Alltag in Deutschland: Ein 40-jähriger arbeitsloser Monteur sucht einen Job und eine 35-jährige Frau möchte nach einer mehrjährigen Kinder-Auszeit wieder als Sekretärin arbeiten. Die Konjunktur läuft gut, es gibt also offene Stellen – doch wie gut müsste der neue Job bezahlt sein, damit der Monteur oder die Sekretärin ihn annimmt?
Das Sozio-oekonomische Panel, eine regelmäßige und repräsentative Befragung von mehr als 12.000 Privathaushalten, stellt diese Gretchenfrage all jenen Teilnehmern, die keiner Erwerbsarbeit nachgehen, also Schülern, Studenten, Hausfrauen, Hausmännern und vor allem Arbeitslosen. Das Ergebnis zeigt den sogenannten Anspruchslohn, das ist der Betrag, ab dem jemand bereit ist zu arbeiten:
Im Jahr 2010 wollten Arbeitslose im Schnitt mindestens 7,50 Euro netto pro Stunde verdienen – Schüler und Studenten erwarteten hingegen fast 2 Euro mehr.
Vergleicht man diese Lohnwünsche mit denen aus den vergangenen Jahren, dann fällt auf, dass sich die Ansprüche der einzelnen Gruppen recht unterschiedlich entwickelt haben. So erwarteten Schüler und Studenten im Jahr 2010 höhere Löhne als 2007. Freiwillig Nichterwerbstätige und Arbeitslose sind hingegen bescheidener geworden – in der Zwischenzeit gab es allerdings in jeder Gruppe mindestens einen Richtungswechsel.
Doch auch wenn die Arbeitslosen inzwischen mit etwas weniger Geld zufrieden wären, ein Stundenlohn von knapp 7,50 Euro netto bedeutet brutto immerhin 11 Euro. Stellt man die Lohnansprüche der Arbeitslosen und jene Gehälter, die gleichaltrige Arbeitnehmer mit derselben Qualifikation und ähnlicher Berufserfahrung tatsächlich verdienen gegenüber, gibt es eine auffallende Diskrepanz:
Mehr als die Hälfte der Arbeitslosen erwartet einen Lohn, der das Marktübliche um mindestens ein Fünftel übersteigt. Jedem sechsten Arbeitslosen schwebt sogar das Doppelte dessen vor, was von den Unternehmen tatsächlich gezahlt wird.
Der Grund für solche Fehleinschätzungen ist, dass sich Arbeitslose eben nicht an den aktuell marktüblichen Löhnen und Gehältern orientieren, sondern schlicht und einfach ihr zuletzt erzieltes Einkommen aufstocken möchten.
Was passiert, wenn Wunsch und Wirklichkeit zu weit auseinanderklaffen, zeigt die Statistik der Jahre 2007 bis 2010: Jene Arbeitslose, die in diesem Zeitraum einen Job fanden, hatten zunächst Lohnvorstellungen, die durchschnittlich rund ein Zehntel über dem jeweiligen Marktlohn lagen. Bei anderen Arbeitslosen betrug der Abstand zur Realität im Schnitt fast ein Drittel – und so standen sie bis zuletzt ohne Job da.
*) aus IW-Trends 04/12 - Holger Schäfer, Jörg Schmidt: Anspruchslöhne in Deutschland: Aktuelle empirische Befunde