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Fachartikel, 04.02.2010
Lean Project Management
Der Weg zum schlanken (IT-)Projektmanagement
Die Kosten so gering wie möglich halten, so heißt es nach wie vor in Unternehmen, gleich ob nun im Vertrieb, im Marketing, in der Verwaltung oder in der Produktion. Das meist in diesem Kontext gern verwandte Zauberwort heißt „lean“. Lean Management hat Konjunktur. Zuweilen wird jedoch dabei vergessen, worum es hierbei letztlich geht.
Rank und schlank sein, ohne auch nur ein Gramm Fett zu viel  – danach streben nicht nur viele Männer und die Mehrzahl aller Frauen, sondern auch verstärkt die Unternehmen. „Lean“ zu sein, ist IN und gilt in vielen Branchen längst als Pflicht. Was „lean“ indes bedeutet, daran scheiden sich noch oft die Geister. Versteckt sich hinter dem Begriff der Traum von einer durchrationalisierten Organisation? Geht es um Kostensenkung, eine höhere Produktivität und maximale Rentabilität? Oder zielt lean nur einfach darauf ab, den Nutzen für die Kunden zu erhöhen und so die Konkurrenten abzuhängen? Das fragt sich nicht nur mancher Mitarbeiter, sondern auch so mancher Unternehmer.

Mit minimalem Einsatz Werte schaffen


Vergleicht man die verschiedenen Methoden und Ansätze des Lean Managements (wie Kaizen, Six Sigma, Kanban, Wertstromdesign, 5S, Poka Yoke und Heijunka), dann stellt man fest, dass alle stets folgenden zwei Zielen folgen:
  1. Werte für die Kunden schaffen und
  2. Verschwendung vermeiden.
Betrachtet man jedoch die betriebliche Praxis, so zeigt sich, dass sich die Initiativen zumeist vorrangig auf das zweite Ziel konzentrieren, nämlich das, Verschwendung zu vermeiden. Als Verschwendung wird hierbei alles betrachtet, was Ressourcen bindet oder kostet und keinen Beitrag zum Erreichen der (finanziellen) Unternehmensziele leistet – wie zum Beispiel Wartezeiten, überflüssige Kontrollstrukturen und Dokumentationen. Wer sich jedoch nur auf das Ziel „Verschwendung vermeiden“ konzentriert, gewinnt nur kurzfristig. Langfristig sind Lean-Initiativen nur erfolgreich, wenn sie auch das erste Ziel verfolgen: Werte für die Kunden schaffen.

Aus Sicht der Kunden lässt sich die Frage, was Verschwendung ist, leicht beantworten: Alles, wofür der Kunde nicht bereit ist, zu bezahlen, muss auf den Prüfstand. Lean bedeutet also in erster Linie, den Blick auf die Organisation so zu verändern, dass der Kundennutzen im Vordergrund steht.

Selbstverantwortung statt Kontrolle

Entscheider streben meist danach, alles zu steuern und zu kontrollieren. Ein solches Verhalten führt dazu, dass Mitarbeiter die Verantwortung für Qualität und Kundennutzen an das Management delegieren. Getreu dem Motto „Was kümmert mich der Kunde, wenn die da oben mir ständig in die Quere kommen“.

Lean Management hingegen verlagert die Verantwortung für die Organisation konsequent vom Zentrum an die Peripherie. Nicht das Management entscheidet, was richtig ist, sondern diejenigen, die im direkten Kontakt mit den Kunden stehen. Immer dann, wenn ein Problem auftritt oder eine Verbesserungsmöglichkeit sichtbar wird, entscheiden diese Personen selbst, was es zu tun gilt. Das Management wird lediglich informiert. Es gibt auch keine Verlagerung von Verantwortung auf eine externe Qualitätssicherung. Diese ist in den Arbeitsprozess integriert.

In der Softwareentwicklung wird dies zum Beispiel dadurch erreicht, dass es kein spezielles Testteam gibt, welches den entwickelten Programmcode übernimmt, um Fehler zu beseitigen. Anstelle des Testteams wird der Entwicklungsprozess testgetrieben (Test Driven Development) aufgebaut: Das Entwicklungsteam entwickelt zuerst Testfälle, bevor es an die Programmierung geht. Ist der Programmcode fertiggestellt, wird er unverzüglich ins Gesamtsystem integriert und getestet. Nur wenn dieser Test erfolgreich ist, wird der neu entwickelte Code freigegeben.

