Hintergrund zum letzten Verfahren (Bananabay I) war der Streit zweier Anbieter von erotischem Spielzeug – Bananabay.de und Eis.de – um die Buchung des Keywords „Bananabay“ durch den Konkurrenten Eis.de.
Zu diesem Zeitpunkt lagen bereits mehrere solcher und ähnlicher Ersuchen an den EuGH aus ganz Europa vor.
EuGH-Rechtsprechung
In einem juristischen Rundumschlag beantwortete der EuGH am 23. und 25.03.2010 insgesamt vier Vorabentscheidungsanfragen (EuGH, 23.03.2010, Az. C-236/08 bis C-238/08; EuGH, 25.03.2010, Az. C-278/08): Nach den Vorlagen aus Deutschland, Österreich und anderen Staaten nahm der EuGH umfassend zur Thematik Keyword Advertising, insbesondere bezogen auf Google AdWords, Stellung. Die Ausführungen des EuGH sind dabei bewusst eher vage gehalten, um den nationalen Gerichten einen gewissen Entscheidungsspielraum zu überlassen; den Urteilen lassen sich jedoch insgesamt die folgenden Erkenntnisse entnehmen:
Erstmals existieren hierdurch ab 2010 zentrale Kriterien auf europäischer Ebene, auf die die nationalen Höchstgerichte sich in ihrer weiteren Rechtsprechung beziehen können.
BGH: Bananabay II/Eis.de
Anhand dieser Stellungnahmen verkündete der BGH schließlich am 13.01.2011 das Endurteil im Bananabay-Fall, die „Bananbay II“- bzw. „Eis.de“-Entscheidung (BGH, 13.01.2011, Az. I ZR 125/07). Nach Ansicht des Senats stellt die Buchung des Keywords „Bananabay“ durch den Konkurrenten Eis.de keine Markenrechtsverletzung dar.
Eine Verwendung der Marke liege zwar vor, jedoch kein Markenrechtsverstoß; u.a. deshalb, weil die AdWord-Anzeige deutlich als solche gekennzeichnet und von der Trefferliste abgesetzt war. Vor allem aber sei durch die Angabe der Domain „Eis.de“ in der Überschrift der Anzeige klar ersichtlich, dass diese Anzeige von einem alternativen Anbieter – und nicht dem Markeninhaber – gebucht wurde. Eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr liege somit nicht vor, insbesondere auch deshalb, weil der mündige User durchaus in der Lage sei, zwischen den von ihm angeforderten Treffern und dem in der Anzeige ausdrücklich genannten Anbieter zu unterscheiden. Die Annahme eines wettbewerbsrechtlichen Verstoßes, insbesondere des unlauteren Kundenfangs, lehnt der BGH ebenfalls ab.
Hervorzuheben ist, dass der BGH sich in diesem Urteil erstmals vom Bild eines naiven, unerfahrenen Users abgewandt hat; vielmehr wurde der Online-Community auch ein gewisses Beurteilungsvermögen hinsichtlich der AdWords-Anzeigen unterstellt.
Österreich: OGH-Entscheid „BergSpechte.at/Trekking.at“
Eine sehr interessante Entscheidung erging im benachbarten Österreich. Im OGH-Fall „BergSpechte“ wurde zunächst ebenfalls der EuGH um eine Vorabentscheidung ersucht, wobei die Fragestellung im Wesentlichen mit der des BGH („Bananabay“, s.o.) identisch war (OGH, 20.05.2008, Az. 17 Ob 3/08b). Hintergrund war hier die Buchung der Keywords „BergSpechte“ und „Edi Koblmüller“ (bekannter Bergführer und Geschäftsinhaber von „BergSpechte“) durch den Konkurrenten trekking.at Reise-GmbH.
Nach Veröffentlichung der Kriterien des EuGH (s.o.) kam der OGH in seinem Urteil „BergSpechte II“ (OGH, 21.06.2010, Az. 17 Ob 3/10f)jedoch zu einem überraschend anderen Ergebnis als der BGH: Nach Ansicht der österreichischen Richter liegt durch die Buchung der Keywords „BergSpechte“ und „Edi Koblmüller“ durch den Konkurrenten trekking.at eine Markenrechtsverletzung vor. Der OGH hat aber gute Argumente: Dem User sei im Falle der AdWord-Anzeige mit der Domain „www.trekking.at“ in der Kopfzeile gerade nicht deutlich ersichtlich, dass hier eine Anzeige eines Konkurrenten eingeblendet wird, der mit BergSpechte in keiner Weise wirtschaftlich verbunden ist. Zudem weisen ja die gebuchten Keywords ein hohes Maß an Originalität auf und beschreiben die angebotenen Dienstleistungen gar nicht erst.
