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Fachartikel, 20.08.2008
Weltwirtschaft
Investitionen multinationaler Unternehmen
Etwa 78.000 Firmen blicken weltweit über den eigenen Tellerrand hinaus. Diese multinationalen Unternehmen sind auf der ganzen Welt tätig und treiben so die Globalisierung kraftvoll voran. Der große Ansturm auf die internationalen Märkte begann allerdings erst in den neunziger Jahren. Für Investoren immer attraktiver geworden ist dabei die Dienstleistungsbranche. Auch in Deutschland zieht dieser Bereich zunehmend Kapital aus vielen Ländern an.*)
Unternehmen, die nicht nur auf ihrem Heimatmarkt aktiv sind, sondern auch grenzüberschreitend Geschäfte abschließen, geraten immer stärker in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Wissenschaftler, Politiker und Journalisten diskutieren teils heftig über diese multinationalen Unternehmen – so wurde z.B. die „Heuschreckendebatte“ geboren. Dabei beschränken sich die Aktivitäten der internationalen Firmen nicht nur auf anonyme Kapitalbeteiligungen.

Zum einen können Unternehmen ihre Waren und Dienstleistungen ins Ausland exportieren und somit über den Markt zum „Global Player“ avancieren. Zum anderen haben sie die Möglichkeit, eigene Tochterunternehmen jenseits der Heimat zu gründen oder andere Unternehmen zu übernehmen. Dadurch gelangen wichtige Ressourcen wie das Wissen um Produktions- und Fertigungstechniken in den Mutterkonzern. Ein anderer Weg, an das Know-how zu kommen – etwa die eigenen Mitarbeiter zu schulen – wäre oftmals zu aufwendig. Doch zwischen diesen beiden Extremformen existieren noch jede Menge andere Arten der Internationalisierung, so etwa Kooperationen wie Franchising, Lizenzierung, strategische Allianzen oder Joint Ventures.

Meist fließt bei diesen Zusammenschlüssen auch Kapital. Dieses erfasst die Statistik als Direktinvestitionen, sofern die Unternehmer mit diesem Geld Einfluss und Kontrolle auf die Geschäftstätigkeit ihrer ausländischen Partner gewinnen. Bei Joint Ventures, Tochtergesellschaften oder auch Übernahmen und Fusionen ist dies der Fall. Vor allem in den vergangenen 15 Jahren haben die Direktinvestitionen zugelegt:

In den siebziger Jahren freuten sich die Länder weltweit im Jahresdurchschnitt noch über gut 24 Milliarden Dollar, in den neunziger Jahren über 404 Milliarden Dollar an Direktinvestitionen – und von 2000 bis 2006 wurden pro Jahr sogar 918 Milliarden Dollar weltweit investiert.

Dabei zeigt sich sofort, welche Gegenden besonders attraktiv sind: Zwischen 2000 und 2006 entfielen fast 45 Prozent dieser Kapitalflüsse auf die Europäische Union und beinahe 20 Prozent auf Nordamerika. Zudem gerät der asiatische Kontinent mehr und mehr ins Blickfeld der Investoren: Während nach China, Indien und Co. in den siebziger Jahren rund 8 Prozent der Direktinvestitionen gingen, hat sich dieser Anteil auf nunmehr 18 Prozent erhöht.

Das Motto der global aktiven Unternehmen lautet derweil: Klotzen statt kleckern – denn anstatt sich mit einem Anteil bei anderen Firmen einzukaufen, werden diese meist gleich komplett übernommen:

Rund 70 Prozent der internationalen Direktinvestitionen gingen im Jahr 2006 auf das Konto von Fusionen und Übernahmen – auch in einer längeren Betrachtung seit 1990 bewegt sich der Anteil in dieser Größenordnung.

Ganz und gar nicht konstant dagegen zeigen sich die Investitionssummen, wenn diese nach Sektoren unterschieden werden. Der Rohstoffsektor beispielsweise, der es aufgrund hoher Ölpreise derzeit auf viele Titelseiten schafft, spielt nur eine untergeordnete Rolle, denn zunehmend gefragter werden Dienstleistungsunternehmen:

Während im Jahr 1990 mehr als die Hälfte aller weltweiten Fusionen und Übernahmen in der Industrie abgewickelt wurden, waren es 2006 nur noch 30 Prozent – in der Dienstleistungsbranche hingegen kletterte der Anteil von 42 Prozent auf 64 Prozent.

Die globalen Investitionen werden dabei begleitet von höheren Ausfuhren, die auch durch Tochterunternehmen angekurbelt werden: So schätzt die Welthandels- und Entwicklungskonferenz UNCTAD, dass mittlerweile ein Drittel des weltweiten Exports auf innerbetrieblichen Austausch zurückzuführen ist, der durch rund 780.000 registrierte Tochterunternehmen entsteht. Die Beweggründe und Motive, warum Unternehmen international operieren, sind indes vielfältig:

Einzelwirtschaftliche Motive

Vieles hängt vom ausländischen Markt ab. Ist dieser groß und wächst kräftig, so spricht vieles für eine Investition. Ebenso sind aber auch Kostenvorteile von Bedeutung. Damit sind nicht immer nur billige Löhne gemeint, sondern auch die Fixkosten. Denn diese sinken meist, wenn mehr produziert wird, was Unternehmen durch Zusammenarbeit erreichen können. Durch Kooperationen entstehen zudem Synergieeffekte, etwa bei der Verwaltung oder in der Forschung und Entwicklung. Zusätzlich können Betriebe so Risiken minimieren und sich Zugang zu Wissen schaffen, was ihnen möglicherweise entscheidende Wettbewerbsvorteile beschert.

