Von 2000 bis 2006 hatten sich in den USA die Preise für Häuser mehr als verdoppelt - anschließend sind sie um ein Drittel eingebrochen. Das IW Köln hat untersucht, wie solche Blasen entstehen und platzen.*)
Die Immobilienkrise war nichts anderes als die Folge eines Roulettespiels, bei dem die Banken nur auf eine Farbe setzten. Das Kalkül der Banken konnte jedoch nur so lange aufgehen wie die Immobilienpreise stiegen und die Investoren glaubten, dass dies weiterhin so bleibt.
Um zu verstehen, warum sich an den Märkten immer wieder ebenso riesige wie irrationale Preisblasen bilden, lohnt ein Blick zurück ins 17. Jahrhundert: Damals entwickelte sich in Holland die „Tulpenmanie“. Der bis dahin eher als langweilig geltende Gartenschmuck war binnen kurzer Zeit zum Kultobjekt geworden und seltene Exemplare wie die „Semper Augustus“ kosteten so viel wie eine Villa im Zentrum von Amsterdam. Urplötzlich aber war der Boom vorbei – und es brach nicht nur der Tulpenmarkt zusammen, sondern die gesamte Wirtschaft.
Das Kalkül hinter Preisblasen: Solange die Preise nach oben klettern, ist es für den Einzelnen sinnvoll, auf weiter steigende Werte zu setzen. Denn ein Verzicht würde bedeuten, sich Gewinne entgehen zu lassen. Genau das hat sich immer wieder in der Vergangenheit abgespielt – zum Beispiel vor der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren, aber auch vor den dotcom-Turbulenzen Anfang 2000 und im vergangenen Jahr auf dem US-Immobilienmarkt.
Weil die Politik das unrealistische Ziel ausgab, jeder Amerikaner solle ein eigenes Häuschen haben und die US-Notenbank diese Illusion durch niedrige Zinsen, sprich: billige Kredite, nährte, kannten die Immobilienpreise jahrzehntelang nur eine Richtung – nach oben: Von 2000 bis 2006 haben sich die Hauspreise in den USA mehr als verdoppelt.
Hinzu kam die unrühmliche Rolle der beiden staatlichen Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddy Mac, die in großem Stil Hypothekenkredite von den Hausbanken aufkauften. Diese mussten also nicht mehr 20 oder 30 Jahre auf die Rückzahlung warten.
Unter solch scheinbar perfekten Bedingungen konnten es sich die Banken sogar leisten, Kredite auszugeben, für die in den ersten Jahren weder Zins noch Tilgung fällig wurden. Im Klartext: Menschen kauften Häuser, die sie sich nie und nimmer leisten konnten. Die Betroffenen selbst wiegte das amerikanische Rechtssystem in Sicherheit. Wer die Raten nicht mehr zahlen kann, gibt in den USA den Haustürschlüssel an die Bank ab und ist damit jegliche Verpflichtung los. Auch für die Geldinstitute schien das Risiko gering, im Fall des Falles wollten sie sich einfach an den – vermeintlich immer wertvolleren – Häusern schadlos halten.
So weit, so fatal. Denn hätten die Banken ihr Tun in eine mathematische Formel gegossen, wäre ihnen ihr Denkfehler vielleicht aufgefallen: Wie ein Roulette-Spieler setzten die Banken alles auf Rot (steigende Preise) – und weil sie gewannen, setzten sie wieder auf Rot. Und wieder. Doch dann kam, was eben auch passiert: Die Kugel rollte auf Schwarz – die Preise fielen also.
Die Statistik dahinter: Wenn die US-Hauspreise in einem Monat steigen und die Mehrheit der Investoren zudem von weiter anziehenden Preisen ausgeht, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch im nächsten Monat steigen, laut IW-Berechnungen stolze 98,4 Prozent. Folglich liegt die Wahrscheinlichkeit fallender Preise bei gerade einmal 1,6 Prozent.
Auf den ersten Blick ist das Geschäft nicht besonders riskant. Das Gefährliche ist die Tatsache, dass das niedrige Risiko von 1,6 Prozent nur für den Fall gilt, dass die Preise im Vormonat gestiegen sind. Taten sie das nicht, kommt eine noch größere Lawine ins Rollen: Sind die Preise nämlich ins Rutschen gekommen, so beträgt die Wahrscheinlichkeit für steigende Preise nur noch 0,7 Prozent, die für weiter nachgebende Preise 99,3 Prozent.
Da künftige Preise letztlich nicht prognostizierbar sind, lässt sich vereinfacht sagen: Wie im Roulette stehen die Chancen auf Rot (steigende Preise) oder Schwarz (sinkende Preise) 50:50. Sehr lange in die Höhe kletternde Preise sind also ein ziemlich sicheres Indiz dafür, dass sie bald gnadenlos abstürzen.
Diese Erfahrung musste vor rund 370 Jahren auch Rembrandt Harmenszoon van Rijn machen. Der heute weltberühmte Maler saß nicht nur auf wertlosen Tulpenkontrakten, er bekam auch kaum noch Aufträge, denn viele seiner Landsleute waren schlichtweg pleite. Schließlich musste er Konkurs anmelden und zusehen, wie sogar sein Haus versteigert wurde. Rembrandt starb 1669, bettelarm.
*) Vgl. Markus Demary: Die Anatomie der US-Hauspreisblase, in: IW-Trends 4/2009