ist die
Wahrscheinlichkeit höher, dass sie auch uns einen Gefallen tun.
Umsetzung: Um das Update „Teilen“ zu aktivieren, beginnen wir am einfachsten
damit, unser Wissen zu teilen. Fragen wir uns, für wen diese Information
noch nützlich sein könnte und teilen diese dann aktiv. Davon leben
Wissensforen.
Update Nummer 4: Vertrauen schenken
Die
Kinder halten sich ganz entspannt an den Händen. Sie tun das, um in
Kontakt zu sein, nicht um den festhalten zu können, der vielleicht
losrennt. Sie vertrauen sich. Wie oft entscheiden wir uns gegen
kooperatives Verhalten, weil wir befürchten, dass der andere nicht im
gleichen Maß kooperiert, wie wir es tun würden? Umso mehr, wenn diese
Situation nicht einmalig ist, sondern sich wiederholt. Wir lassen uns
von unseren schlechten Erfahrungen und Ängsten jedes Mal aufs Neue
beeinflussen. Vor kurzem habe ich auf Facebook gelesen. „Was würde
passieren wenn wir in einer neuen Beziehung unsere Liebe so vorbehaltlos
schenken, als wäre es das erste Mal?“ Es gab viele Reaktionen und die
meisten drückten Widerstand aus. Tenor „Um wieder verletzt zu werden?
Man muss vorsichtig sein!“ Wenn wir schon bei neuen Beziehungen so
vorsichtig sind, wie verhalten wir uns in Beziehungen, in denen wir
schon schlechte Erfahrungen gemacht haben?
Auf der Arbeitsebene
sprechen wir natürlich nicht von Liebe, sondern von Vertrauen. Die
Spieletheorie, eine Wissenschaftsrichtung deren bedeutendster Forscher
John F. Nash sogar einen Nobelpreis erhalten hat, befasst sich unter
anderem mit Konflikten zwischen mehreren Parteien, die nicht miteinander
kooperieren. Viele Beispiele zeigen, dass in so einem Fall ein Ergebnis
entsteht, bei dem alle Beteiligten schlechter wegkommen, als wenn sie
zusammen gearbeitet hätten. Die Forscher beschäftigen sich natürlich
auch mit der Frage, was die beste Strategie ist, damit alle Beteiligten
profitieren. Die beste Strategie ist Vorschussvertrauen. Das heißt, so
zu handeln, als ob man wüsste, dass die andere Partei ebenfalls
kooperativ handelt. Es geht aber nicht um eine Opferstrategie. Falls die
andere Partei das Vertrauen missbraucht, muss dies geahndet werden.
Danach heißt es aber sofort wieder zurück auf Anfang und in die
Vertrauenshaltung. Das ist nicht so einfach, weil wir emotionale Wesen
sind. Wenn wir aber betrachten, dass die meisten Konflikte auf
Missverständnissen beruhen, könnte oftmals ein einfaches Gespräch schon
Abhilfe schaffen.
Umsetzung: Update Nummer vier „Vertrauen schenken“
aktivieren wir am einfachsten, indem wir erst einmal vom bestmöglichen
Verhalten des anderen ausgehen, indem wir uns selbst vertrauen, mit
einem möglichen Vertrauensmissbrauch umgehen zu können und dem
Bewusstsein, dass durch Kampf mehr zu verlieren ist als durch
Kooperation. Insbesondere in länger andauernden Partnerschaften oder
Arbeitsbeziehungen.
Fazit
Viele denken jetzt wahrscheinlich gerade:
Klingt ja alles schön und gut, aber „In meiner Position ist das nicht
möglich.“ Oder „Das ist in unserem Unternehmen nicht vorstellbar.“
Erinnern wir uns noch einmal an unseren Anthropologen Gerd: Auch er hat
mit seiner Aufgabenstellung nicht gerade dazu beigetragen, dass die
Kinder dieses Verhalten zeigen konnten. Und doch haben sie einen Weg
gefunden. Unsere Aufgabe ist es, nicht immer und nur kooperativ zu sein,
sondern eine bewusste Wahl zu treffen. Dazu müssen wir jedoch zunächst
aufmerksam sein, wann sich wieder einmal der Autopilot „Konkurrenz“
aktiviert. Wenn wir uns bewusst öfter verbinden, ko-zentriert denken,
teilen und Vertrauen schenken, werden wir auch öfter die Kooperation
wählen und damit nicht nur bessere Ergebnisse erzielen, sondern
vielleicht auch Vorbilder werden, die unsere Arbeitswelt und unsere
Gesellschaft so dringend braucht.