Man traut sich kaum, dieses abgedroschene Wort von der „Servicewüste“ noch auszusprechen. Und dennoch ist es leider wahr: Unser Land dürstet nach Dienstleistungen, während es in Produkten ertrinkt. In den letzten Jahrzehnten ist der Bedarf an Dienstleistungen in allen Lebens- und Unternehmensbereichen rapide angestiegen, das Angebot aber nicht im gleichen Maße mitgewachsen. Allein im ersten Quartal 2006 wurden in Deutschland fast 350 Milliarden Euro für Dienstleistungen ausgegeben, das sind 25 Milliarden Euro mehr als vier Jahre zuvor. Gerade im Dienstleistungssektor werden jedoch die meisten Chancen zur Kundenbegeisterung verschenkt – Chancen, die neben „reinen“ Dienstleistungsbetrieben vor allem Hersteller, Handelsunternehmen und Handwerker nutzen könnten. Die stark gestiegene und noch immer steigende Nachfrage nach Dienstleistungen ergibt sich unter anderem aus folgenden Entwicklungen:
Gerade im Dienstleistungssektor lässt sich schon mit geringem finanziellen Aufwand und oftmals sogar ohne spezielle Ausbildung viel bewegen. Die Nachfrage nach Leistungen, die auf den ersten Blick unkonventionell sind, ist meist erheblich größer als das Angebot, aber zunächst nur latent vorhanden und damit unsichtbar.
Jeder kann zum Dienstleister werden
Um als Unternehmen Kunden mit Dienstleistungen begeistern zu können, ist insbesondere eines erforderlich: die Situation mit den Augen des Kunden zu sehen und dessen wahren Bedürfnisse zu kennen. Unternehmen aller Branchen – auch Hersteller, Handwerker und Händler – können den wahren Bedarf ihrer Kunden herausfinden, indem sie Antworten auf folgende Fragen finden:
Dies alles in Erfahrung zu bringen, ist leichter als gedacht: Oft muss man den Kunden nur genau zuhören, um ihre Wünsche zu erfahren. Im direkten Kundenkontakt äußern Kunden ihren Bedarf und fragen nach bestimmten Leistungen; daraus ergeben sich meist schon die Antworten darauf, wo Dienstleistungspotenziale verborgen liegen. Und damit erwachsen Chancen, vom austauschbaren Produkt und vom ebenso austauschbaren Produktverkauf wegzukommen und stattdessen als buntes Ei durch den Zusatzverkauf von Dienstleistungen angenehm auffallend anders als die Durchschnittseier zu werden.
Das Gelbe vom Ei
Seit kurzem bietet eine Internetbuchhandlung ihren Kunden als kostenlosen Service die Katalogisierung und Verschlagwortung ihrer Bücher an. So erhalten insbesondere Vielleser Hilfe, ihre bereits vorhandene Bibliothek endlich einmal zu ordnen und zu systematisieren. Der (erwünschte) Nebeneffekt: Per Internet können die User-Leser sich anschließend mit anderen Buchliebhabern austauschen, über ihre Bücher diskutieren und sich gegenseitig interessante Neuerscheinungen empfehlen. Neben den praktischen Nutzen einer übersichtlich sortierten Bibliothek tritt auf diese Weise für die Käufer das Erlebnis, mit anderen Gleichgesinnten in Kontakt zu kommen. Die Serviceleistung steigert die Bereitschaft der Kunden, weitere Bücher zu erwerben. Warum kommt der stationäre Buchhandel, der permanent über Umsatzrückgänge und sinkende Gewinnmargen klagt, nicht auf solch eine Idee?
Möglichkeiten gibt es viele…
Dienstleistungen lassen sich auf verschiedene Art miteinander und mit materiellen Produkten kombinieren. Eine Möglichkeit ist das modulare Baukastensystem: Verschiedene Dienstleistungen werden separat voneinander bzw. von den Produkten verkauft. Die zweite Möglichkeit besteht in einem All-Inclusive-Angebot, dem so genannten Bundling: Alle Dienstleistungen werden mitsamt dem Produkt im Paket angeboten. Beim Mixed Bundling werden verschiedene Leistungselemente je nach Kundenwunsch auf unterschiedliche Weise miteinander verbunden.
… man braucht nur den Mut, sie zu nutzen!
Der einzige Nachteil von Dienstleistungen im Vergleich zu Produkten besteht in ihrer fehlenden Patentierbarkeit. Doch was nützen geschützte materielle Produkte, wenn sie von Nachahmern, beispielsweise aus China, innerhalb kürzester Zeit kopiert werden können? Dienstleistungen haben demgegenüber den Vorteil, dass sie erst durch den menschlichen Kontakt mit den Kunden zu leben beginnen. Und gerade hier lässt sich durch individuelle Inszenierungen, die sich an den Stärken des Unternehmens und der Mitarbeiter ausrichten, eine Einzigartigkeit herstellen, die materielle Produkte niemals erreichen können.