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Fachartikel, 23.04.2008
China
Der rote Drache ist erwacht
Wie die Entwicklung der Einkommen und Exporte zeigt, ist China nach wie vor auf Wachstumskurs. Allerdings verläuft der rasante Aufstieg Chinas nicht ganz reibungslos. Die Inflation galoppiert, und die Arbeitslosigkeit könnte demnächst deutlich zunehmen.
Die Welt schaut nicht erst seit den politischen Turbulenzen um Tibet auf das Reich der Mitte. Fast überall wird registriert und anerkannt, dass es die Chinesen innerhalb kürzester Zeit geschafft haben, aus einem rückständigen Bauernstaat eine aufstrebende Industrienation zu machen. Allein in den vergangenen fünf Jahren ist das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) durchschnittlich um 10,6 Prozent gewachsen. Damit schließt das Land auch wegen seiner Größe zunehmend zu den Industrieländern auf:

Im Jahr 2007 war China gemessen am nominalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) bereits die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt. Berücksichtigt man die tatsächliche Kaufkraft, reichte es sogar für den zweiten Platz hinter den USA.

Die Gründe für das rapide Wachstum der chinesischen Volkswirtschaft sind vielschichtig:

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Wachstumsmotor I: Privater Konsum
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Der ökonomische Boom sorgt bei der Bevölkerung zunehmend für Wohlstand. Und für ihre Verhältnisse – das preisbereinigte BIP pro Kopf erreichte zuletzt mit 5.300 Dollar nur ein Viertel des Wertes von Portugal – sind die Chinesen geradezu in einen Kaufrausch verfallen. Die Konsumausgaben sind in den vergangenen fünf Jahren alle zwölf Monate preisbereinigt um 8 Prozent gestiegen. Gekauft werden dabei längst nicht mehr nur die einfachen Dinge für den täglichen Bedarf. Vielmehr tummeln sich die Chinesen vermehrt auch in westlich gestylten Edelboutiquen. So gab der französische Luxushersteller Louis Vuitton an, er werde in diesem Jahr in China bereits mehr umsetzen als in den USA.

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Wachstumsmotor II: Investitionen
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In China drehen sich unablässig die Baukräne und rotieren die Betonmischer. Die realen Bruttoanlageinvestitionen sind dementsprechend laut amtlicher Statistik seit dem Jahr 2003 im jährlichen Mittel um 15 Prozent gestiegen. Ausländische Investoren schneiden sich von diesem Boom eine Scheibe ab – und steuern das Ihre dazu bei, dass der Kapitalstock kräftig wächst. So flossen in den Jahren 2000 bis 2006 jährlich fast 57 Milliarden Dollar an Direktinvestitionen in die Volksrepublik – mehr als nach Deutschland oder Frankreich.

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Wachstumsmotor III: Exporte
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Die explosionsartige Zunahme der Ausfuhren beschert China vermutlich schon in diesem, spätestens aber im nächsten Jahr den Titel des Exportweltmeisters. Weil das Land mehr aus als einführt – was sich in hohen Leistungsbilanzüberschüssen widerspiegelt –, wird das Reich der Mitte zunehmend zu einem Gläubiger der Welt. Der Drache häuft Dollars und Euros ohne Ende an: Chinas Währungsreserven beliefen sich im Jahr 2007 auf etwa 1,5 Billionen Dollar.

Bei allen Lobeshymnen müssen aber auch die Kehrseiten des Wirtschaftswunders genannt werden:

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Inflation
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Die hohe Nachfrage nach Rohstoffen sowie die Auslastung der Kapazitäten lassen die Preise steigen, in einigen Bereichen sogar geradezu explodieren: Im Februar 2008 lagen die Lebensmittelpreise 23 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Für Fleisch und Gemüse mussten gar über 40 Prozent mehr bezahlt werden.

Betrachtet man alle Warengruppen und Dienstleistungen zusammen, dürfte die Teuerungsrate im Gesamtjahr 2008 die 7-Prozent-Marke knacken. Zahlreiche Wirtschaftsexperten warnen bereits vor den negativen Folgen der Inflation. Vor allem ärmere Chinesen werden sich bei ihren täglichen Einkäufen einschränken müssen; bei anderen schmälern die Preiserhöhungen die sauer verdienten Ersparnisse. Die chinesische Zentralbank wird deshalb mittelfristig die geldpolitischen Zügel anziehen und die Zinsen erhöhen, um die Teuerung abzubremsen.

