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Fachartikel, 29.01.2009
Rhetorik
Zitate sind für Selbstvermarkter Sprengstoffgürtel
Sie ist eine der ungeschriebenen und dennoch falschen Regeln der Rhetorik-Branche: Eine gute Rede muss mindestens ein Zitat enthalten. Getreu dem Motto: Je bekannter der Zitate-Geber, umso besser für den Redner. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie schon Johann Wolfgang von Schiller zu sagen pflegte… Warum ist diese Auffassung falsch und sogar kontraproduktiv? Und warum sollten sich die Markeninhaber der „Marke Ich“ davor hüten, Zitate zu verwenden?
Ein Zitat gibt wörtlich die Gedanken eines Bekannteren wider, dessen „Geistesblitz“ wir zum Beweis oder zur Stütze unserer eigenen Aussagen / Thesen / Argumente / Meinungen heranziehen. Zitate gießen einen bestimmten Inhalt in eine meist verdichtete Aussage. Darum bilden sie lediglich die Meinung eines Einzelnen ab. Als Beispiel für die Subjektivität der Aussage soll ein Blick ins Zitatenlexikon dienen. Nehmen wir das abstrakte Wort Leben und schlagen nach, was berühmten Menschen Schlaues dazu einfiel:

Der griesgrämige Frauenverächter Schopenhauer meint: „Alles Leben ist Leiden.“ Der Dichter Detlev v. Liliencron sekundiert fast wörtlich und schreibt: „Alles Leben ist Lüge.“ Der Dichter der Loreley Heinrich Heine meint – ebenso pessimistisch – „Das Leben ist eine Krankheit, die ganze Welt ist ein Lazarett!“ Für den großen griechischen Tragödiendichter Euripides hingegen bleibt das Leben „allzeit der größte Schatz.“ Und für den Dichter-Kollegen Bodenstedt ist fast 2300 Jahre später das Leben „ein Darlehen, keine Gabe.“

Die Reihe lässt sich fortsetzen. Deutlich wird an diesen wenigen Beispielen, dass Zitate immer sehr subjektiv sind und ihr Entstehen zumeist auch an eine bestimmte Situation gebunden ist. Wir Heutigen kennen meist nicht die Entstehungsbedingungen, wir wissen weder etwas über den Gemütszustand des Zitate-Gebers noch über die äußeren Umstände. Schrieb Schopenhauer den Satz nach erfolglosem Werben um eine Frau, Heine auf seinem Pariser Krankenlager und Bodenstedt in einer Kirche? Weil wir all diese Umstände nicht kennen, hat die Aussage des meist schon Verstorbenen auch keinen Wert für den Redner. Die früher ernst gemeinte Frage „Was will uns der Dichter damit sagen?“ kann gar nicht beantwortet werden, zumindest nicht aus dem Text heraus.

Ein Zitat, ein Zitat, ein Königreich für ein Zitat

Wenn ein Redner mit einem öffentlichen Monolog punkten will, sollte er nicht auf die Sätze anderer zurückgreifen, denn dies wirkt hilflos und wenig vertrauenswürdig. Wenn wir es nicht schaffen, die Inhalte plausibel zu kommunizieren, dann wirkt ein Zitat wie ein Hilfeschrei: ‚Bitte, lieber Zuhörer, glaube mir, Einstein hat doch Ähnliches gesagt.’

Viel besser ist es, in der Rede einen oder mehrere Sätze zu platzieren (und zu wiederholen), die zitierfähig sind. Meine Erfahrungen bestätigen immer wieder: Genau diese Sätze werden dann von der Presse dankbar aufgenommen und zitiert. Sie sind kurz, prägnant und geben wie im Brennglas die Meinung des Redners wider. So haben es die Medien gern.

