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Fachartikel, 21.08.2008
Weiterbildung
Es muss nicht immer ein Maßanzug sein
Jahrelang lautet das Credo in der Weiterbildung, dass Seminare und Trainings „maßgeschneidert“ sein müssen, um die gewünschten Weiterbildungsziele zu erreichen. Inzwischen macht sich jedoch zunehmend die Erkenntnis breit: Häufig genügen Seminarkonzepte von der Stange, die dem Bedarf der Zielgruppe angepasst werden.
„Ich dachte, ich hör’ nicht recht.“ Klaus Maier*, auf den Fachhandel spezialisierter Verkaufstrainer, erinnert sich noch gut an einen Termin, den er vor einem Jahr beim Personalleiter einer Handelskette hatte. Wortreich erklärte er diesem, wie er für Kunden Seminare konzipiert. „Zuerst führe ich eine Feldanalyse durch, um den Bedarf zu erkunden. Dann vereinbare ich mit ihnen die Ziele der Maßnahme. Anschließend entwickle ich ein Seminar, das ... “ Weiter kam Maier nicht, da ihn der Personalleiter knurrig unterbrach: „So einen aufwendigen Kram können wir nicht gebrauchen. Haben Sie kein Standardseminar, mit dem Sie unsere Mitarbeiter trainieren können?“

Maier war pikiert und versuchte den Einwand des Personalleiters mit den gewohnten Trainer-Argumenten zu entkräften. „Aber das Seminar soll doch auch die Philosophie Ihres Hauses widerspiegeln, und nur wenn es Ihren Mitarbeitern auf den Leib geschneidert ist, entfaltet es die gewünschte Wirkung.“ Weit kam Maier mit seinen Argumenten nicht, denn der Personalleiter erklärte ihm mehr oder minder klar: Wenn Sie wirklich ein im Fachhandel erfahrener Trainer sind, dann erwarte ich, dass Sie nach einem kurzen Briefing sozusagen aus dem Stand unsere Mitarbeiter in der Verkaufsfläche trainieren können. Denn letztlich haben die Verkäufer alle die gleichen Defizite – egal, ob sie für das Kaufhaus x oder y arbeiten. Deshalb bin ich nicht bereit, eine aufwendige Produktentwicklung zu finanzieren.

Kosten-Nutzen-Relation muss stimmen

Solche Reaktionen erfahren Trainer seit einigen Jahren immer häufiger. Denn in den Unternehmen hat sich eine neue Denke breit gemacht. Diese Erfahrung sammelt Prof. Dr. Karl Müller-Siebers, Präsident der Fachhochschule für die Wirtschaft (FHDW), Hannover, immer wieder. Auf der einen Seite erachten sie die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter als unverzichtbar. Also sind sie auch bereit, Zeit und Geld hierfür zu investieren. Zugleich sind sie aber zur Erkenntnis gelangt: Aufwand und Ertrag müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen. Das heißt, sie schauen zunächst sehr genau hin, wer und was wird geschult, und entscheiden dann: Was ist uns das Erreichen dieses Ziels wert?

Eine Folge hiervon ist: „In ein und demselben Unternehmen existieren vielfach nebeneinander mehrere Personalentwicklungskonzepte“, berichtet Dr. Georg Kraus. Der Unternehmensberater aus Bruchsal erläutert dies an einem Beispiel. Vor einiger Zeit fragte er den Bereichsleiter Personal einer Kapitalanlagegesellschaft nach deren Mitarbeiterqualifizierungsstrategie. Dessen Antwort: „Wir haben zwei. Bei unseren ‚Stars und Sternchen’“ – also zum Beispiel den Kandidaten für obere Führungspositionen und den stark umworbenen Spezialisten wie den Fondsmanagern – lautet unsere Maxime ‚den Allerwertesten pudern’.“ Das heißt, für diesen Personenkreis werden aufwendige Entwicklungsprogramme konzipiert und für sie werden auch individuelle Fördermaßnahmen wie Einzelcoachings finanziert. Geld spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

Ziel: Trainings standardisieren, Kosten minimieren

Anders sieht die Strategie bei den Verwaltungs- und Servicebereichen, dem so genannten Backoffice der Gesellschaft aus. Dort lautet nach Aussagen des Bereichsleiters Personal die Maxime „die Weiterbildung soweit wie möglich standardisieren und die Kosten soweit wie möglich minimieren“. Das heißt: Dort findet in der Regel keine langfristige Personalentwicklung statt. Die Weiterbildung erfolgt weitgehend bedarfsorientiert. Doch nicht nur dies. Dort kommen auch zumeist standardisierte Trainingskonzepte zum Einsatz und die Trainerrolle übernehmen vielfach firmeninterne Fachkräfte oder die Vorgesetzten der Mitarbeiter.