Auch an einer Aufwertung des Yuan wird China nicht vorbeikommen. Dies würde – ähnlich wie zurzeit beim Euro – zumindest die importierte Inflation aus dem Ausland etwas dämpfen. Zur Erinnerung: Weil der Euro gegenüber dem Dollar steigt, schlagen die in der US-Währung gehandelten Ölimporte hierzulande nicht mit voller Wucht auf die Geldbörsen der Verbraucher durch. Ähnliches wäre in China durch eine Aufwertung
des Yuan möglich.

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Regionales Gefälle
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Die Überführung einer planwirtschaftlich geführten Volkswirtschaft in die Marktwirtschaft hat ihre Tücken, wie der Umbruch hierzulande sowie in den mittel- und osteuropäischen Ländern gezeigt hat. Die chinesische Regierung hat daher nur einzelne Regionen bestimmt, die für marktwirtschaftliche Strukturen und für ausländische Unternehmen geöffnet wurden.

Die Kehrseite dieser eigentlich pragmatischen Lösung zeigt sich im Wohlstandsgefälle zwischen den einzelnen chinesischen Regionen. So lag das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen der Stadtbewohner im Jahr 2006 bei 1.475 Dollar. In den Boomstädten Beijing oder Shanghai konnten fast 2.500 bzw. 2.600 Dollar erzielt werden. In ärmeren Regionen wie Guizhou oder Xinjiang sind es dagegen nur etwa 1.100 Dollar. Die Landbevölkerung muss sogar mit viel weniger auskommen. Schätzungen gehen davon aus, dass ihr Einkommen nicht einmal ein Drittel des Durchschnitts ausmacht.

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Beschäftigung
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An Jobchancen mangelt es im Fernen Osten offenbar nicht. Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Arbeitsplätze insgesamt um 6 Prozent gestiegen. Noch mehr Jobs wurden im selben Zeitraum in den städtischen Gebieten geschaffen. Hier betrug der Zuwachs 22 Prozent.

Die ausgewiesene Arbeitslosenquote lag im Jahr 2006 lediglich bei 4,1 Prozent und damit noch etwas niedriger als vor fünf Jahren. Auch die Dynamik der Jobofferten bei den Privatunternehmen macht Hoffnung: Seit 1995 ist in den chinesischen Stadtregionen die Zahl der Beschäftigten in Unternehmen der freien Wirtschaft um 500 Prozent gestiegen. Die Beschäftigung in den Staatsbetrieben hat sich dagegen im selben Zeitraum halbiert.

Für wettbewerbsfähige Jobs zeichnen vor allem auch ausländische Firmen verantwortlich. Dort hat sich die Zahl der Stellen seit 1995 immerhin mehr als verdreifacht. Deutsche Unternehmen wie Siemens, BMW und Co. haben daran ihren Anteil.

Die eigentliche Nagelprobe dürfte dem chinesischen Arbeitsmarkt jedoch erst bevorstehen. Sorgenfalten treibt einigen Wirtschaftsforschern nämlich der nach wie vor hohe Anteil von Staatsbediensteten auf die Stirn: Im Jahr 2006 war immer noch gut ein Viertel aller Beschäftigten in Staatsfabriken tätig. Diese werden durch die internationale Konkurrenz jedoch Zug um Zug gezwungen, effizienter zu arbeiten. Damit ist die Gefahr groß, dass weitere Arbeiter ihre Jobs verlieren.

Und noch von anderer Seite geraten die Arbeitsplätze in den staatlichen Betrieben unter Druck. Erfahrungsgemäß werden dort künstlich Überkapazitäten aufgebaut. Am Ende lassen sich die zuviel produzierten Waren nur mit Preisnachlässen losschlagen. Das kann nicht ewig gut gehen. Irgendwann rutschen die Betriebe in die Krise, und Stellen werden abgebaut.

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