Sätze, die auf dem eigenen Mist gewachsen sind und das Zeug zum Zitat haben, besitzen aber noch einen anderen Vorteil. Von einer Rede oder einem Vortrag bleiben nach Stunden oder Tagen meist nur die wichtigsten Kernaussagen. Wenn diese merkfähig geschrieben sind und demnach zitiert werden – herzlichen Glückwunsch! Die alles entscheidende Frage lautet nun: Wie komme ich zu solch einem Satz, den andere in den Mund nehmen? Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie Norbert Hugendübler immer zu sagen pflegte …

Der Redner hat’s gegeben, der Hörer hat’s genommen

Zitate sind ihrem Wesen nach meist einfache Behauptungen, Vergleiche oder Metaphern. Damit sie auch wirklich den Kernpunkt unseres Monologs wiedergeben, muss dieser im ersten Schritt formuliert werden. Im zweiten geht es darum, den Ausgangssatz zu verdichten und ihn gegebenenfalls in einen Vergleich oder eine Metapher umzuformen. Im dritten prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht noch ein Fehler findet. Erst wenn der Satz, von allen Seiten betrachtet, als gut befunden wurde, kann der Redner ihn verwenden.

Ein Beispiel aus der Praxis: Thema Vertrauen. Die Botschaft des Monologs, welche der Redner in einer der ersten Phasen der Vorbereitung festgelegt hat, lautet: „Wenn Menschen anderen vertrauen, dann geben Sie etwas von sich weg. Wenn sich dieses Vertrauen lohnt, bekommen wir vom Gegebenen das Mehrfache zurück.“

Im ersten Schritt stellen wir also eine Behauptung auf. Im zweiten versuchen wir, diese zusammenzufassen und in einen Vergleich oder eine Metapher zufassen, mit der sich das Abstraktum beschreiben lässt: „Vertrauen ist (wie) Vorschusslorbeer. Wenn wir ein Blatt davon weggegeben, erhalten wir das Mehrfache davon zurück, wenn sich das Vertrauen lohnt.“ Weil diese Sätze noch zu lang sind, müssen wir unser Jung-Zitat auf das Notwendigste streichen: „Vertrauen ist ein Blatt Vorschusslorbeer, das wir bei Erfolg als Baum zurückerhalten.“

Ein zweites Beispiel: Lehrer müssen mehrfach am Tag zwischen Autorität (im Klassenzimmer) und Unterordnung (im Lehrerzimmer und zu Hause) wechseln. Wer aber ständig in verschiedene Rollen schlüpft, läuft Gefahr der Persönlichkeitsspaltung. Das Zitat: „Lehrer sind schizophrene Wanderer zwischen Autorität und Subordination.“ Ein drittes Beispiel, das mit den verschiedenen Bedeutungen des Wortstamms „verleg“ spielt: „Ein Verleger heißt Verleger, weil er nicht verlegen wird, wenn er das Honorar für seine Autoren verlegt.“

Wenn Sie ein oder sogar mehrere zitierfähige Sätze gefunden haben, dann suchen Sie jenen aus, der sich leicht merken lässt, sprachlich attraktiv erscheint und den Kern Ihrer Botschaft am besten übermittelt. Dieser Satz darf und muss dann in Ihrem Vortrag, in der Präsentation oder der Rede an mehreren Stellen auftauchen. Weil sich Hörer vor allem an den Beginn und – mehr noch – an den Schluss einer Rede erinnern, sollten Sie den Satz auch genau an diesen Stellen platzieren.

Zitat ist nicht gleich Zitat

Zum Schluss noch ein Wort zum Fachvortrag bzw. zur Vorlesung. Hier üben Zitate eine andere Funktion aus. Sie fassen in prägnanter Form meist Resultate von Forschungen zusammen, untermauern oder belegen Hypothesen durch Äußerungen anderer Personen (Zeitzeugen, Testpersonen…) oder lassen Zeitzeugen zu Wort kommen. Wir sprechen hier zwar auch von Zitaten, meine aber nicht jene aus Zitatenlexika. Ein Zitat im wissenschaftlichen Sinne ist demnach auch meist viel mehr als nur ein Satz oder eine kurze Sentenz. Es fasst zusammen, beweist, untermauert oder widerspricht.

Im oben beschriebenen Sinn allerdings sollten Zitate in einem öffentlich gehaltenen Monolog nur dann auftauchen, wenn es ganz schnell gehen muss. Ansonsten sind sie zu vermeiden, denn bei etwas Übung braucht man am Ende genauso viel Zeit, ein eigenes Zitat zu basteln als in verschiedenen Lexika oder im Internet eines zu finden. Der Lohn für die Mühe steht am nächsten Tag in der Zeitung. Oder er wird von den Hörern mündlich weiter getragen.

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