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Fachartikel, 07.10.2009
Aufstiegschancen
Dänemark führend, Deutschland nur Mittelmaß
Die skandinavischen Länder bieten Menschen bezogen auf Arbeit, Bildung und sozialen Aufstieg die besten Perspektiven. In Deutschland stellen sich die Zukunftsperspektiven dagegen relativ bescheiden dar. Das zeigen die Ergebnisse des „Einstiegsmonitor Europa“*).
Mal angenommen, das Leben wäre ein Autorennen – dann wären die Startbedingungen nicht etwa in Monza oder Monaco ideal, sondern in Mikkeli, Moss und Mariagerfjord. Diese Städtchen liegen allesamt in Skandinavien, dem Teil Europas, der den Menschen die besten Perspektiven bietet – zumindest in Bezug auf Arbeit, Bildung und sozialen Aufstieg. Zu diesem Ergebnis kommt der Einstiegsmonitor Europa des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), der die Lebens- und Arbeitswelt in 19 europäischen Staaten auf den Prüfstand gestellt hat.

Die besten Rennstrecken für ein erfolgreiches Arbeits- und Sozialleben liegen demnach im Königreich Dänemark:

Auf einer Skala von 0 bis 100 belegen die Dänen mit annähernd 82 Punkten den europäischen Spitzenplatz. In keinem anderen Land bieten sich den Menschen so gute Aufstiegschancen wie in Kopenhagen, Århus oder Odense.

So haben es dänische Kinder europaweit am leichtesten, im Laufe ihres späteren Berufslebens ein hohes Einkommen zu erzielen, auch wenn das Einkommen der Eltern niedrig ist bzw. war. Auch das Risiko, trotz Erwerbstätigkeit arm zu sein, ist in Dänemark fast nicht vorhanden. So sind nur 4 Prozent der Vollzeitbeschäftigten im Königreich von Armut bedroht. Besonders gering ist das Armutsrisiko bei Vollzeit berufstätigen Frauen und Geringqualifizierten. Lediglich junge Menschen zwischen 18 und 24 Jahren laufen in Dänemark relativ häufig Gefahr, trotz Job wenig Geld zum Leben übrig zu haben.

Hinsichtlich der Arbeitsmarktsituation sind die Dänen mit einem zweiten Rang ebenfalls gut platziert. Nur in Norwegen sind die Möglichkeiten, eine Stelle zu bekommen, noch zahlreicher: Hier betrug die Arbeitslosenquote im Jahr 2008 lediglich 2,6 Prozent, in Dänemark lag sie bei 3,4 Prozent. Auch gelang es den Norwegern etwas besser, mehr ältere Arbeitnehmer in der Erwerbstätigkeit zu halten, im hohen Norden arbeiten fast 70 Prozent; der 55- bis 64-Jährigen.

In Sachen Bildung sind dagegen wieder die Dänen besser aufgestellt. Den fünften Platz in dieser Kategorie verdanken sie vor allem der Tatsache, dass fast 90 Prozent der 25- bis 36-jährigen Bevölkerung mindestens über das Abitur oder eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen. Am besten gelingt es jedoch Finnland, seine Bevölkerung anständig zu qualifizieren. So können fast alle jungen Finnen Texte gut verstehen oder mathematische und naturwissenschaftliche Probleme lösen.

Verglichen mit den nördlichen Nachbarn bietet die Bundesrepublik ihren Bürgern nur mittelmäßige Startbedingungen:

Deutschland erzielt auf der 100-Punkte-Skala des IW-Einstiegsmonitors einen Wert von knapp 56 Zählern und landet damit auf dem zehnten Platz.


Die relativ bescheidenen Zukunftsaussichten sind vor allem auf die hohe Arbeitslosigkeit zurückzuführen – im vergangenen Jahr betrug die Arbeitslosenquote hierzulande rund 7 Prozent und war damit höher als im Durchschnitt der betrachteten 19 Länder. Diejenigen, die in Deutschland eine Stelle haben, sind allerdings vergleichsweise selten von Armut bedroht – wenn man nur die in Vollzeit beschäftigten Menschen betrachtet und die Sozialleistungen mit einbezieht.

