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Fachartikel, 09.12.2008
„DACH“-Vergleich
Mäßige Noten für die deutsche Wirtschaftspolitik
Die Schweiz betrieb in den vergangenen zwölf Monaten eine bessere Wirtschaftspolitik als Österreich und Deutschland, die zuletzt den reformpolitischen Rückwärtsgang einlegten. Zu diesem Ergebnis kommt das aktuelle „D A CH-Reformbarometer“, das seit 2002 jährlich beurteil, wie Vorhaben in den Bereichen Arbeitsmarkt-, Sozial- sowie Steuer- und Finanzpolitik die ökonomischen Rahmenbedingungen in den drei Ländern verändert haben.
Bei der Fußballeuropameisterschaft im Sommer 2008 hatten die Gastgeber in Bern und Wien zwar Pech im Spiel – in wirtschaftlichen Dingen können sich die Schweizer und Österreicher jedoch nicht beklagen: Sie sind wohlhabend und selten arbeitslos. Die Eidgenossen müssen zudem vergleichsweise wenig an den Fiskus abführen und haben ihre öffentlichen Haushalte gut im Griff. Der Vize-Europameister Deutschland ist dagegen weniger erfolgreich:

Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen der Bundesbürger ist heute mit 28.900 Euro erst so hoch wie das der Schweizer vor sechs Jahren. Und die Arbeitslosigkeit liegt hierzulande immer noch deutlich über dem Niveau der anderen Bodensee-Anrainer.

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW), die Wirtschaftskammer Österreich und Avenir Suisse, Denkfabrik der Schweizer Wirtschaft, haben untersucht, wie erfolgreich sich die Politik angesichts von Globalisierung, Strukturwandel und demografischen Veränderungen zwischen Oktober 2007 und September 2008 in Sachen Arbeitsmarkt, Soziales sowie Steuern und Finanzen geschlagen hat. Das Länderranking
kommt zu folgenden Ergebnissen:

  • Allein die Schweiz weist eine positive Reformbilanz vor: Sie hat sich binnen Jahresfrist um 4,1 Zähler von 105,3 auf 109,4 Punkte verbessert.
  • Für Österreich ist das Reformbarometer von 112,1 auf 107,3 Punkte im September 2008 gefallen. Dies ist das stärkste Minus seit sechs Jahren.
  • Auch in Deutschland lahmt der Reformeifer: Das Barometer ist um 3,5 Zähler auf 105,7 Punkte gesunken – der schlechteste Wert seit fast fünf Jahren. Im Drei-Länder-Vergleich landet die Bundesrepublik damit auf dem letzten Platz.

Warum Deutschland und Österreich zurückfallen, während die Schweiz erstmals Rang eins belegt, zeigt die Analyse der jüngsten Gesetzesinitiativen:

Deutschland

Die Große Koalition hat ihr reformpolitisches Kapital verspielt, das sie bis zum Sommer 2007 aufgebaut hatte. Der deutsche Reformindikator unterschreitet mittlerweile sogar das Niveau, auf dem er zu Beginn der schwarz-roten Amtszeit lag.

Für diesen Abwärtstrend sind verschiedene Fehlentscheidungen verantwortlich: So wurde die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I wieder verlängert. Die verschärften Mindestlohnpläne dürften dazu führen, dass die Lohnfindung weiter politisiert und die Tarifautonomie geschwächt wird.

Die außerplanmäßige Rentenerhöhung zur Jahresmitte untergräbt frühere Stabilisierungsmaßnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung, beispielsweise die Riester-Rente. Zudem läuft die Anhebung dem Ziel der Bundesregierung zuwider, die Sozialversicherungsbeiträge dauerhaft unter 40 Prozent zu senken.

Schließlich verhagelt die geplante Neuregelung der Erbschaftssteuer die reformpolitische Bilanz Deutschlands. Sie ist kompliziert und nicht geeignet, Unternehmensnachfolger verlässlich von der Erbschaftssteuer zu befreien. Hier wäre die Abschaffung nach österreichischem Vorbild die bessere Alternative.

Österreich

Die Alpenrepublik hat ein politisch turbulentes Jahr hinter sich: Im Juli scheiterte die Große Koalition aus Sozialdemokraten (SPÖ) und Volkspartei (ÖVP). Nichtsdestotrotz haben sich SPÖ und ÖVP nach den jüngsten Wahlen auf eine Neuauflage ihres Bündnisses geeinigt.

Reformpolitisch war das Jahr 2008 eine verlorene Zeit. Auf Kosten der Allgemeinheit und der öffentlichen Kassen bediente die Politik vor allem einzelne Interessengruppen: So dürfen sich die Pensionisten über eine kräftige Rentenerhöhung freuen, für Studenten entfallen die Studiengebühren und Pendler können eine höhere Fahrtkostenpauschale geltend machen.

Auch über Teile der Wirtschaft ergoss sich das Füllhorn staatlicher Wohltaten: Mit dem neuen Lehrlingspaket subventioniert die öffentliche Hand einen beträchtlichen Teil der Azubi-Gehälter.

Schweiz

Nach langer Zeit des mäßigen Abschneidens haben die Eidgenossen die Tabellenführung im D A CH-Reformbarometer übernommen. Dies liegt unter anderem an Verbesserungen bei laufenden Gesetzesvorhaben. Beispielsweise soll die geplante Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes zur Zusatzfinanzierung der Invalidenversicherung mit 0,4 Prozentpunkten nur halb so hoch ausfallen wie ursprünglich vorgesehen.

Pluspunkte gab es ebenfalls für die geplante Reform der Arbeitslosenversicherung: Die Wiedereingliederung von Erwerbslosen ins Berufsleben soll verbessert, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes verkürzt werden. Den größten Fortschritt erzielten die Schweizer mit einem Gesetzentwurf zur Mehrwertsteuer. Der Abbau zahlreicher Ausnahmen und der neue Einheitssatz von 6,1 Prozent dürften das Steuersystem erheblich vereinfachen.

Trotz aller Unterschiede im Detail ist allen drei Ländern gemeinsam, dass sie den Aufschwung bis zur Jahresmitte nicht ausreichend genutzt haben, um nachhaltige Neuerungen durchzusetzen. Stattdessen hat sich die Politik vor allem in Deutschland und Österreich von den sprudelnden Steuerquellen zu teuren Mehrausgaben verleiten lassen. Ehrgeizigere Reformen hätten den Handlungsspielraum für eine konjunkturgerechte Wachstumspolitik vergrößert, wie sie momentan als Reaktion auf die Finanzmarktkrise und den Abschwung vonnöten wäre.

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Die Studie „Das D A CH-Reformbarometer – Reformpolitik in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Ausgabe 2008“  von Benjamin Scharnagel, Jörg Mahlich, Ladina Schauer und  Rudolf Walser steht zum kostenfreien Download zur Verfügung.

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