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Fachartikel, 16.01.2009
Vorruhestand
Milliarden vergeudet
Der vorzeitige Ausstieg aus dem Erwerbsleben kommt die Steuer- und Beitragszahler teuer zu stehen. Sie müssen für die Altersteilzeit, das verlängerte Arbeitslosengeld für über 55-Jährige und die auslaufende Sonderregelung für Arbeitslose ab 58 Jahren insgesamt 6,7 Milliarden Euro im Jahr aufbringen. Wenn auf die Förderung verzichtet würde, ließe sich viel Geld einsparen.*)
Im vergangenen Aufschwung wurde es deutlich: Fachkräfte werden knapp. Viele Unternehmen konnten auch deshalb nicht so viel produzieren, wie es die Auftragslage hergegeben hätte. Diesen Engpass hat der Staat mit verschuldet. Denn er fördert den Vorruhestand gleich an mehreren Stellen – wofür die Steuer- und Beitragszahler aufkommen:

1. Altersteilzeit

Eigentlich wollte man damit älteren Mitarbeitern die Möglichkeit einräumen, sich peu à peu aus dem Berufsleben zu verabschieden. Tatsächlich nutzen aber neun von zehn Altersteilzeitern, für die die jeweiligen Unternehmen Geld von der Bundesagentur für Arbeit (BA) bekommen, das Blockzeitmodell. Demnach arbeiten die Betroffenen die erste Hälfte der Altersteilzeit voll und bleiben dann daheim.

Für die gesetzliche Aufstockung der Altersteilzeitbezüge von 105.000 geförderten Personen musste die Nürnberger Behörde 2007 rund 1,4 Milliarden Euro aufwenden.

Altersteilzeit erfreut sich auch so großer Beliebtheit. Weitere 312.000 Beschäftige wählten im Jahr 2007 meist aufgrund von tarifvertraglichen Regelungen Altersteilzeit, auch ohne dass ihr Arbeitgeber die Förderkriterien der Bundesagentur für Arbeit erfüllte. Subventioniert werden diese Stellen gleichwohl – allerdings von allen Beitrags- und Steuerzahlern. Denn die Aufstockung der Teilzeitentgelte bleibt für den Arbeitgeber und die Teilzeiter steuer- und beitragsfrei. Es werden also de facto nur halbe Sozialbeiträge gezahlt. Trotzdem haben die Altersteilzeiter Anspruch auf den ganzen Katalog der Krankenversicherung.

Ohne die Förderung der Altersteilzeit würde die BA zwar die Zuschüsse einsparen. An anderer Stelle müsste sie aber zusetzen. Denn viele Arbeitslose bekämen nicht mehr die Chance, eine frei gewordene Altersteilzeit-Stelle zu besetzen – sie lägen der Arbeitslosenversicherung weiter auf der Tasche. Unter dem Strich käme es dennoch zu einer Entlastung um 0,9 Milliarden Euro.

2. Arbeitslosengeld-I-Bezug für Ältere

Die sogenannte 58er-Regelung wurde zwar im Rahmen der Arbeitsmarktreformen abgeschafft. Altfälle genießen aber Bestandsschutz. Demnach müssen sich seinerzeit 58-Jährige und Ältere – obwohl sie Arbeitslosengeld beziehen – nicht mehr bei ihrem Arbeitsvermittler blicken lassen. Damit besteht keine Chance, sie eventuell doch noch zu vermitteln und das ALG I einzusparen.

Eine andere, zuvor einkassierte Bestimmung wurde sogar reanimiert. Arbeitslosengeld-I-Bezieher im Alter von 55 bis 57 Jahren können seit 2008 wieder bis zu 18 Monate lang auf den Nürnberger Scheck setzen, ab 58 Jahren sind es sogar bis zu zwei Jahre. Zuvor war nach 12 bis 18 Monaten Schluss.

In vielen Fällen reicht die Verlängerung, um direkt aus der Arbeitslosigkeit in den vorgezogenen Ruhestand zu wechseln. Das ist zwar mit finanziellen Einbußen verbunden, für manchen aber immer noch besser, als Weiterbildungskurse zu besuchen und sich anschließend auf Arbeitssuche zu begeben.

Von diesen beiden Maßnahmen profitieren insgesamt knapp 410.000 Personen, für die die Bundesagentur für Arbeit jährlich 5,3 Milliarden Euro hinblättern muss. Ein Verzicht auf beide Instrumente würde nicht dazu führen, dass alle Älteren sofort in den Arbeitsmarkt zurückfinden. Aber wenn nur 10 bis 30 Prozent der Bezieher des verlängerten ALG I und 15 bis 40 Prozent der über die 58er-Regelung geförderten Personen vermittelt würden, käme eine Ersparnis von 2,0 bis 3,1 Milliarden Euro zusammen.

Der Verzicht auf Altersteilzeit, den längeren ALG-I-Bezug und die 58er-Regelung hätte die Steuer- und Beitragszahler 2007 um 2,9 bis 4,0 Milliarden Euro entlastet.

Noch nicht eingerechnet sind jene Wachstumschancen, die sich ergeben, wenn Ältere besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Wäre nur ein Fünftel der solchermaßen Ausgemusterten im Job geblieben, hätte das Bruttoinlandsprodukt 2007 um fast ein halbes Prozent höher gelegen.

*Vgl. Jochen Pimpertz, Holger Schäfer: Was kostet der vorzeitige Ausstieg aus dem Erwerbsleben?, in: IW-Trends 1/2009

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