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Fachartikel, 05.05.2011
Positionierung
Sich positionieren heißt Position beziehen
Statt sich über eine klare Positionierung von ihren Mitbewerbern abzuheben, agieren viele Unternehmen und Selbstständige nach dem Bauchladen- und Rasenmäherprinzip. Die Folge: Ihr Profil ist so verwaschen, dass es letztlich niemand anspricht.

„Wenn ich das alles lesen würde, hätte ich für meine Arbeit keine Zeit.“ Das denken Top-Entscheider in Unternehmen oft, wenn sie morgens die Poststapel auf ihren Schreibtischen sehen. Oder wenn sie die eingegangenen E-Mails checken.

Entsprechend rigide verfahren sie mit den zugesandten (elektronischen) Briefen. Werbeschreiben landen meist ungeöffnet im (elektronischen) Papierkorb. Und wenn sie diese doch mal öffnen? Dann lassen sie nur ein, zwei Sekunden ihre Augen über die Unterlagen schweifen. Und dann? Dann landen diese meist ebenfalls im Papierkorb – insbesondere, wenn die Entscheider den Eindruck haben: Da bietet mir mal wieder so ein Berater seinen gesamten Bauchladen an.

Dieses Gefühl haben Top-Entscheider – unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um Geschäftsführer, Vorstände, Personal- oder Vertriebsleiter handelt – beim Sichten der ihnen von persönlichen Dienstleistern zugesandten Unterlagen oft. So zum Beispiel, wenn sie registrieren, dass ein und derselbe Trainer neben Verkaufsseminaren, auch Stress- und Projektmanagementtrainings in seinem Programm führt. Und selbstverständlich dürfen auch die allseits beliebten Themen Führung, Moderation und Präsentation nicht fehlen. Gerade bei Einzelkämpfern fragen sich die Entscheider dann sogleich: Wo hat der Trainer/Berater die Kompetenz für all diese Themen erworben?

Ähnlich verhält es sich bei vielen größeren Trainings- und Beratungsanbietern. Auch ihre Angebotspalette ist oft so breit, dass keine Kernkompetenz erkennbar ist. Diese zu erkennen, ist den Firmeninternen, wenn sie externe Trainings- oder Beratungspartner suchen, jedoch wichtig. Denn kein Anbieter kann in allen Bereichen gleich fit sein.

Kernkompetenz ist meist schwer erkennbar

Beim Versuch, die Kernkompetenz eines Anbieters über dessen Themenspektrum zu ermitteln, kommen die Internen oft nicht weit. Ähnlich ergeht es ihnen, wenn sie versuchen, über die Zielgruppendefinition eines Anbieters, dessen Stärken oder gar Alleinstellungsmerkmal zu erkunden. Auch dieser Versuch scheitert meist! Denn zumindest jede zweite Zielgruppendefinition ist geprägt von Formulierungen wie „Fach- und Führungskräfte aus Industrie, Handel und Verwaltung“. Kürzer könnte man schreiben: Jeder, der bereit ist, uns zu bezahlen.

Trotzdem stehen solche Wischiwaschi-Formulierungen in den Werbeunterlagen fast aller Bildungs- und Beratungsanbieter. Warum? In der Regel versuchen sie, bei ihren Marketingaktivitäten ein möglichst breites Netz aufzuspannen, in der Hoffnung, dass darin einige Kunden hängen bleiben. Das Gegenteil ist meist der Fall: Aufgrund der vagen Aussagen fühlt sich niemand angesprochen.

Markt und Zielgruppen sind unscharf definiert

Fakt ist: Die meisten Bildungs- und Beratungsanbieter nehmen sich nicht ausreichend Zeit, um ihre Zielgruppen und ihren Markt zu definieren – vielleicht auch, weil ihre Stärken oft eher im kommunikativen als analytischen Bereich liegen. Deutlich tritt diese Schwäche zumeist zutage, wenn sie den Schritt in die Selbständigkeit oder gar zum Aufbau eines Beratungsunternehmens mit angestellten Mitarbeitern wagen. Denn dann müssen sie plötzlich (auch) eine Managementfunktion ausüben. Und plötzlich ist von ihnen primär ein systematisches, zielgerichtetes Denken und Handeln gefragt – zum Beispiel, wenn es um das Erschließen bestimmter Marktsegmente oder Kundengruppen geht. Dann müssen die Berater plötzlich Tätigkeiten ausüben wie

  • wie Marktprozesse und -strukturen sowie Entscheidungsstrukturen bei Kunden analysieren,
  • Entscheidungen für und damit zugleich gegen bestimmte Marktsegmente/Kundengruppen treffen (und daran festhalten)
  • Strukturen aufbauen, die einen systematische Auf- und Ausbau von Kundenbeziehungen ermöglichen
  • (Kommunikations-)Prozesse installieren, die potenzielle Kunden vom Erstkontakt allmählich zur Kaufentscheidung führen
  • kontrollieren, ob die genutzten Marktbearbeitungsinstrumente greifen.

