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Fachartikel, 18.09.2007
Management (allgemein)
Von der Psychologie der Werbung und ihren Mythen
Der Traum in den Köpfen der Zielpersonen herumzustochern und dort die „richtige“ Stelle zu finden, bleibt bis heute für Marketers und Werbeexperten unerfüllt. Um gute Werbung zu machen, müssen wir nicht das Geringste über das Gehirn wissen. Selbst wenn wir, die selbst ernannten Werbefachleute, auch alles über das Gehirn wissen würden - besser würde unsere Werbung dadurch nicht.
Eine Website, eine Anzeige oder ein TV-Commercial landet weder in einer linken noch in einer rechten Gehirnhälfte, weder im Limbischen System noch in einem Belohnungszentrum, weder unterhalb noch oberhalb einer Bewusstseinsschwelle, sondern in einem Interesse oder wie auch immer man es nennt. Das herauszufinden ist keine Sache der Neurologie, sondern der Psychologie.

Die mit Längen populärste Theorie zur Werbung feiert dieses Jahr ihren Fünfzigsten. 1957 ist so etwas wie das Geburtsjahr der Unterschwelligen Werbung. Damals brachte der amerikanische Journalist Vance Packard seinen ersten Bestseller: „The Hidden Persuaders”, 1964 in Deutsch erschienen unter dem Titel „Die geheimen Verführer”. Packard studierte Journalismus und Naturwissenschaften, war Journalist und Redakteur, und wurde mit den geheimen Verführern und ein paar ähnlich erfolgreichen Büchern einer der populärsten Gesellschaftskritiker der USA. Packard registrierte damals teils erstaunt, teils belustigt die Entdeckung der Kaufmotive: dass Frauen die funktionale Notwendigkeit von Kleidern beim Kauf eines Dior-Modells ziemlich egal ist; dass Männer zum Autohändler mit einem Sportwagen im Kopf kommen und mit einem Kombi herausgehen; dass Kinder an den Cornflakes das Knacken, Krachen und Knuspern lieben. Mit den gleichen Gefühlen registrierte Packard den beginnenden Rummel um diese neue Psychologie: die ersten Schritte der kommerziellen Motivforschung; die Versuche der Marketing- und Werbeleute, sich die neuen Erkenntnisse zunutze zu machen; das Eigenmarketing geschäftstüchtiger Institutsleiter wie Ernest Dichter, Pierre Martineau und James M. Vicary.

„Die geheimen Verführer” ist in bester angelsächsischer Tradition geschriebene, heute noch lesbare US-amerikanische Kulturgeschichte der Nachkriegszeit. Der Hauptteil ist ein Mix aus Erstaunen und Belustigung, durchwachsen mit einiger Skepsis und Kritik. In der Einleitung und im Schluss bekommt das Buch die Note, die es weltweit zum Best- und Longseller gemacht hat. Hier herrscht der blanke Horror vor der „Tiefenpsychologie“: Harmlose Forschungsverfahren, die heute noch in Mode sind, sind furchtbare Werkzeuge; der Versuch, mit solchen Mitteln in unsere geheimsten Gedanken einzudringen, ist das schwerste Verbrechen vieler Tiefenmanipulatoren; Werbung, die auf der Motivanalyse beruht, wird zur Kriegskunst; wir geraten langsam in die eisige Welt George Orwells und seines Großen Bruders.

Packards Buch hat etwas von einer Verschwörungstheorie. Die Herausgeber der deutschen Ausgabe fanden den passenden Untertitel: „Der Griff nach dem Unbewussten in jedermann”. Über Packards Beweggründe kann man nur spekulieren. Seine Aufregung hat zumindest diesen Grund: Ihm fehlten Kenntnisse in Psychologie, die schon zu seiner Zeit alles andere als neu waren. So bezeichnete er die Motivforschung einerseits als Tiefenpsychologie, andererseits als Massenpsychologie, warf Tiefenpsychologie sogar mit Pawlowscher Physiologie in einen Topf, und vermischte unbewusstes Wahrnehmen mit unbewusstem Handeln. Er leistete sich sogar den taktischen Schnitzer, die ersten zwei Drittel seines Buchs mit „Der Verbraucher will überredet sein” zu überschreiben – wenn der Verbraucher das so will, kann es mit der Manipulation nicht allzu weit her sein.