Problemfall genericdomains
Durch dieses und auch andere Urteile wird die markenrechtliche Zulässigkeit von mit fremden Marken gleichlautenden Keywords dann problematisiert, wenn in der eingeblendeten Anzeige auf eine genericdomain verwiesen wird – also eine Domain, die einen Gattungsbegriff enthält und aus der kein (konkurrierender) Markenname ersichtlich ist.
Den Ausführungen des EuGH folgend ist im BergSpechte-Fall also dennoch von einer Markenrechtsverletzung auszugehen, da durch die Verweisung auf den Gattungsbegriff „Trekking“ der User nicht ausreichend darüber informiert werde, dass keine wirtschaftliche Verbindung zwischen dem Markeninhaber und dem Konkurrenten besteht und so eine Irreführung des Users in Frage kommt. Diese Rechtsauffassung lässt sich ohne weitere Probleme auf die Rechtslage in Deutschland übertragen.
Folglich sollten nach dem Wortlaut des OGH-Entscheids die Inhaber generischer Domainnamen (wie eben z.B. www.trekking.at, s.o.) in Zukunft wohl strengeren Anforderungen bei der Gestaltung ihrer AdWords-Anzeigen nachkommen: Da der im Domainnamen enthaltene Gattungsbegriff allein die fehlende wirtschaftliche Verbindung zum Markeninhaber nicht hinreichend anzeigt, muss der Domaininhaber durch entsprechende Gestaltung der AdWord-Anzeige kenntlich machen, dass sein Angebot von einem Konkurrenzanbieter (und nicht vom Markeninhaber selbst) stammt.
Aktuelle Entwicklung in Deutschland
Die EuGH-Entscheidungenwarenlängst überfällig, um einmal vernünftige Kriterien zur marken- und wettbewerbsrechtlichen Beurteilung des Keyword Advertising zu schaffen; der EuGH dürfte dieses Ziel auch – zumindest in Grundzügen – erreicht haben. Durch die vage Formulierung des EuGH besteht jedoch weiterhin die Gefahr einer uneinheitlichen Rechtsprechung auf Ebene der einzelnen Staaten.
Und die Rechtsprechung entwickelt sich weiter – nicht zuletzt deshalb, weil einzelne Teilaspekte der AdWord-Werbung noch immer nicht hinreichend ausgeleuchtet sind. Inzwischen sind auch neue Verfahren zum Thema AdWords beim EuGH anhängig. Lohnenswert ist jedoch auch ein Blick auf die jüngere deutsche Rechtsprechung, die nach wie vor nicht wirklich vereinheitlicht ist.
So hatte das LG Berlin in einem Streit zwischen zwei Kontaktlinsen-Händlern zu entscheiden, wobei die Beklagte die eingetragene Wortmarke des Klägers alsAdword gebucht hatte (LG Berlin, Urt. v. 22.09.2010,Az. 97 O 55/10).Das Gericht verneinte mit dem EuGH einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch der Klägerin: Die Beklagte nutze das Zeichen zwar im geschäftlichen Verkehr, sie verletze dabei jedoch nicht dessen Herkunftsfunktion. Da die Anzeige des Beklagten weder die Markenbezeichnung im Text noch eine Bezugnahme darauf enthalten habe, suggeriere die Beklagte keine wirtschaftliche Verbindung zum Markeninhaber. Auch sei die Anzeige nicht so vage gehalten, dass für den Nutzer nicht erkennbar ist, ob der Werbende mit dem Markeninhaber wirtschaftlich verbunden ist oder nicht.
Völlig konträr urteilte dagegen das OLG Braunschweig(vgl. OLG Braunschweig, Urt. v.24.11.2010, Az. 2 U 113/08). Das OLG hatte sich mit zwei Online-Konfiserie-Händlern auseinanderzusetzen; die Beklagte hatte bei Google Adwords Anzeigen für das Wort „Pralinen“ gebucht und dabei die Funktion „weitgehend passende Keywords“ genutzt. Dies hatte zur Folge, dass die Werbeanzeige der Beklagten auch bei einer Suche nach der Marke der Klägerin in Verbindung mit dem Suchwort „Pralinen“ erschien, obwohl die Beklagte gar keine Produkte dieser Marke vertreibt. Da die Klägerin nur Inhaberin einer Wort-/Bildmarke ist, liege zwar keine Zeichenidentität vor, aber eine hohe Zeichenähnlichkeit;deshalb ging das OLG Braunschweig hier von einer Verwechslungsgefahr nach § 14 II Nr. 2 MarkenG aus. Nach den Grundsätzen des EuGH sei auch die Herkunftsfunktion der Marke verletzt, da für einen Durchschnittsnutzer nicht erkennbar sei, ob die beworbenen Waren vom Markeninhaber oder einem wirtschaftlich verbundenen Unternehmer stammen oder von einem unbeteiligten Dritten. Wer nach Pralinen einer bestimmtenMarke suche, der erwarte bei der Anzeige auch ein Angebot für Pralinen der gesuchten Marke.
