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Fachartikel, 10.02.2009
Kündigungsschutzgesetz
Kündigungsschutz kostet Wirtschaft Milliarden
Regelungen zum Kündigungsschutz sind nicht kostenlos zu haben: Prozesse, Abfindungen und Personalaufwendungen belasten die Unternehmen erheblich. Auch gesamtwirtschaftlich entsteht ein Schaden, denn die arbeitsrechtlichen Bestimmungen halten Betriebe davon ab, neue Stellen zu schaffen. Eine neue Erhebung zeigt, welche Kostenbelastung das aktuelle Kündigungsschutzgesetz für die Wirtschaft im Einzelnen nach sich zieht.*)
Die Arbeitsgerichte haben seit Beginn der Wirtschaftskrise gut zu tun: Allein in Nordrhein-Westfalen stieg die Zahl der eingereichten Klagen seit Mitte November des vergangenen Jahres um 30 bis 50 Prozent – die meisten stammen von Arbeitnehmern, die gegen ihre Kündigung vorgehen. Die Basis dafür ist fast immer das Kündigungsschutzgesetz, das garantieren soll, dass im Fall des Arbeitsplatzabbaus alles mit rechten Dingen zugeht. Besonders häufig riefen befristet Beschäftigte, Teilzeitkräfte und Zeitarbeiter, die aufgrund der schlechten Auftragslage ihren Job verloren haben, die Arbeitsgerichte an.

Diese Klagewelle ist mit erheblichen finanziellen Belastungen für die Betriebe verbunden. Doch schon bevor es zum Äußersten kommt, kostet der Kündigungsschutz die Unternehmen bares Geld. Die vielfältigen Aufwendungen sowie die Wirkungen, die der Kündigungsschutz verursacht, hat das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zusammen mit der IW Consult durch eine repräsentative Unternehmensbefragung ermittelt. Befragt wurden annähernd 1.800 Firmen mit mehr als zehn Mitarbeitern, denn für Betriebe mit weniger Beschäftigten gilt das Gesetz in der Regel nicht. Das Ergebnis:

Die Regelungen zum Kündigungsschutz kosten die deutsche Wirtschaft 7,5 Milliarden Euro pro Jahr.

Diese Summe setzt sich aus folgenden Blöcken zusammen:

1. Kosten für das Personalmanagement


Die Mitarbeiter in den Personalabteilungen der Firmen müssen wissen, wie die gesetzlichen Regelungen des Kündigungsschutzes in ihrem Unternehmen anzuwenden sind. Weil viele Betriebe wegen der arbeitsrechtlichen Bestimmungen dazu übergegangen sind, Beschäftigte vermehrt befristet einzustellen, ergeben sich dabei weitere juristische Fallstricke: Stellt ein Unternehmen beispielsweise einen Mitarbeiter zeitlich befristet ein, ohne dass es einen gültigen Sachgrund dafür gibt, und war der Betreffende vor vielen Jahren schon einmal in derselben Firma als Werkstudent tätig, so ist diese Befristung unwirksam. Für Schulungen von Personalern, externe Rechtsberatungen sowie für den Aufwand, der mit der höheren Personalfluktuation infolge von befristeten Arbeitsverhältnissen einhergeht, geben die Unternehmen etwa 1 Milliarde Euro pro Jahr aus.

2. Kosten im Vorfeld der Kündigung

Wenn ein Unternehmen sich von einem Mitarbeiter trennen möchte, muss es Regeln einhalten: Betriebsbedingte Kündigungen müssen beispielsweise im Rahmen der Sozialauswahl ausgesprochen werden, die etwa langjährige, ältere oder unterhaltspflichtige Mitarbeiter schützt. So kommt es, dass häufig die leistungsstärksten Beschäftigten gehen müssen, was Produktivitätseinbußen zur Folge hat. Oftmals ist auch die Anhörung oder Zustimmung des Betriebsrats erforderlich. Die Kosten, die so im Vorfeld von Kündigungen anfallen, summieren sich auf 420 Millionen Euro im Jahr.

3. Prozesskosten

Derzeit landet fast jede dritte arbeitgeberseitige Kündigung vor Gericht. Etwa die Hälfte aller Unternehmen hat von 2004 bis 2007 Erfahrungen mit Kündigungsschutzklagen gemacht. Dabei entstehen den Betrieben Kosten in den Rechts- und Personalabteilungen sowie Ausgaben für Anwälte und Gerichte. Letztere entfallen allerdings, wenn die Parteien sich vergleichen, was in drei Vierteln aller Kündigungsschutzprozesse der Fall ist. Insgesamt belaufen sich die Aufwendungen rund um die Arbeitsgerichtsverfahren im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses auf jährlich 975 Millionen Euro.