Diese „rationalen“ Tätigkeiten bereiten Trainern und Beratern, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen, meist große Probleme. Denn sie setzen andere Fähigkeiten als eine reine Trainer- und Beratertätigkeit voraus. Plötzlich genügt es nicht mehr, im fachlichen und sozial-kommunikativen Bereich fit zu sein; vielmehr hängt ihr Erfolg nun weitgehend davon ab, ob es ihnen gelingt,

•    ihre Stärken (beziehungsweise die ihres Unternehmens) glaubhaft nach außen darzustellen,
•    daraus einen sichtbaren Kundennutzen abzuleiten und
•    ein Interesse an ihrer Dienstleistung in Kaufentscheidungen umzuwandeln.

Auch Berater brauchen zuweilen Berater

An diesem Punkt scheitern viele Berater aus denen Unternehmer werden. Deshalb sollten auch Bildungs- und Beratungsanbieter ihr Angebot und die Art, wie sie versuchen, dieses zu vermarkten, ab und an von Beratern, die ihren Markt kennen, kritisch durchleuchten lassen. Wie zielführend eine solche Beratung zuweilen ist, sei am Beispiel zweier junger Frauen beschrieben, die vor fünf Jahren ein eigenes Sprachinstitut gründeten, nachdem sie zuvor jahrelang als freie Trainerinnen für andere Institute gearbeitet hatten. Doch irgendwann fragten sie sich: „Wollen wir Honorarkräfte oder Unternehmerinnen sein?“ Ihre Antwort lautete: „Wir wollen selbstständige Unternehmerinnen mit eigenen Kunden sein.“ Also gründeten Heike Riegel und Freya Schadel  ein eigenes Institut; ein Institut, das sich darauf spezialisiert hat, „ausländischen Fach- und Führungskräften, die in Deutschland arbeiten, die deutsche Sprache zu vermitteln“.

Erste Kunden fanden die Jungunternehmerinnen aufgrund ihrer Kontakte aus den vorangegangenen Tätigkeiten schnell. Probleme bereitete ihnen aber die Neukundenakquise; die Akquise von Kunden also, die noch keine Trainingserfahrung mit ihnen gesammelt hatten. Hier sahen sie sich einer übermächtigen Konkurrenz in Form der großen Sprachschulen gegenüber.

Deshalb analysierten Heike Riegel und Freya Schadel nach einiger Zeit mit einem Berater ihr Unternehmen sowie dessen Markt und Umfeld. Dabei stellten die Institutsinhaberinnen zunächst fest: Wir wollen kein möglichst großes Unternehmen aufbauen; wir möchten auch künftig nur regional tätig sein. Wir möchten aber eine Unternehmensgröße erreichen, die uns einerseits ermöglicht, uns zeitweilig für Planungsprozesse zurückzuziehen, bei der wir andererseits aber auch weiterhin als Trainerinnen arbeiten können. Eine reine Managementfunktion reizt uns nicht.

Aus den Unternehmensmerkmalen Stärken ableiten

Nachdem die Inhaberinnen so ihr persönliches Ziel definiert hatten, stellten sie bei der weiteren Analyse fest: Die meisten großen Sprachschulen beschäftigen nur Honorarkräfte als Trainer. Diesen zahlen sie relativ niedrige Stunden-/Tagessätze. Deshalb ist die Mitarbeiterfluktuation hoch, weshalb die Kunden oft über eine geringe Kontinuität in der „Lehrer-Lerner-Beziehung“ und über Qualitätsschwankungen klagen. Außerdem stellten sie fest: Die meisten Mitbewerber arbeiten fast ausschließlich mit standardisierten Trainingskonzepten, weshalb viele Kunden eine ungenügende Orientierung an ihrem Bedarf beklagen. Daraus leiteten die Institutsinhaberinnen zwei Stärken für ihr Unternehmen ab:

  • Wir arbeiten nur mit festangestelltem, studiertem Personal mit mindestens fünf Jahren Berufserfahrung. Dadurch garantieren wir unseren Kunden Kontinuität in der „Lehrer-Lerner-Beziehung“ und eine gleichbleibende Qualität auf hohem Niveau.
  • Wir arbeiten ohne standardisierte Trainingskonzepte und -unterlagen. Wir entwickeln sie stets entsprechend dem Bedarf des Kunden.

