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Fachartikel, 27.10.2006
Wasserwirtschaft
Wassermarkt - mehr Wettbewerb ums kühle Nass
Wie das Wasser waren auch Telefon, Post und Strom einst fest in der Hand staatlicher Anbieter. Alternativen gab es keine – oft genug zum großen Ärger der Kunden. Das hat sich inzwischen zu einem guten Teil geändert. Beitrag vom Institut der deutschen Wirtschaft zur Wasserwirtschaft / Wassermarkt.
Allein die Wasserversorgung wird nach wie vor meist von kommunalen Monopolisten bestritten. Nötig ist das aber nicht, damit das kühle Nass für jedermann zugänglich bleibt. Es gibt risikolose Möglichkeiten, die Wasserwirtschaft für mehr Wettbewerb mitsamt den daraus folgenden Vorteilen zu öffnen.*)

Wasser ist in Deutschland eigentlich kein knappes Gut. Sauber und trinkbar kann es aber beileibe nicht jedem Tümpel entnommen werden. Dass für aufbereitetes Trinkwasser ein gewisser Obolus fällig wird, erscheint insofern normal. Merkwürdig ist jedoch, dass das Lebenselixier aus der Leitung hierzulande im europäischen Vergleich relativ teuer ist. Durchschnittlich zahlten Privathaushalte im Jahr 2005 je Kubikmeter Wasser 1,81 Euro. Dabei ist das regionale Gefälle zwischen Nordseeküste und Erzgebirge groß:

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Recht günstig duschen und baden die Nordlichter in Schleswig-Holstein und Niedersachsen sowie die Bayern mit einem Preis zwischen 1,31 und 1,42 Euro für den Kubikmeter Frischwasser – Sachsen und Thüringer zahlen gut 1 Euro mehr.
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Die Trinkwasserpreise sind im Osten Deutschlands tendenziell höher als im Westen, weil in der Nachwendezeit hohe – aus heutiger Sicht zum Teil überdimensionierte – Investitionen in Wasseraufbereitungsanlagen getätigt wurden, die es nun zu finanzieren gilt. Im Laufe des vergangenen Jahrzehnts mussten die Privathaushalte zudem deutlich überproportionale Steigerungen sowohl des Trinkwasserpreises als auch der Abwassergebühren schlucken:

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Während sich die Verbraucherpreise von 1995 bis 2005 lediglich um 15 Prozent erhöhten, verteuerten sich Frisch- und Abwasser im selben Zeitraum um satte 25 Prozent.
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Dass sich solche Preisanhebungen überhaupt durchsetzen lassen, hängt unter anderem mit den besonderen Eigenschaften des Wirtschaftsguts Wasser zusammen: Es ist abhängig von einem Leitungsnetz und in dieser Hinsicht vergleichbar mit Strom, Gas, Telekommunikation und sogar dem Zugverkehr. Parallele Netze aufzubauen, würde sich für konkurrierende Anbieter aus Kostengründen nicht lohnen. Außerdem ist Wasser ortsgebunden.

Es ist nur schwer möglich, die Ware H2O über weitere Strecken von einem regionalen Leitungsnetz in ein anderes zu transferieren. Würde Wasser in andere Leitungsnetze eingespeist oder mit Trinkwasser aus anderen Quellen vermischt, müsste es unter Umständen erneut aufbereitet werden. Hinzu kommt, dass Frischwasser nur eingeschränkt lagerfähig ist, weil es schnell wieder verkeimt. Steht Wasser zu lange in Leitungen, kann es daraus Stoffe aufnehmen, die seine Qualität deutlich mindern.

Aus all diesen Gründen ist die Reichweite der Leitungsnetze und der zur Wasseraufbereitung notwendigen Infrastruktur geographisch begrenzt, und die Anlagen befinden sich zumeist in der Hand regionaler Monopolanbieter. Die Verbraucher haben keine Wahl, ihr Wasser anderswo zu beziehen oder in eine andere Kanalisation einzuspeisen. Soweit ist das jedoch keine Besonderheit des deutschen Wassermarkts, sondern überall
in Europa ähnlich organisiert.

Typisch für Deutschland ist hingegen die kleinteilige Anbieterstruktur. Wasserver-und -entsorgung obliegen in der Regel den Kommunen und Stadtwerken. Hierzulande existieren über 6.000 Wasserversorgungsunternehmen. Sehr viele davon sind sehr klein:

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Gut zwei Drittel der Wasserversorger decken gerade einmal 8 Prozent des deutschen Wasserbedarfs ab.
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Ihnen gegenüber stehen jene 1,5 Prozent der Unternehmen, in den meisten Fällen die städtischen Versorger, die fast die Hälfte des benötigten Trinkwassers bereitstellen. Wie zersplittert der Wassermarkt hierzulande wirklich ist, wird vor allem im internationalen Vergleich deutlich:

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Während in Deutschland auf eine Million Abnehmer 88 Wasserversorgungsbetriebe kommen, sind es in den Niederlanden gerade vier, in England und Wales zwei; und in Frankreich beliefert ein Wasseranbieter sogar 7 Millionen Einwohner.
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Aus Kundensicht hat die kleinräumige Organisation in Deutschland einen gravierenden Nachteil. Größenvorteile, die zu geringeren Kosten und damit Preisen führen könnten, bleiben ungenutzt. Einsparungen kämen unter anderem durch eine gemeinsame Verwaltung und bessere Einkaufskonditionen zustande. Nicht von ungefähr zahlen die Deutschen daher innerhalb Europas einen recht hohen Wasserpreis.

