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Fachartikel, 18.09.2007
Beschaffung
Qualitätsmanagement in der Prozessindustrie durch lückenlose Traceability
Die Rückverfolgbarkeit von Herstellungs- und Lieferprozessen gewinnt in der Industrie zunehmend an Bedeutung und wird auch je nach Branche immer stärker formalisiert. Exemplarisch verpflichtet beispielsweise die EU – Verordnung 178/2002 Nahrungsmittelbetriebe Rückverfolgungssysteme zu betreiben. Lesen Sie in diesem Beitrag zur Bedeutung von Traceability-Systemen für das Qualitätsmanagement in der Prozessindustrie und welchen Bedingungen eine IT-gestützte Lösung zur lückenlosen Rückverfolgung erfüllen sollte.
Ein häufig genanntes Motiv zur Implementierung eines Traceability-Systems ist die Transparenz des Lieferstatus, weil die Abnehmer, allen voran die Automobilindustrie, dies fordern. Aber auch ohne Druck von außen sind Rückverfolgungssysteme eine Investition, die sich für ein Unternehmen schnell rechnet. Einfache Systeme liefern Informationen zu den Rohstoffchargen eines Endproduktes. Komplexe Systeme dagegen enthalten alle Produktionsparameter zur Herstellcharge. Eine lückenlose Traceability kann entlang der gesamten Wertschöpfungskette den Prozess absichern helfen und die entscheidenden Informationen liefern, um bisher ungenutzte Optimierungspotenziale auszuschöpfen.

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  • „Traceability“: Die Dokumentation wann und wo und durch wen ein Produkt entstanden, transportiert, verarbeitet, gelagert, verbraucht oder entsorgt wurde.
  • „Tracing“: Rückverfolgung von Ware entlang der logistischen Kette vom Hersteller in Richtung Verbraucher.
  • „Lückenlose Traceability“: Erfassen und Speichern aller Qualitätsdaten und Produktionsparameter unter denen ein Produkt entstanden ist.

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Zwar ist die Rückverfolgbarkeit von Daten bis zu einem gewissen Grad papierbasiert im Grunde möglich, doch angesichts des personellen Arbeitsaufwandes wirtschaftlich in aller Regel nicht vertretbar. Soll ein Traceability-System dem den Anspruch der Lückenlosigkeit Rechnung tragen, müssen Bereits in der Konzeptionsphase wichtige Fragen beantwortet werden. Bis in welche Tiefe soll das System ausgelegt werden? Welche Reichweite soll die Traceability haben? Mit der Tiefe sind die Daten gemeint, die von den Messgeräten der Qualitätskontrolle einerseits und den Sensoren und Anlagenfahrdaten der Produktion andererseits stammen. Mit der Bestimmung der Reichweite des Systems soll sichergestellt werden ob neben der eigenen Wertschöpfungskette auch die Supply Chain in die Traceability einbezogen werden muss.

Wird ein System durch äußeren Druck implementiert, steht eine Risikobewertung am Anfang der Überlegung. Die entscheidende Frage, die es zu klären gilt ist, welcher wirtschaftliche Schaden entsteht, wenn Produktmängel nach der Auslieferung bekannt werden. Nicht unberücksichtigt bleiben darf ebenfalls der Zeitfaktor der Entdeckung des Fehlers und der Durchführung der Rückrufaktion. In der Prozessindustrie sind häufig mehrfach verkettete Lieferanten/Kunden Beziehungen anzutreffen, d.h. das Produkt ist gleichzeitig Rohstoff vieler Endprodukte. Rückrufaktionen können daher ungeahnte Ausmaße annehmen, Mangelfolgeschäden sind eher die Regel als die Ausnahme. Über die Produkthaftung kann der verursachende Lieferant an den Kosten einer Rückrufaktion beteiligt werden, der entstandene Schaden kann existenzbedrohende Dimensionen annehmen.

Auch bei sehr großer Sorgfalt in der Herstellung und im Umgang mit Produkten der Prozessindustrie, können Unternehmer nie ganz ausschließen, von einer Rückrufaktion bereits ausgelieferter Ware betroffen zu werden. Die eindeutige Kennzeichnung der Chargen und aller Zutaten hilft dem Betrieb finanziellen Schaden zu minimieren oder ganz abzuwenden. Voraussetzung für eine Rückverfolgung ist ein durchgängiges System eindeutiger Kennzeichnungen, das hier beispielhaft für eine chargenorientierte Produktion angenommen wird. Bei kontinuierlichen Prozessen, beispielsweise wenn ein Silo im Einsatz ist, der nie ganz entleert wird, ist die Abgrenzung einzelner Chargen schwieriger, die Stoffmengen erheblich größer. Mit der größeren Stoffmenge steigt der finanzielle Schaden und das Ausmaß einer Rückrufaktion.

Im Sinne einer chargenreinen Rückverfolgbarkeit sollten auch die Prozesse überprüft werden und wo immer möglich eine eindeutige Trennung aller Rohstoffchargen herbeigeführt werden. Wenn Traceability als Chance zur Prozessabsicherung und Prozessverbesserung und nicht als das zwanghafte Erfüllen gesetzlicher Anforderungen begriffen wird, dann kann Traceability zu einem wesentlichen Wettbewerbsfaktor werden. Vom Imageschaden und der Kaufzurückhaltung bei den Konsumenten einmal abgesehen, sollte die Traceability über die produzierten Chargen unternehmerische Pflicht sein.