Gesamtwirtschaftliche Motive

Faktoren wie politische und wirtschaftliche Stabilität der Länder, in welche die Direktinvestitionen fließen sollen, spielen bei den Anlageüberlegungen der Unternehmen eine große Rolle. Herrschen Krieg, Unruhen, Hyperinflation oder Rechtsunsicherheit, lassen Manager schnell die Finger von Beteiligungen. In Industrieländern allerdings finden sie meist ideale Bedingungen, um sich niederzulassen. Viele dieser Gründe lassen auch Unternehmer hierzulande abwägen, ob und wo sie investieren. Dabei entpuppt es sich als Vorurteil, dass für heimische Firmen nur Niedriglohnländer interessant sind:

Die deutschen Direktinvestitionen waren 2006 zu 70 Prozent in den Staaten der ehemaligen EU-15 und in den USA angelegt – in diesen Ländern ist auch fast die Hälfte der insgesamt 5,2 Millionen Beschäftigten der deutschen Tochterunternehmen zu finden.

Zum Vergleich: Auf das aufstrebende Asien entfielen 2006 nur rund 6 Prozent des Direktinvestitionsbestandes. Die Strategie der Firmen scheint eindeutig: Sie stocken vor allem bestehende Beteiligungen auf, ohne die Zahl der Tochterunternehmen stark zu erhöhen. Denn während die Direktinvestitionsbestände in den EU-15-Ländern sowie den Vereinigten Staaten seit dem Jahr 1990 um fast 600 Prozent angestiegen sind, hat die Zahl der Auslandsniederlassungen und -töchter in dieser Region lediglich um 20 Prozent zugenommen.

Ein wichtiges Ziel für Kapital aus Deutschland ist immer noch die Industrie: Zwar ist der Anteil dieses Wirtschaftssektors an allen deutschen Direktinvestitionen seit dem Jahr 1995 von 39 Prozent auf 25 Prozent gefallen. Doch unterm Strich ist nach wie vor über die Hälfte der deutschen Auslandsbeschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe tätig – vor allem in der Chemischen Industrie. Die Beschäftigtenzahl im Ausland erreicht hier 88 Prozent des Inlandswerts; im Fahrzeugbau sowie in der Elektroindustrie sind es immerhin noch 78 Prozent.

Ein ähnliches Bild ergibt sich für die ausländischen Investitionen in der Bundesrepublik. Ins Auge fallen dabei mehrere Entwicklungen. Zum einen haben laut amtlicher Statistik die USA als Investor an Bedeutung verloren. Im Jahr 1990 stammten 30 Prozent aller ausländischen Direktinvestitionsbestände von dort, 2006 belief sich der Anteil nur noch auf 11 Prozent. Demgegenüber pumpten die Länder der ehemaligen EU-15 immer mehr Kapital nach Deutschland: Ihre Bestände legten im selben Zeitraum von 36 auf 74 Prozent zu. Zum anderen verliert auch das Verarbeitende Gewerbe in der Bundesrepublik deutlich an Attraktivität:

Steckte 1990 noch über die Hälfte des ausländischen Direktinvestitionsbestandes im Industriesektor, reduzierte sich dieser Wert bis 2006 auf rund 32 Prozent.

Außerdem ist hierzulande der Anteil der sogenannten Beteiligungsgesellschaften mit 20 Prozent an allen ausländischen Direktinvestitionsbeständen hoch – hierunter fallen auch die Gelder der als Heuschrecken verschrieenen Private-Equity-Gesellschaften. In diesen Fällen zeigt sich, dass die amtliche Statistik an ihre Grenzen stößt. Denn der ursprüngliche Kapitalgeber und das letztendliche Ziel des Beteiligungskapitals können in diesem Falle gar nicht mehr genau identifiziert werden.

Insofern ist schwer nachzuvollziehen, welche Rolle etwa die Investitionen von Staatsfonds einnehmen, die in letzter Zeit häufiger in der Diskussion standen. Insgesamt erscheint eine Furcht vor ausländischen Investoren allerdings unbegründet. Denn die deutsche Wirtschaft mischt selbst in Geschäften rund um den Globus mit und ist damit abhängig von offenen Märkten. Einerseits die hohen Exportüberschüsse beim Warenhandel zu loben und andererseits für Beschränkungen von Investitionen zu plädieren, ist daher wenig überzeugend.

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Publikationshinweis*
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Multinationale Unternehmen – Eine theoretische und empirische Bestandsaufnahme
Von Christof Römer, IW-Analysen 39

Die deutsche Volkswirtschaft profitiert nach wie vor deutlich von der internationalen Arbeitsteilung. Die vorliegende Analyse geht dem Phänomen multinationaler Unternehmen mittels einer theoretischen und empirischen Bestandsaufnahme der grenzüberschreitenden Investitionen nach.

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