In puncto Bildung lassen sich ebenfalls noch einige Stellschrauben nachziehen: Zwar konnte Deutschland den Anteil seiner Risikoschüler zuletzt um 2 Prozentpunkte senken, doch 2006 hatte laut PISA-Test immer noch jeder fünfte 15-Jährige Probleme mit dem Textverständnis; bei genauso vielen zeigten sich eklatante Mathematiklücken. Auch bei den Bildungsabschlüssen könnte Deutschland noch Gas geben: Im Jahr 2006 verfügten zwar rund 84 Prozent der 25- bis 35-Jährigen mindestens über das Abitur oder eine abgeschlossene Berufsausbildung – in Tschechien waren es aber fast 94 Prozent.

Die beruflichen Rennstrecken in Europa sind also ziemlich unterschiedlich in Schuss. Doch ob es Löcher im Asphalt oder gar zu wenig Treibstoff für alle Wagen gibt, ist keine Frage der natürlichen Ressourcen. Wie gut Schüler lesen und rechnen können, wie leicht sich ein Job ergattern lässt und wie groß der Einfluss der Herkunft auf einen Lebenslauf ist, wird in nicht unerheblichen Maß von der Politik eines Landes bestimmt.

Den größten Einfluss üben die Familienpolitik, die Bildungspolitik, die Arbeitsmarktpolitik sowie die Steuer- und Sozialpolitik aus. Auch diese Felder hat der IW-Einstiegsmonitor bewertet. Die beste Politik machen demnach Dänemark, Norwegen und das Vereinigte Königreich. Dänemark liegt bei der Familien- und Bildungspolitik vorn, Norwegen zeichnet sich ebenfalls durch eine herausragende Familienpolitik aus, und das Vereinigte Königreich punktet mit einer gelungenen Arbeitsmarktpolitik.

Deutschland landet in Sachen perspektivgebender Politik hingegen lediglich auf dem zwölften Platz.


Am besten schneidet die Bundesrepublik noch mit ihrer Familienpolitik ab, wo sie Platz sieben erreicht. Grund ist, dass Eltern hierzulande trotz der vergleichsweise schlechten Betreuungsinfrastruktur für Kleinkinder sehr viel zufriedener sind mit den Möglichkeiten, Familie und Beruf zu vereinbaren als im europäischen Vergleich.

Die deutsche Arbeitsmarktpolitik ist mit Platz neun weder besonders gut noch besonders schlecht bewertet. Positiv ist, dass das Arbeitslosengeld I in der Bundesrepublik nur relativ kurz gezahlt wird und somit hohe Anreize bestehen, schnell in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Negativ ist die hohe Regulierungsdichte bei unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen.

Auf den 15. Platz in puncto Bildungspolitik kann Deutschland sicherlich nicht stolz sein. Der IW-Einstiegsmonitor kritisiert beispielsweise, dass im hiesigen Bildungssystem die Schülerinnen und Schüler bereits nach der vierten Klasse auf verschiedene Schulformen aufgeteilt werden.  Auch die Tatsache, dass sich das Gehalt der Lehrer in Deutschland nicht nach der Leistung richtet, gibt Abzüge. Bemängelt wird überdies die geringe Autonomie der deutschen Schulen.

Nur auf den vorletzten Platz schafft es die deutsche Steuer- und Sozialpolitik: So gingen 2007 von jedem Euro, den ein Alleinstehender ohne Kind den Arbeitgeber kostet, rund 50 Cent an den Fiskus und die Sozialkassen. Zudem ist die Wiederaufnahme einer Beschäftigung für Arbeitslose oft wenig reizvoll – das Gehalt ist durch die Abgabenlast manchmal kaum höher als der frühere Transfer vom Staat.

Um die Startbedingungen ins Leben und in die berufliche Karriere zu verbessern, sind folgende Reparaturen unerlässlich: Deutschland braucht mehr Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren und bessere Betreuungsrelationen. Der Ausbau der Ganztagsschulen muss vorangetrieben und die Lehrervergütung ziel- und leistungsorientiert ausgerichtet werden. Der Arbeitsmarkt bedarf einer weiteren Deregulierung. Und schließlich sollte die Steuerlast für geringe bis mittlere Einkommen sinken.

*) Vgl. Axel Plünnecke, Benjamin Scharnagel, Oliver Stettes, Jan Angenendt: Einstiegsmonitor Europa – Welche europäischen Staaten bieten die besten Perspektiven für Arbeit, Bildung und sozialen Aufstieg? IW-Analysen Nr. 54, Köln 2009, 100 Seiten, 19,90 Euro. Bestellung über Fax: 0221 4981-445 oder unter: www.iwmedien.de
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