Ein weiterer, wichtiger Aspekt ist: die Flexibilität der Arbeitsprozesse erhöhen. Eine Reduktion von Prozessvarianten, wie sie beispielsweise bei Six Sigma angestrebt wird, führt zu starren, unflexiblen Prozessen. Das Unternehmen reagiert nur langsam, wenn überhaupt, auf neue Kundenbedürfnisse. Lean hingegen fokussiert Initiativen zur Prozessverbesserung auf diese Kundenbedürfnisse. „Haben wir genügend Spielräume, um rasch auf neue Anforderungen zu reagieren?“ Im Zweifelsfall ermutigt Lean Management, Regeln außer Kraft zu setzen oder vom Standard abzuweichen.

Die IT als Instrument für Kundennutzen

Wenn ein Unternehmen lean sein möchte, muss dies auch dessen IT sein. Lean heißt in diesem Zusammenhang, dass die IT Teil des Bestrebens wird, alles am Kundennutzen auszurichten und Verschwendung zu reduzieren. Ziel der (internen und externen) IT-Lieferanten muss es also sein, nicht nur das abzubilden, was bisher gemacht wird. Sie müssen sich auch fragen, inwieweit die bisher in der Software abgebildeten Abläufe wirklich geeignet sind, Kundennutzen zu erzeugen. Dabei gilt: Im Zweifelsfall sollte eher weniger als mehr Funktionalität implementiert sein.

In einer Umgebung, die lean sein will, ist es nicht ausreichend, die IT am Laufen zu halten. Die IT muss sich vielmehr daran messen lassen, ob sie das jeweilige Geschäftsfeld wirklich unterstützt. IT-Lieferanten müssen sich die Frage stellen: Erzeugen wir für die Fachabteilung ausreichend Nutzen in Relation zur getätigten Investition? Überflüssige Lizenzen, nur teilweise genutzte Anwendungen oder unzufriedene Anwender sind im Sinne von Lean Verschwendung.

Was folgt daraus für IT-Projekte? Von welchen Denkansätzen sollten sie sich leiten lassen und wie sollten sie gemanagt werden, um den Kundennutzen zu erhöhen? Einige Anregungen:
  • IT-Projekte sollten sich am Bedarf der Zielgruppen orientieren: Nicht alle Anwender benötigen denselben Funktionsumfang. Beginnen Sie, Anwender differenzierter zu betrachten. Bilden Sie Kategorien von Anwendern. Gruppieren Sie zum Beispiel nach der Häufigkeit der Nutzung oder nach der IT-Affinität und entwickeln Sie spezifische Zugänge zum IT-System oder spezifische Trainings zur Bedienung.

  • IT-Projekte sollten unnötige Vielfalt vermeiden: Nicht jeder Mitarbeiter benötigt jede Funktion. Er muss auch nicht alle Daten eingeben und einsehen können. Er möchte diese unnötige Vielfalt, die ihn häufig überfordert, auch nicht. Denn sie stresst ihn und aus Unternehmenssicht ist sie Verschwendung und kostet unnötige Lizenzgebühren. Konzentrieren Sie sich also beim Entwickeln von IT-Lösungen auf die Kernanforderungen der verschiedenen Rollenträger in den Arbeitsprozessen. Reduzieren Sie Benutzerschnittstellen auf das rollenspezifische Minimum und schaffen Sie unterschiedliche Zugänge.

  • IT-Projekte sollten flexible IT-Systeme liefern: Damit Unternehmen rasch auf neue Kundenbedürfnisse reagieren können, benötigen sie eine IT, die schnell an neue Arbeitsprozesse angepasst werden kann. Die Architektur der IT-Systeme sollte so konzipiert sein, dass Prozessvarianten je nach Bedarf ein- und ausgebaut werden können. So zum Beispiel eine neue Kalkulationsmethode für bereichsübergreifende Ausschreibungen.