In einem weiteren Schritt analysierten Heike Riegel und Freya Schadel ihre Kundenstruktur. Sie stellten fest: Mehr als 90 Prozent unserer Kunden kommen aus dem Dienstleistungssektor (unter anderem Versicherungen, Banken, Werbeagenturen). Zudem nehmen sie in ihren Unternehmen eine Funktion wahr, bei der die „Kommunikation ein wesentliches Element der Leistungserbringung“ ist (zum Beispiel Verkäufer, Kundenbetreuer). Daraufhin beschlossen sie, sich künftig als „Spezialist für beratungsintensive Branchen und Berufe“ zu begreifen und ihr Institut so nach außen zu präsentieren.

Über die Analyse ihres Unternehmens und dessen Umfeld entwickelten die Institutsinhaberinnen so ein Unternehmensprofil, das sich von dem anderer Sprachschulen unterscheidet; ein Profil, das ihr, so Heike Riegel, „Sicherheit im Verkauf und im Umgang mit potenziellen Kunden gibt“. Denn sie weiß zum einen, auf welche Zielgruppen sie ihr Marketing konzentrieren muss, zum anderen kann sie im Gespräch mit Neukunden klar die Stärken ihres Unternehmens und den damit verbundenen Kundennutzen darstellen. Hierüber kann sie sogar höhere Preise rechtfertigen. Heike Riegel weiß aufgrund der Analyse aber auch, welche Interessenten sie besser an andere Sprachinstitute verweist. Diese erlebt sie ohnehin nicht mehr als Mitbewerber; sie weiß, diese operieren in einem anderen Marktsegment.

Nischenstrategie hat sehr viele Vorteile


Kennzeichnend für das Konzept der beiden Institutsinhaberinnen ist, dass sie das Profil ihres Unternehmen mehrdimensional bestimmen. Entsprechendes gilt für die Zielgruppe. Auch sie wird über mehrere Dimensionen (unter anderem Region, Branche/Beruf, Problem, Nutzen/Ziel) definiert. Das Institut beschreitet somit den umgekehrten Weg, den die meisten Trainings- und Beratungsanbieter gehen. Es verengt seinen Markt gezielt auf eine relativ geringe Zahl von Nachfragern, die sich durch mehrere gemeinsame Merkmale auszeichnen. Es ist also eher bestrebt, ein Teilsegment des Marktes zu durchdringen als den gesamten Markt zu bedienen.

Eine entsprechende Strategie sollten alle kleinen Bildungs- und Beratungsanbieter verfolgen – speziell Newcomer. Sie müssen alles tun, um ihren Markt überschaubar zu machen, damit sie ihre Kunden möglichst genau beobachten können, denn nur dann können sie ihnen einen größeren Nutzen als ihre etablierte Konkurrenz bieten. Haben sie dann den Markteintritt geschafft, können sie ihren Markt immer noch auf verwandte Zielgruppen ausdehnen.

Eine solche Nischenstrategie hat nicht nur den Vorteil, dass der Markt transparent wird. Aus der Überschaubarkeit des Marktes und der begrenzten Zahl potenzieller Kunden ergeben sich weitere Vorteile. Der Anbieter kann

  • relativ einfach einen intensiven Kontakt zu seinen potenziellen Kunden aufbauen,
  • sich schnell ein positives Image aufbauen,
  • über sein Spezialwissen höhere Preise rechtfertigen,
  • über seine intime Marktkenntnis und eine darauf aufbauende Produktentwicklung Marktbarrieren für eventuelle Mitbewerber aufbauen und seinen Marktvorsprung ausbauen.

Hinzu kommt ein weiterer Vorteil: Er kann seine Marketing- und Werbekosten, weil geringe Streuverluste entstehen, minimieren.

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Über Bernhard Kuntz
Die PRofilBerater GmbH
Bernhard Kuntz ist Inhaber der Marketing- und PR-Agentur Die ProfilBerater GmbH, Darmstadt, die Dienstleister und ähnliche Spezialisten bei ihrer Selbstvermarktung und beim Vermarkten ihrer Leistungen unterstützt. Er ist unter anderem Autor ...
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