Trotz der ungünstigen Ausgangsbedingungen gibt es jedoch zwei international bereits erprobte Möglichkeiten, der Wasserwirtschaft zu etwas mehr Wettbewerb zu verhelfen:

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1. Wettbewerb um das Leitungsnetz
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Grundsätzlich gibt es bei dieser Lösungsvariante weiterhin einen Monopolanbieter, der gewisse staatliche Auflagen zu erfüllen hat. Das Besondere ist, dass seine Stellung temporär begrenzt ist. Die Bewirtschaftung des Leitungsnetzes wird in regelmäßigen zeitlichen Abständen neu ausgeschrieben und nach der Gegenüberstellung verschiedener Bewerbungen an einen privaten Anbieter vergeben. Denkbar ist auch, Teilleistungen im Wassermarkt einzeln auszuschreiben. Frankreich macht mit diesem Verfahren seit Jahrzehnten gute Erfahrungen.

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2. Wettbewerb durch Kennzahlen-Vergleiche
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Konkurrenz dient als Motor für innovative Produkte, bessere Qualität und günstige Preise, die sich letztlich in höheren Renditen widerspiegeln. In der Wasserwirtschaft wetteifern die Unternehmen zwar nicht direkt um Marktanteile. Doch die aus dem Wettbewerb resultierenden Anreize, die eigene Leistung zu steigern, lassen sich simulieren: Und zwar, indem die Wasserfirmen mittels bestimmter Kennzahlen an anderen Anbietern gemessen werden. Ein solches Benchmarkingsystem kann problemlos in eine Preis- und Qualitätsregulierung von Monopolen eingebunden werden.

Ein wirtschaftlicher Effekt für die Verbraucher lässt sich jedoch nur erzielen, wenn sich aus den Ergebnissen konkrete Folgen für die beteiligten Unternehmen ergeben. Das heißt, zum einen muss die Teilnahme an dem System für alle Wasserversorgungsbetriebe Pflicht sein. Zum anderen müssen der zuständigen Regulierungsbehörde ausreichend detaillierte Daten vorliegen. Das freiwillige Benchmarking, das die deutsche Wasserwirtschaft zur Zeit praktiziert, genügt hierfür nicht.

Wie ein solches Pflichtsystem erfolgreich funktioniert, machen die europäischen Nachbarn vor. England und Wales betreiben den obligatorischen Kennzahlen-Vergleich bereits seit 15 Jahren. Das Office of Water Services (OFWAT) kontrolliert die Unternehmen und ist für den Verbraucherschutz zuständig. Die Behörde überwacht die Leistungsstandards und reguliert den Wasserpreis. Sie veröffentlicht regelmäßig Berichte mit detaillierten unternehmensspezifischen Qualitätsmerkmalen. Dazu zählen etwa die Güte des Trinkwassers, die Versorgungssicherheit und die Qualität der Abwasserentsorgung, aber auch der Kundenservice. Die Ergebnisse zeigen, dass sich Wasserver- und -entsorgung enorm verbessert haben, seitdem das Benchmarkingsystem eingeführt wurde.

Für Deutschland wird es Zeit, sich an solchen Vorbildern ein Beispiel zu nehmen, kommen doch auf die Wasserwirtschaft in den nächsten Jahren und Jahrzehnten erhebliche Herausforderungen zu: Der Investitionsbedarf bewegt sich im Laufe der nächsten 15 Jahre um die 50 Milliarden Euro. Aufgrund der schrumpfenden Bevölkerung geht zugleich die Zahl der Wasserkunden zurück. Dünnbesiedelte Gebiete dürfen aber nicht von der Versorgung abgeschnitten werden. Die Preise werden somit tendenziell steigen. Um sie einzudämmen, muss die Wasserwirtschaft erheblich effizienter arbeiten. Dafür gilt es nun, die politischen Weichen zu stellen. Ganz oben auf der Agenda steht die verstärkte Vergabe von Versorgungsleistungen an private Anbieter. Damit verbunden sein sollte ein verpflichtendes Benchmarkingsystem als Basis für eine Qualitäts- und Preiskontrolle durch die Bundesnetzagentur. Nicht vergessen werden darf überdies die steuerliche Gleichstellung von privaten und öffentlichen Anbietern.

*Vgl. Hubertus Bardt: Wettbewerb im Wassermarkt – Politische und unternehmerische Herausforderungen in der Wasserwirtschaft, IW-Positionen Nr. 23, Köln 2006, 40 Seiten, 11,80 Euro. Bestellung über Fax: 0221 4981-445 oder unter www.divkoeln.de
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