  • IT-Projekte sollten selbst Lean sein: IT-Entwicklungsprojekte müssen flexibel auf neue Anforderungen reagieren können, damit sie den gewünschten Beitrag zu Lean-Initiativen leisten. Denn was nutzt es, wenn eine Fachabteilung ihre Arbeitsprozesse rasch an neue Bedürfnisse anpasst, das geplante IT-System aber noch auf dem alten Stand ist, weil die Anforderungen zu Beginn des IT-Projekts festgeschrieben wurden? Orientieren Sie sich an agilen Methoden, um die nötige Flexibilität zu bewahren.
Lean Project Management ist eine Denkhaltung

Konsequent umgesetzt, lässt sich Lean Project Management als eine Denkhaltung beschreiben, die alles am Kundennutzen ausrichtet. Dies beginnt bei der Beziehungsgestaltung zwischen Fachseite und Projekt. Wo früher ein kontradiktorisches, auf Verträgen beruhendes Verhalten gang und gäbe war, hält im Lean Project Management eine auf Vertrauen beruhende Beziehung Einzug. Die Beteiligten versuchen weniger, sich abzusichern. Sie arbeiten vielmehr daran, sich wechselseitig immer besser einschätzen zu lernen.

Für die Fachseite bedeutet dies, ein Verständnis für Möglichkeiten der Entwicklungsmethodik und der Technologie zu entwickeln. Für die IT-Seite bedeutet dies, sich so tief in die fachlichen Abläufe und Bedürfnisse einzuarbeiten, dass sie ein Gefühl dafür bekommt, was für die Kunden der Fachseite wirklich wichtig ist und was nicht.

Lean Project Management organisiert Teams kundenorientiert statt nach fachlichen Disziplinen wie Entwicklung, Test und Dokumentation. Kundenorientierte Teams reden möglichst direkt mit den jeweiligen (internen oder externen) Kunden. Sie sind so aufgebaut, dass sie ein Ergebnis mit direktem Kundennutzen produzieren. In IT-Projekten bedeutet dies: Analytiker, Designer, Entwickler und Tester bilden ein Team.

Lean Project Management setzt auf kurze Durchlaufzeiten. Ein IT-Projekt nach Lean Prinzipien produziert regelmäßig (typischerweise nach zwei bis acht Wochen) lauffähige Programmteile, die an den Kunden ausgeliefert werden. Dies ermöglicht ein zeitnahes Feedback, ein kontinuierliches Lernen und eine ständige Verbesserung der Ergebnisse.

Lean Project Management stellt den Kundennutzen in den Fokus. Statt Entscheidungen zentral zu treffen, setzt die Projektleitung alles daran, dass jedes Teammitglied weiß, welche Ziele der Kunde mit dem IT-Projekt verfolgt. Damit befähigt die Projektleitung jeden Einzelnen, im Sinne dieser Ziele zu entscheiden – und entlastet sich von der Bürde, alles steuern und kontrollieren zu müssen. Ein Schwerpunkt des Lean Project Management liegt deshalb darauf, hierfür die erforderlichen Kommunikationsmöglichkeiten einzurichten. Informationstransparenz ist das A und O.

Wenn sich Projektleiter diese Grundprinzipien zu Eigen machen, ist Lean Project Management kein Hype. Es setzt vielmehr das gesamte Potential des Projekts im Sinne der Kundenziele frei.
QUERVERWEIS
Projektmanagemen-Wissen
Prozessorientiertes Projektmanagement
"Wer sich vom reinen Projektplaner zum Projektarchitekten weiterentwickeln mag, wird in "Prozessorientiertes Projektmanagement" viele Denkanstöße und ein in sich stimmiges Handlungsmodell zur Steuerung dynamischer Projekte finden." (projektMagazin.de, 08/2004)
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ZUM AUTOR
Über Jürgen Rohr
vedanova IT-Projektmanagement und Organisationsberatung
Jürgen Rohr ist Inhaber der vedanova IT-Projektmanagement und Organisationsberatung. Das Unternehmen ist darauf spezialisiert, Unternehmen beim Planen, Konzipieren sowie Umsetzen kultur- und strukturverändernder (IT-)Projekte zu ...
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