Im gleichen Jahr 1957 schockte das „Wall Street Journal” die Welt mit einer Sensationsmeldung: James M. Vicary, einer dieser aufstrebenden Institutchefs, hatte in einem Kino in Fort Lee, New Jersey, ohne Wissen des Publikums in den laufenden Film die unterschwelligen Befehle „Trink Cola!” und „Iss Popcorn!” einblenden lassen. Die Sätze erschienen alle fünf Sekunden und standen jeweils nur für den dreitausendsten Teil einer Sekunde – zu kurz, als dass irgendjemand sie hätte bewusst wahrnehmen können. In den sechs Wochen, die das Experiment dauerte, stieg der Verkauf im Foyer des Kinos bei Cola um ca. 18 Prozent, bei Popcorn um ca. 58 Prozent. Angesichts solcher Erfolge wurde die sensationelle Werbetechnik zum Patent angemeldet. Auf ein ähnliches Ereignis hatte Packard, eher beiläufig und unter einigem Vorbehalt, in „Die geheimen Verführer“ hingewiesen. In diesem Fall handelte es sich um einen Bericht der „London Sunday Times” von Mitte 1956, Schauplatz war ebenfalls ein Kino in New Jersey, die Einblendungen erhöhten den Absatz von Eiscreme. Offenbar lag um diese Zeit das Thema in der Luft.

Als Vicary sein Experiment der Presse präsentierte, vertröstete er die Journalisten, wegen des laufenden Patentierungsverfahrens müsse man vorerst auf weitere Einzelheiten verzichten. Werbeleute, Psychologen und Verbände hatten von Anfang an ihre Zweifel und forderten Beweise. Vicary konnte nicht einmal das Kino nennen. Es existierte keinerlei Dokumentation des Experiments. Bei Demonstrationen funktionierte die Apparatur nicht, und wenn, dann funktionierte das Experiment nicht. Auch Wiederholungen nach den traditionellen Regeln des wissenschaftlichen Experiments, durch Vicary selbst und durch andere, bestätigten nicht das Original-Ereignis. Fünf Jahre später, 1962 in einem Interview mit der Zeitschrift „Advertising Age” offenbarte James. M. Vicary, dass das Trink-Cola-Iss-Popcorn-Experiment nie stattgefunden hat.

Zu spät. Das spektakulärste Experiment und das berühmteste Buch über den Griff nach dem Unbewussten hatten die populärste Theorie zur Werbung in die Welt gesetzt. Seitdem ist die Theorie von unterschwelliger Werbung und geheimer Verführung fester Bestandteil der westlichen Kulturkritik. Sie hielt sich auch in Marketing und Werbung. Dort wird zwar die Wirksamkeit des Unterschwelligen immer wieder bezweifelt, aber mit wenig Engagement und Glaubwürdigkeit. Im Konzept der emotionalen Konditionierung durch Reize der Bildkommunikation lebt die Theorie fort, in der Vorliebe für Polygrafen, Tachistoskop und andere Apparatepsychologie kommt sie an´s Licht. Klar, man kann mit einem Apparat feststellen, bei welchem Wort oder Bild die Versuchsperson wie stark in´s Schwitzen gerät, und bei welcher Belichtungszeit sie dieses oder jenes Detail der Testvorlage erkennt. Dann reicht es aus, von Reizschwelle zu sprechen. Eine Schwelle zwischen bewusst und unbewusst hat noch niemand gesehen. Aber jeder will unter ihr durch.

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