4. Abfindungen

Um eine Kündigung und eine potenzielle Kündigungsschutzklage zu vermeiden, schließen etwa 30 Prozent der Unternehmen mit jenen Mitarbeitern, von denen sie sich trennen möchten, Aufhebungsverträge ab. Diese sind in der Regel mit Abfindungszahlungen verbunden. Hinzu kommen die Abfindungen, auf die sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses einigen. Ein Viertel aller arbeitgeberseitig beendeten Arbeitsverhältnisse endet mit einer solchen Zahlung:

Im Schnitt geben Unternehmen knapp 12.000 Euro für eine Abfindung im Kündigungsfall aus.

Insgesamt schlägt dies bei den Betrieben mit jährlich etwa 2,6 Milliarden Euro zu Buche.

4. Beschäftigungseffekt

Weil viele Firmen aufgrund des Kündigungsschutzgesetzes fürchten, Mitarbeiter im Ernstfall nur schwer entlassen zu können, verzichten annähernd 40 Prozent der befragten Betriebe ganz auf Neueinstellungen.
Zwar wird im Gegenzug in solchen Unternehmen auch weniger Personal entlassen, doch unterm Strich kostet das Arbeitsplätze. Denn auf zehn nicht ausgesprochene Kündigungen kommen der Untersuchung zufolge 15 unterbliebene Neueinstellungen. Hochgerechnet auf alle Betriebe bedeutet dies:

Per saldo verhindern die Regelungen zum Kündigungsschutz, dass jährlich mehr als 41.000 neue Stellen geschaffen werden.

Das entspricht einem entgangenen Wertschöpfungspotenzial von 2,5 Milliarden Euro. Noch nicht mit eingerechnet sind die Wachstumschancen und Beschäftigungsmöglichkeiten, die den Unternehmen entgehen, weil sie Projekte, Betriebserweiterungen oder Innovationen scheuen, für die sie zusätzliches Personal bräuchten.

Eine andere Wirkung, die der Kündigungsschutz hat, betrifft die Formen der Beschäftigung. Um den Kündigungsschutz zu umgehen, stellen viele Unternehmen befristet Beschäftigte oder Zeitarbeitnehmer ein. Die Leiharbeit spielt hier allerdings eine eher untergeordnete Rolle, weitverbreiteter ist die Befristung:

Von den Großbetrieben schließen sogar fast 85 Prozent wegen des Kündigungsschutzes befristete Beschäftigungsverhältnisse ab.

Mehr als 60 Prozent der Firmen sehen denn auch Änderungsbedarf beim Kündigungsschutz, um Neueinstellungen zu beschleunigen. Nach verschiedenen Optionen befragt, antworten die Unternehmen allerdings recht unterschiedlich. Während für Großbetriebe vor allem der Aspekt der Rechtssicherheit von Bedeutung ist, steht bei den kleinen Betrieben meist die Kostenfrage im Vordergrund. Die wichtigsten
Reformvorschläge im Einzelnen:

■ Abfindungsmodell: Die vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung favorisierte Variante, bei der grundsätzlich eine im Arbeitsvertrag zuvor festgelegte Ablösesumme anstelle des bisherigen Kündigungsschutzes tritt, trifft bei den Unternehmen auf geteilte Meinung. Vier von zehn Großbetrieben würde das Abfindungsmodell zu schnelleren Neueinstellungen veranlassen. Kleinere Unternehmen sehen das Modell hingegen skeptischer. Den unterschiedlichen Bedürfnissen käme also eine Wahlmöglichkeit zwischen einem Abfindungsmodell einerseits sowie den bisherigen Regelungen des Kündigungsschutzes andererseits entgegen.

■ Erleichterte Kündigungen: Dafür plädiert rund ein Drittel der Unternehmen: Viele Betriebe wünschen sich, ihren Personalbestand besser an konjunkturelle Schwankungen anpassen zu können – so sollten bei guter Auftragslage zusätzliche Beschäftigte eingestellt werden können, von denen sich das Unternehmen bei fehlender Nachfrage aber auch wieder leicht trennen kann. Auch wenig motivierten Mitarbeitern sowie Beschäftigten mit extremen krankheitsbedingten Fehlzeiten sollte leichter gekündigt werden können.

■ Verkürzung der Kündigungsfristen: Die tariflichen Kündigungsfristen sind einigen Unternehmen zu lang. Würden sie verkürzt – manche Betriebe plädieren beispielsweise für Begrenzungen auf zwei Wochen –, würde dies die Einstellungsbereitschaft insbesondere der kleineren Unternehmen fördern. Andere Vorschläge wie etwa geringere Abfindungen oder die gänzliche Abschaffung des Kündigungsschutzes werden von relativ wenigen Betrieben präferiert.

*) Vgl. Stefan Hardege, Edgar Schmitz: Die Kosten des Kündigungsschutzes in Deutschland, IW-Analysen Nr. 41, Köln 2008, 72 Seiten, 16,80 Euro. Bestellung über Fax: 0221 4981-445 oder unter: www.divkoeln.de

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