Interessant ist noch ein Beschluss des OLG Düsseldorf, in dem ebenfalls die Buchung einer Marke als AdWord untersagt wurde (vgl. OLG Düsseldorf,Beschl. v. 21.12.2010, Az. I-20 W 136/10). Hier hatte die Beklagte eine Werbeanzeige für das Keyword „Hapimag“ gebucht, welche unter dem Titel „Hapimag Aktien und Punkte“ für die Internetseite der Beklagten warb. Dort konnte der Kunde dann sog. A-Aktien (ein bestimmtes in der Vergangenheit von der Antragstellerin angebotenes Beteiligungsmodell) erwerben. Nach Ansicht des OLG war diese AdWord-Anzeige rechtswidrig; schließlich müsse der Internetnutzer aus Werbetext und begleitendem Werbelink erkennen, dass der Werbetreibende im Verhältnis zum Inhaber der Marke Dritter ist. Da die Google-Anzeige suggerierte, dass zwischen der Beklagten und dem Markeninhaber eine wirtschaftliche Verbindung besteht, lag eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion dieser Marke vor.
Bei der Werbung mit Hilfe von fremden Markennamen als AdWords ist also auch nach dem entwarnenden Urteil des EuGH noch Vorsicht geboten. Zwar kann eine derartige Werbeanzeige im Einzelfall zulässig sein, es ist jedoch stets darauf zu achten, dass die Herkunftsfunktion der Marke nicht verletzt wird; hierbei ist insbesondere auf die konkrete Gestaltung der Anzeige zu achten.
Zusammenfassung: Der richtige Umgang mit AdWords
Zusammenfassend lassen sich aus der bisherigen Rechtsprechung die folgenden Erkenntnisse ableiten:
Insgesamt ist wohl davon auszugehen, dass das Produkt Google AdWords aus Sicht des Markenrechts (und auch des Wettbewerbsrechts), sofern die Verwendung nach den aufgezeigten Regeln erfolgt, unbedenklich ist. Zwar stellt die Buchung fremder Markenbezeichnungen als Keywords grundsätzlich eine Nutzung dieser Marken dar; eine ungerechtfertigte Beeinträchtigung kann jedoch in der bloßen Buchung als AdWord nicht erkannt werden, sofern nicht irreführend gestaltete Werbeanzeigen zu einer Verwechslungsgefahr zwischen Markeninhaber und AdWords-Kunde führen.
Durch konkurrierende Werbung neben der Trefferliste wird der Ruf einer Marke aber nicht über Gebühr ausgenutzt; ebenso wenig ist wohl davon auszugehen, dass der User die AdWord-Anzeigen unmittelbar mit seiner Suchanfrage und damit auch mit dem Markeninhaber in Verbindung bringt – immer vorausgesetzt, dass die Anzeigen deutlich als solche gekennzeichnet und inhaltlich nicht irreführend gestaltet bzw. formuliert sind. Zum Vergleich: Auch Branchenbücher enthalten Werbung; dies mag mancher Leser zwar als unfair gegenüber den kleineren Einträgen empfinden, auf der anderen Seite können so die Branchenbücher kostenlos an die Endnutzer verteilt werden, was letztlich auch wieder sowohl den Verbrauchern als auch der Gesamtheit der eingetragenen Unternehmer nutzt. Ebenso bleibt der Service von Google durch die AdWords-Werbung kostenlos, was einerseits nützlich für die User ist, andererseits aber auch unentgeltliche Vorteile für alle „googlebaren“ Unternehmen mit sich bringt.
In diesem Zusammenhang ist letztendlich wohl auch festzustellen, dass auch im „analogen“ Leben kein Unternehmer einen Anspruch auf eine werberechtliche Bannmeile rund um seinen Unternehmenssitz genießt – die Vorstellung, ein Inhaber eines Betriebes könnte gerichtlich gegen eine auf der anderen Straßenseite angebrachte Plakatwerbung vorgehen, weil sie entweder seinen guten Ruf in der Gegend ausnutzt oder aber Werbung für einen Konkurrenten enthält, erscheint doch reichlich albern.
Interessant wird natürlich sein, wie die Rechtslage sich in Zukunft entwickelt, insbesondere ob (und falls: wie) die bislang untätigen Gesetzgeber auf nationaler und europäischer Ebene sich dieser Thematik noch annehmen. Indes dürften die Weichen soweit gestellt sein, dass das Produkt Google AdWords – und Keyword Advertising im Allgemeinen – als grundsätzlich legales Werbemittel zu betrachten ist, und zwar auch bei der Buchung fremder Markenbezeichnungen als Keyword; an der einen oder anderen Stelle sind jedoch im Sinne der Rechtseinheit und Rechtssicherheit durchaus noch Feinarbeiten notwendig.