Solche Doppelstrategien lautstark verkünden tun Unternehmen in der Regel nicht. Sie schmücken sich in den Berichten, die zum Beispiel in Zeitungen über ihre Personalentwicklung erscheinen, lieber mit den aufwendigen Förderprogrammen für die „Stars und Sternchen“ – auch um als attraktive Arbeitgeber zu erscheinen. „Faktisch gibt es aber in fast allen Großunternehmen eine differenzierte Personalentwicklungsstrategie“, betont Dr. Georg Kraus. „Alles andere wäre auch betriebswirtschaftlicher Nonsens.“

Standardseminare sind stärker gefragt

Dass sich das Denken der Unternehmen gewandelt hat, spürt auch Wolfgang J. Schmitt, geschäftsführender Gesellschafter der Wirtschaftsberatungsgesellschaft Schmitt & Partner, die unter der Marke Trainplan® fix und fertig ausgearbeitete Seminar- und Trainingskonzepte verkauft. Seit circa drei Jahren registriert Schmitt eine „deutlich gestiegene Nachfrage“ nach ausgearbeiteten Seminarkonzepten seitens der Unternehmen. „Sie nutzen diese verstärkt, um speziell ihre Mitarbeiter auf der operativen Ebene zu schulen.“ Aus mehreren Gründen: Zum einen erachten sie es als wenig sinnvoll, wenn diese oft personenstarken Mitarbeitergruppen von zahlreichen Einzeltrainern trainiert werden, die alle mit verschiedenen Konzepten und Unterlagen arbeiten. „Eine gewisse Standardisierung ist hier auch aus Qualitätssicherungsgründen gewünscht.“ Zum anderen fragen sich, so Schmitts Erfahrung, die Unternehmen immer häufiger: Müssen wir, wenn es um das Schulen unserer Mitarbeiter in Standardthemen geht, das Rad stets neu erfinden? Oder ist es nicht besser, auf bewährte Seminarkonzepte zurückzugreifen und diese unserem Bedarf anzupassen?“ Ähnliche Fragen stellen sich offensichtlich auch viele selbstständige Trainer. Auch bei ihnen registriert Schmitt eine gestiegene Bereitschaft, vorgefertigte Seminarkonzepte zu nutzen – „zumindest bei den Themen, die nicht ihre Kern- oder Standardthemen sind, sondern zu denen sie nur ab und zu ein Seminar durchführen“.

Kleine Anpassungen genügen vielfach

Dass die Unternehmen sich häufiger fragen, muss es ein „Maßanzug“ sein, ist für den Mannheimer Berater Dirk Pfister, der Manager und Verkäufer in Kleidungsfragen berät, „ein Indiz für eine fortschreitende Professionalisierung der firmeninternen Weiterbildung. Die Weiterbildner denken stärker in betriebswirtschaftlichen Kategorien“. Deshalb gelangten sie beim Planen von Maßnahmen auch häufiger zur Überzeugung: „Hierfür brauchen wir keinen Maßanzug, der sozusagen aufwendig von Hand gefertigt wurde. Es genügt Konfektionsware oder eine industriell gefertigte Maßkonfektion, die unseren Bedürfnissen angepasst wird.“ Zurecht, betont Pfister und nennt ein Beispiel: „Wenn ich statt der Anlageberater der Vermögensberatung A die Berater der Vermögensberatung B in Sachen ‚treffsicher kleiden’ trainiere, dann genügt es meist, auf den Seminarunterlagen das Logo auszutauschen und ein, zwei Folien auszuwechseln. Dies als Maßschneiderei zu bezeichnen wäre Beutelschneiderei.“

Effektiver als die Alternative Selbstlernmedien

Für Prof. Dr. Müller-Siebers hat der zunehmende Rückgriff der Unternehmen auf standardisierte Seminarkonzepte gerade in den Bereichen, in denen viele Mitarbeiter beschäftigt sind – wie zum Beispiel der Produktion, der Verwaltung sowie im Service und Verkauf –, durchaus positive Aspekte. Denn was wäre hierzu die Alternative? Die Unternehmen würden bei diesen Personengruppen aus Kostengründen entweder ganz auf ein Schulen der Mitarbeiter verzichten oder hierfür zum Beispiel verstärkt E-Learning-Programme einsetzen.

Letzteres haben die Unternehmen in den zurückliegenden Jahren vielfach getan. Die Folge, so der Eindruck von Müller-Siebers: Gerade die Mitarbeiter, die am ehesten eine persönliche Unterstützung beim Lernen benötigt hätten, weil sie die geringste Erfahrung mit dem Lernen mit Selbstlernmedien haben, mussten mit diesen Medien lernen. „Die Führungskräfte und die hochqualifizierten Spezialisten hingegen, die meist eine akademische Ausbildung haben, fuhren weiterhin auf ein Seminar.“

Dass dies nicht zielgruppengerecht ist, erkennen, so sein Eindruck, immer mehr Unternehmen. Deshalb suchen sie nach neuen Wegen, wie sie zugleich ihre Weiterbildungskosten im Griff behalten und den Mitarbeitern in den operativen Bereichen das benötigte Wissen und Können vermitteln können. Ein Weg in diese Richtung scheint das verstärkte Nutzen von weitgehend standardisierten Trainingskonzepten zu sein; des Weiteren, dass diese Mitarbeiter zunehmend von internen Fachtrainern und ihren Vorgesetzten geschult werden. Für Dr. Kraus hat diese Art der Wissensvermittlung gegenüber dem selbstgesteuerten Lernen mit Selbstlernmedien einen klaren Vorzug: Die Lerner sind beim Lernen nicht allein. Und der Trainer kann aufgrund seiner Erfahrung sowie seiner Kenntnis der Branche und des Unternehmens die Lerninhalte unmittelbar auf die (Arbeits-)Situation der Teilnehmer beziehen.

* Name geändert

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