Traceability aus der Sicht der Qualitätssicherung

Der Qualitätskontrolle und –sicherung ist üblicherweise das Labor unterstellt. Das Analysenlabor stellt für die Traceability seine Kernkompetenz zur Verfügung. Es verfügt über die Untersuchungsdaten der angelieferten Rohstoffe, Zwischen- und Endprodukte und organisiert die Verwaltung der Rückstellproben. Diese Aufgabe wird üblicherweise durch das IT-Werkzeug LIMS (Labor-Informations- und Managementsystem) unterstützt, das gleichzeitig die Anforderungen an die Datensicherheit und -integrität sicherstellt.

Bei einer Reklamation wird zunächst die Rückstellprobe begutachtet. Erhärtet sich der Verdacht einer Kontamination, muss die Rückstellprobe der Vorgängercharge ebenfalls auf Kontamination bzw. Spezifikationsverletzung untersucht werden. Damit Traceability reibungslos funktioniert, ist es notwendig, bei den Laboraufträgen die Information des zugehörigen Vorgängerauftrags zu dokumentieren. Im Labor erfolgt dies für den Wareneingang und für die Produktion unterschiedlich. Jeder Wareneingang eines Lieferanten wird als ein Laborauftrag registriert, der wiederum mehrere Proben beinhalten kann. Bei den Produktchargen wird jeweils eine Charge als ein Laborauftrag behandelt. Die Aufträge werden dabei so miteinander verknüpft, dass jederzeit eine Rückverfolgung von der Bulkware bis zur Fertigware möglich ist. Hierzu muss die Vorauftragsnummer jeweils am aktuellen Auftrag mitgeschrieben werden. Wird so verfahren, kann die Rückverfolgung über eine beliebige Anzahl von Vorgängerchargen mit beliebiger Schachteltiefe vorgenommen werden.

Soll bis auf die Rohstoffebene zurückverfolgt werden, ist die Fertigungsauftragsnummer (SAP-Jargon) über eine Schnittstelle zum ERP System notwendig. Um dem Anwender eine schnelle Information über die Zusammensetzung der Chargen zu geben bieten die Hersteller von IT-Systemen die grafische Darstellung für die Chargenrückverfolgung an.

Traceability aus der Sicht der Produktion

In der Produktion werden zur Rückverfolgung üblicherweise MES (Manufacturing Execution Systeme) eingesetzt, die über MDE (Maschinendatenerfassung) und BDE (Betriebsdatenerfassung) Funktionalität verfügen. Die MDE sorgt für eine automatisierte Datenaufnahme der Maschinen und Anlagen und stellt sicher, dass alle relevanten Produktionsparameter erfasst und konsolidiert werden. Über die BDE werden Produktionszeiten und die produzierten Mengen erfasst und an das ERP zurückgemeldet. Über die BDE Terminals können eventuelle Störungen, technische Stillstände, Reinigungs- und Rüstzeiten, sowie bei Bedarf Personalzeiten erfasst werden, um das Anlagencontrolling zu gewährleisten.

Vom ERP (Enterprise Ressource Planning)-System werden die Kundenaufträge, Verkaufsprognosen und die Lageraufträge zu Fertigungsaufträgen zusammengefasst und als SOLL - Vorgabe an das MES (MES_Software) gesendet. Hier erfolgt eine Feinplanung, die es ermöglicht, die Produktionsanlagen unter Berücksichtigung der Rezepturen, endlicher Kapazität und Ressourcen optimal auszulasen. Bei der lückenlosen Traceability werden die produzierten Chargen im MES (Manufacturing Execution System) mit den Fertigungsaufträgen und den gemessenen Produktionsparametern zusammengeführt.

Aufgrund der komplexen Zusammenhänge der Traceability-Daten und der Notwendigkeit der sicheren Zuordnung aller Daten zur Charge ist es leicht verständlich, weshalb integrierte Systeme einfacher aufzusetzen sind als Subsysteme, die über Schnittstellen kommunizieren. Ein weiterer Vorteil integrierter Systeme ist, dass sie Arbeit innerhalb einer Datenbankstruktur ermöglichen. Die Anwender verfügen über eine einheitliche Benutzerführung, und es muss nur ein Softwaresystem für die technischen Prozesse administriert werden. Ist ein Traceability System mit Leben, sprich Daten gefüllt, kann ein Chargenpass auf Knopfdruck erstellt werden.

Fazit

Das Unternehmen, das im Schadensfall eine lückenlose Traceability vorweisen kann, ist schnell aus dem Verdacht, Mangelfolgeschäden verursacht zu haben. Darüber hinaus hat es bei der Implementierung des Traceability Systems die eigenen Prozesse untersucht und dabei optimiert. Durch die online Anbindung der Maschinen, Anlagen und Prüfmittel sind bei der Datenaufnahme Plausibilisierungen der Werte möglich. Sich abzeichnende Fehler können ad hoc korrigiert werden, so dass Verschwendung durch Ausschuss gar nicht erst entsteht. Bei einem offline Prozess werden die Fehler zu einem späten Zeitpunkt detektiert, hohe Kosten für die Nacharbeit und Entsorgung sind unvermeidbar. Durch die online Verfügbarkeit der Qualitätsdaten werden die Produktionsprozesse über Regelkreise gesteuert und Fehler präventiv vermieden.

Betrachtet man die Kosten einer lückenlosen Traceability und vergleicht diese mit denen einer Rückrufaktion, dann ist der zu erwartende finanzielle Nutzen einer Traceability Lösung extrem hoch. Mit der Einhaltung gängiger Kommunikationsstandards können Traceability-Daten über Unternehmensgrenzen hinweg genutzt werden und schaffen so eine hohe Produktsicherheit, die dem Lieferant, Hersteller und schließlich dem Endkunden dient.

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